RE: Auf dem Dach
Nun wirkte Cassia höchst erstaunt und fasziniert zugleich. Bran wusste wohl über jedes Eckchen in dieser Stadt Bescheid. Und dann erzählte Bran etwas über sich. Dass er schon drei Jahre in der Provinz lebte. Und dass er aus Durovernum stammte. Ja, das hatte er ihr schon einmal erzählt und Cassia hatte seine Heimat einfach nicht aussprechen können. Erst beim zweiten oder dritten mal war es ihr gelungen. Daran erinnerte sich die junge Sklavin bis heute noch und es entlockte ihr ein leises kichern. Bevor sie entschuldigend gen Bran blickte und ihm beruhigend über die Schulter strich. Ein Zeichen, dass sie sich nicht über ihn lustig gemacht hatte. So etwas würde Cassia niemals tun.
“Ich werde dich weiterhin Bran nennen. Das ist dein richtiger Name. Dieser Name gehört zu dir. Und nicht Cantius.“
Erklärte Cassia mit einem freundlichen Ausdruck auf ihrem Gesicht, wobei sie Bran anblickte und ihren Kopf kaum merklich auf die Seite neigte. Bevor sie sich dann jedoch dabei ertappte wie sie den anderen Sklaven fasziniert anzublicken begann. Und schon wandte sie ihren Kopf ab, blickte lieber über die Dächer des Viertels. Bis hin gen des Horizonts und noch weiter darüber hinaus.
“Mein richtiger Name ist Malakeh bint Nasim. So heiße ich. Nicander hat mich schließlich Cassia getauft, wohl wegen meiner zimtfarbenen Haare. Nicander hat mich damals meinen Eltern abgekauft, als er mich mit Nüssen hat jonglieren sehen. Gemeinsam haben wir dann kleinere Gauklerstücke den neugierigen Menschen gezeigt. Nicander hat dazu prosaische Verse vorgetragen. Und ich habe meine Künste mit den Fackeln gezeigt. Und dann war da dieser Römer….“
Immer leiser wurde Cassia in ihrer Erzählung und verstummte schließlich. Biss sich auf ihre Unterlippe und schüttelte ihren Kopf. Dieser verdammte Römer, der sie quasi zur Flucht gezwungen hatte.
“Weißt du Bran? Als Nicander und ich hier ankamen hatten wir nichts, als nur die Kleider die wir am Körper trugen. Und Nicander hatte ganz schlimmen Husten. Da hat Nicander dann vorgeschlagen, dass wir uns als ‚Scheinsklaven‘ verdingen sollen. Wobei sich für mich nichts geändert hat. Ich war und bin eine Sklavin. Von Nicander oder von dem Furier ist einerlei.“
So viel wie Cassia mit Bran gesprochen hatte, so viel hatte sie noch nie mit jemandem gesprochen. Nun gut, mit Nicander hatte sie sich auch viel unterhalten. Aber doch nicht so ausführlich wie sie es hier mit Bran tat. Dabei streichelte sie behutsam über seinen Rücken und vermied es dennoch direkt über die Narben zu gleiten. Auch wenn Bran versicherte, dass es ihn nicht mehr schmerzte. So war Cassia dennoch sehr vorsichtig.
“Domina Sabina muss eine kluge junge Frau sein. Du schwärmst richtig von ihr Bran.“
Als Bran dann ein anderes Sklavenmädchen, Nathaira, erwähnte, zuckte Cassia ganz leicht zusammen und zog ihre Finger zurück. Ihren Blick richtete sie mit konzentrierter Miene erneut über die Dächer des Viertels. Wieso klopfte ihr Herz denn nun so merkwürdig schwer in ihrer Brust?
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