RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Als Nivis die Geister dieser Nacht nannte und dass der Frieden nicht gestört werden durfte, winkte Saturninus sofort Seasnán zu, dass er wegbleiben solle. Auch barbarische Götter existierten, auch wenn sie den römischen unterlegen waren, aber das hier war eines ihrer sakralen Feste, und Saturninus würde sich nicht mit ihnen anlegen:
"Ich achte den Frieden deiner Götter, Carrissima"
Als Ciaran dann weiter sprach, musste ihm der Furius insgeheim Recht geben. Er hatte selbst nicht daran geglaubt, dass ihn niemand erkennen würde. Er hatte nur Nivis eine Freude machen wollen. Ein wenig fühlte sich der Patrizier ertappt, wie er sich zum Affen machte, nur um seiner Geliebten zu gefallen.
Ciaran schien ihn gut zu kennen. Er wusste von Deirdre und vielleicht auch von Tiberius:
"Ich habe nur in Anspruch genommen, was mir als Sklaven- und als Klientendienst von Deirdre zustand. Nichts was den Sitten widerspräche.
Aber mit Nivis..."
Saturninus verstummte. Er war in Nivis verliebt und war von Anfang an nicht als ihr Herr sondern als ihr Liebhaber mit ihr im Bett gewesen, doch mehr konnte er ihr nicht geben, als er ihr bereits gab. Er konnte ihre Beziehung nicht legitimieren. Sie dagegen war völlig unschuldig in seinen Augen. Sie wusste nicht einmal, dass sie seine Sklavin gewesen war. Er hatte sie ohne ihr Wissen freigelassen. Ihr Götter, das war unangenehm.... wenn Nivis das erfahren würde. Wusste es denn dieser Ciaran Bescheid? Würde er es der jungen Keltin mitteilen?
Saturninus hatte Nivis nichts verraten.... nie, er fürchtete, sie würde ihm das nicht verzeihen. Ciaran durfte ihm das nicht zerstören, dachte er, aber der unheimliche Mann schien es nicht darauf anzulegen, nur mit Worten die Liebenden zu entzweien.
Ein kalte Hauch wie aus einer Gruft traf den Römer unerwartet....Saturninus fror bis ins Mark.... Aber was ihn heute an Samhain jagte, waren nicht die Gespenster der Toten, sondern die Geister derer, die lebten:
...ein hölzerner Boden. Planken, die nach Meer und säuerlich rochen. Nach Erbrochenem. Nach seinem eigenen Erbrochenen. Der Römer lag mit dem Gesicht nach unten, während der Wagen ächzte und schaukelte. Er stöhnte, sein Kopf dröhnte und sein Mund war wie ausgedörrt vor Durst. Der Wagen war ein Käfig, geflochten aus Birkenästen.
Saturninus erinnerte sich vage. Die Hibernier waren plötzlich in Britannien eingefallen und hatten die Fackel des Krieges entzündet. Es waren so viele, dass die regulären Legionen nicht mit ihnen fertig wurden. Saturninus meldete sich freiwillig, und seine Einheit war eingekesselt worden und er in Kriegsgefangenschaft geraten. Und dies hier musste das barbarische Hibernia sein, denn er erinnerte sich an eine entbehrungsreiche Überfahrt.
Endlich hörte das Schaukeln auf. Der Wagen hielt an. Er wurde geöffnet und jemand schob ihm eine Schale Wasser hinein. Der Römer richtete sich auf, um gierig zu trinken, da platschte ein mächtiger Fuß in das Trinkwasser und ein grober rothaariger Krieger lachte sich kaputt über den bösen Scherz.
Saturninus griff die Schale, rappelte sich auf und holte wütend aus, da ließ ihn ein nie gekannter Schmerz Hören und Sehen vergehen. Der Krieger hatte ihn mit der Breitseite seines Schwertes geschlagen. Und noch ein Befehl, und er wurde über einen Bock gelegt und empfing Peitschenhiebe als Strafe.. Er blieb nackt, verletzt und immer noch hungrig und durstig zurück. Noch mehr als das brannte aber die Demütigung. Er war ein römischer Patrizier
Nackt wie er war trieb man ihn später mit anderen in Ketten auf ein Podest. Und nun begriff Saturninus. Er, Tiberius Furius Saturninus, war ein Sklave auf einem hibernischen Sklavenmarkt.
Potentielle Käufer gingen umher. Ein, zweimal fragte einer etwas über ihn, und ein anderer Mann - Saturninus nahm an, dass das der Sklavenhändler war, fasste ihn grob im Genick und zwang seine Kiefer auseinander. Man begutachtete ihn.
Seine Wangen brannten vor Scham. Er schaute über alle hineweg und dachte, dass es ihm die Ehre jetzt gebot, sich in sein Schwert zu stürzen. Doch welches Schwert? Welche Ehre? Er war wie gesagt ein Sklave. Er hatte alles verloren: Name und Sprache, Ehre und Hoffnung, alles auf einmal..... und wenn die Schwäche ihn straucheln ließ, bekam er nicht etwa Pflege oder Mitleid sondern Spott und noch mehr Prügel.
...und da sah er sie von Weitem. Sie stach zwischen den Frauen, die sie begleiteten, hervor wie eine Rose unter Gänseblümchen. Sie war von großer Schönheit. Ihr Gewand war reich geschmückt, und ihre bloßen Arme zierten Armbänder. Sie trug einen Reif um ihre helle Stirn und rotes dichtes Haar fiel über ihre Schultern.
Nivis, durchfuhr es Saturninus wie ein Schlag, und die Tränen traten ihm in die Augen. Das ist doch meine Nivis, meine Carrissima... er stöhnte auf, und die Antwort auf diese Regung war ein mahnender Zug an der Kette.
Meine Puella ist gekommen, dachte Saturninus voller Sehnsucht. Erkenne mich wieder, befreie mich bitte, nie zuvor hatte sein Herz mehr in seiner Brust geklopft als in diesem Augenblick.
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