RE: Auf dem Dach
Als Bran meinte, dass der Furier den claudischen Sklaven überhaupt nicht bestrafen konnte, weil er ihm gar nicht gehörte, runzelte sich die Stirn der jungen Sklavin. Hm. Könnte Bran mit seinen Worten etwa Recht haben? Konnte Dominus Furius Saturninus ihn überhaupt nicht bestrafen? Nachdenklich nun der Glanz in Cassias Augen, während sie sich weiterhin in Brans Richtung, somit nach unten, gebeugt hatte, um den claudischen Sklaven keine Sekunde aus ihrem Blick zu entlassen. Wie schade das Bran nicht einfach zu ihr nach oben auf das Dach kommen konnte. Aber vielleicht, wenn sie ihren Dominus danach fragen würde… Doch da fiel Cassia auch schon siedendheiß ein, dass es der Furier verboten hatte, dass sie sich mit Bran oder Nicander traf. Und diese Tatsache ließ Cassia dann doch leise aufschluchzen. Auch wenn sie hastig blinzelte und sich vehement über die Wangen strich, um die hervorquellenden Tränen rasch beiseite zu wischen. Hoffentlich bemerkte Bran nichts von ihrem plötzlichen Stimmungsumschwung. Auch wenn sie sich sehr freute, dass Bran nach ihr gesucht hatte.
“Du darfst nicht bestraft werden. Davon werde ich meinen Dominus abhalten. Versprochen.“
Versicherte Cassia mit einem sanften Lächeln auf ihren Lippen und musste nun doch ihre Stimme etwas lauter erklingen lassen. Denn der Wind hatte nun doch wieder aufgefrischt und brauste mit Wirkung durch die kleinen Gässchen und Straßen des Viertels. Als Bran dann wissen wollte, wer Nicander war, verstummte Cassia augenblicklich und richtete ihren Blick für einen kurzen Augenblick über die Dächer des Viertels.
“Nicander ist ein Schauspieler, wie ich eine Schauspielerin bin Bran. Er hat mich in unserer Heimat meinen Eltern abgekauft. Und seit diesem Tag sind wir gemeinsam umhergezogen und haben unsere Kunststücke aufgeführt. Nicander ist ein begnadeter Poet. Seine Stimme bringt einen jeden zum dahinschmelzen.“
Erklärte Cassia, wobei sie dann doch wieder in Brans Richtung blickte.
“Als wir dann hier in die Provinz kamen, hatte Nicander eine Idee. Er wollte, dass wir uns in ‚Scheinsklaverei‘ begeben. Und hatte einen Deal ausgehandelt, so kamen wir in den Besitz von Numerius Norbanus Paullus. Ich sollte Norbana Orestilla als Leibsklavin dienen, wobei ich sie wirklich lieb gewonnen habe. So wie man eine Freundin lieb gewinnt. Dominus Numerius Norbanus Paullus sah in mir jedoch keine adäquate Leibsklavin für seine Tochter, ich war schließlich noch immer eine Gauklerin und so wurde ich von Phineas, dem norbannischen Maiordomus auf dem Sklavenmarkt verkauft. Dort hat mich dann die kleine Furia Saturnina entdeckt und hat bei ihrem Vater gebettelt, dass mein Dominus mich kaufen soll.“
Erklärte Cassia mit noch immer erhobener Stimme, denn der Wind riss ihr die Worte regelrecht von den Lippen.
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