RE: Einfach nur weg
" Da liegt einer!"
"Tot?"
" Keine Ahnung, ich gehe da nicht hin. Das kann ein Räuber sein. Oder Schlimmeres"
Am Abhang standen zwei Frauen. Die zuerst gesprochen hatte, war älter, die zweite war jünger und nicht allzu groß und von ansehnlicher Gestalt, bis man entdeckte, dass ihr Gesicht von mehreren grauschwarzen Warzen verunstaltet war. In der Gruppe der Reisenden, der sie sich angeschlossen hatte, nannte man sie deshalb "die arme Catia".
"Es sollte doch jemand nachsehen, was mit dem Mann ist, oder?" Catia strafte die Reisegefährtin mit einem Blick aus fast schwarzen Augen.
"Ich nicht. Wir brechen auf, hörst du. Wenn du dich hier aufhälst, lassen sie dich zurück" Tatsächlich waren auf dem Weg - die Frauen hatten sich in die Büsche geschlagen, um ihre Notdurft zu verrichten - nun Geräusche zu hören, Scharren von Hufen und das Quitschen von Wagenrädern.
Die kleine Gruppe kam aus dem Norden. Es war entschieden sicherer, in Gesellschaft zu reisen, weshalb sich Catia den Reisenden kürzlich angeschlossen hatte. Sie kannte aber niemanden näher, und daher hatte die andere Frau Recht: Man würde sie, wenn sie sich nicht sputete, einfach hier alleine im Wald lassen.
"Ich hole euch schon noch ein. Aber ich schaue nach", sagte Catia. Die andere zuckte mit den Schultern und ging.
Die junge Frau war alleine. Unten im Laub lag ein Mann, groß, rothaarig, sehnig. Catia näherte sich wie einem wilden Tier, dann holte sie ein Messer aus ihrem Bündel und hielt es vor den Mund des Fremden. Nach einer Weile beschlug die Klinge, und Catia atmete auf: Der Mann war also nicht tot, nur bewusstlos. Blut sah sie nicht. Vermutlich war er gestürzt und hatte sich nur tüchtig den Kopf gestoßen. Dennoch konnte er nicht bleiben, in Britannien gab es Wölfe, solche auf vier und solche auf zwei Beinen.
Er war aber entschieden zu groß und zu schwer, als dass Catia ihn hätte tragen können. Also musste er aufwachen und selber gehen. Nur wie?
Catia, das Messer immer noch in der einen Hand, schubste mit der anderen den Bewusstlosen. Er rollte herum, und sie konnte sein Gesicht sehen. Der Mann war noch jung, bestimmt nicht älter als sie selbst. Er hatte ansprechende Züge, zumindest sah er nicht so aus, wie sie sich einen Wegelagerer vorstellte.
Wasser, fiel ihr ein. Ohnmächtige werden mit Wasser wach. Sie nahm ihr Messer zwischen die Zähne und holte eine Lederflasche aus ihrem Reisebündel. Sie schüttelte sie: Da war zu wenig Wasser drin.
Catia leerte den Rest auf den Boden und lauschte dann. Es war still um sie geworden, ihre Reisegruppe war tatsächlich ohne sie weiter. Aber zumindest konnte sie das Rauschen des Windes, das Rascheln kleiner Tiere und ganz in der Nähe das Gluckern von Wasser hören.
"Warte, ich komme gleich zurück", murmelte sie, immer noch mit dem Messer und fand sich ein wenig albern, weil der Bewusstlose sie sowieso nicht hören konnte.
Mit der gefüllten Lederflasche kam sie zurück. Sie wischte sich dabei über die Stirn und bemerkte nicht, dass eine ihrer "Warzen" hinunterfiel. Darunter war ihre Stirn weiß und glatt.
Mit beherztem Schwung schüttete sie den Inhalt ihres Gefässes über den Kopf des Fremden....
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