RE: Einfach nur weg
Ich hatte sie offenbar erfolgreich abgelenkt, denn sie sagte nichts dazu, dass ich mit ihr mitging. Stattdessen erzählte sie mir. Sehr viel. Quasi ihr ganzes Leben. Auch wenn sie das vielleicht nicht so bemerkte oder es ihre Absicht war, aber jetzt wusste ich nicht nur, dass ihr Vater ein römischer Legionär und sie somit ein Mischling wie ich war, sondern auch, dass ihre Mutter wohl geglaubt hatte, dass der Vater zurückkehren würde. Offenbar hatte sie ihn geliebt. Anders wie bei mir. Und ich wollte ja nicht sagen, dass damals alle Legionäre vergewaltigende Scheißkerle waren. Aber es waren eben Legionäre gewesen, die damals in Mona vergewaltigt hatten. Und die Boudicca ausgepeitscht und ihre beiden Töchter Rücken an Rücken gefesselt und dann vergewaltigt hatten. Und selbst, wenn Catias Vater da nicht mitgemacht hatte, er hatte auch nichts dagegen getan. Aber das sollte ich jetzt vielleicht besser nicht sagen. Ich sagte also stattdessen erstmal “Ähm...“
Und sie erzählte mir, dass sie heiraten sollte, irgendeinen alten Mann. Klang eher so, als sollte sie verkauft werden. Das hatte bei uns Kelten durchaus auch Tradition, wenngleich meistens eher die besonders hübschen Mädchen als Nebenfrau auf dem Markt verkauft wurden und dann irgendeinem Fürsten eben als Bettwärmer dienten und mit dem Brautgeld die restliche Familie dann versorgt war. War nicht unbedingt schön für die Frauen, gab ich sicherlich zu, aber die Welt war eben hart. Und wenn man die Wahl zwischen Verhungern oder ein Familienmitglied opfern hatte, naja, dann lebten die meisten Familien halt doch recht gerne. Ich machte also noch einmal “Ähm….“ und überlegte, was ich sinniges dazu sagen sollte. Vielleicht auch besser nichts, denn sie war jetzt schon kurz davor, zu heulen und wischte sich die Augen.
“Ich glaube nicht, dass er da viel zu sagen hat. In der Castra dürfen wie gesagt keine Frauen sein, also könntest du auch dann nicht bei ihm wohnen, wenn er das wollte“, gab ich also nur zu bedenken und trottete weiterhin neben ihr her. “Aber das heißt ja nicht, dass du dich deshalb verkaufen lassen musst. Ich mein, du bist ja jetzt auch weggegangen. Wenn du in Iscalis eine Arbeit findest, dann kannst du machen, was du willst. Wenn du dein eigenes Geld hast, kann dir ja niemand was vorschreiben.“ Das sah ich zumindest als wesentlich wahrscheinlicher möglich an, als dass ihr Vater da in der Castra war und tatsächlich irgendwas für sie tun wollte. Wenn er das gewollt hätte, dann wäre Catias Mutter doch sicher in der Nähe des Lagers geblieben und hätte da ein Haus und würde vom Vater besucht werden und bekäme sein Geld und so. War ja nicht so, als gäbe es da nicht genug Frauen, die deshalb in Iscalis wohnten. Aber mit ihrem eigenen Geld konnte sie tun und lassen, was sie wollte.
Wir gingen eine Weile, und irgendwas an ihr war anders, aber ich konnte nicht den Finger drauf legen. Ich hätte schwören können, dass links neben ihrem Auge eine Warze gewesen war, aber ganz offensichtlich war da keine. Ziemlich seltsam.
Sie sagte schließlich was von einem Feuer, und ich sah mich um. “Wir sollten noch ein Stück weiter gehen und weiter von der Straße weg. Ich weiß glaub ich eine Stelle, wo es ein bisschen windgeschützt ist und wo uns Straßenräuber nicht schon von weitem sehen.“ Denn nicht alle Leute waren nett, und nah an der Straße war die Chance, überfallen zu werden, am größten.
Ich lenkte uns also ein wenig querfeld ein und über zwei Hügel. So langsam wurde es wirklich dunkel und ungemütlich, und ich musste langsamer als sonst machen, damit sie nicht irgendwo in einen Kaninchenbau hineintrat und sich den Fuß dabei brach oder so etwas. Nachts herumlaufen war ziemlich bescheiden, mit Pferd zweimal, und mit einer ungeübten Frau an der Seite dann dreifach.
Aber wir kamen schließlich zu einem abfallenden Hügel mit ein paar Findlingen darauf, die den Wind ein wenig brachen. Inzwischen war es schon ziemlich duster, aber hier waren wir vor Blicken recht gut geschützt und das Wetter heute war diesig genug, dass der Rauch von einem feuer nicht endlos weit gesehen werden würde.
“Hier ist gut. Ich hab Brennholz in der Satteltasche. Hol du es raus, ich bereite die Feuerstelle vor.“ Dass sie an meine Sachen gehen würde, machte mir nichts. Sie würde ein Schwert finden und meine zweite Axt – die andere trug ich am Gürtel – und noch ein Hemd und etwas Dörrfleisch und Trockenfrüchte. Nichts irgendwie verräterisches oder so.
Ich buddelte mit den Händen in der Erde also ein Loch aus, in das das Feuerholz dann kommen sollte. So würde man auch keinen Feuerschein von außen sehen, und wir konnten uns trotzdem ein wenig aufwärmen. So wirklich warm würde es zwar nicht werden, aber ein bisschen vielleicht. Ansonsten… würde ich wohl viel an Iomainth denken müssen, weil um es warm zu haben, sollten wir beieinander liegen und uns gegenseitig wärmen. Ich sollte vielleicht vorher nochmal austreten gehen.
Falke
|