RE: Der Ex-Schwager, der kein Schwager sein wollte - und kein Ex
Als Narcissus mit seinem 'Oh' reagierte, hätte ich fast gelächelt. Seine Überraschung darüber, dass Fintan in meiner Schmiede nicht vollständig gescheitert war, sprach Bände. Er hatte sich wohl auf das Schlimmste vorbereitet. Typisch für ihn, immer mehr Worte als Vertrauen parat. Doch das war nicht der Grund, warum ich hier war.
Als ich Aglaia erwähnte, änderte sich seine Haltung merklich. Das gewohnt selbstsichere Grinsen wich einem Anflug von Nervosität, und er griff zum Wein, wie um sich zu sammeln. Seine ersten Worte kamen zögerlich, fast abwehrend. Ich ließ ihn reden, obwohl seine Einschätzung nicht ganz falsch war. Rom war für mich ein schwieriges Thema. Rom hatte mir mehr genommen, als es mir zu geben vermochte. Aber meine Entscheidung, Aglaia zu informieren, hatte weniger mit römischen Bräuchen zu tun, sondern war eine Frage des Anstands. Außerdem bestand eine kleine Möglichkeit, vielleicht auf diese Weise mein kleines Töchterchen wieder zu sehen.
Dann sprach Narcissus weiter, und seine Worte trafen mich härter, als ich erwartet hatte. Sie hatte ihm nicht gesagt, wohin genau sie gehen würde, erklärte er, aus Angst, dass eine Verbindung zu ihm sie kompromittieren könnte. Das klang nicht nach der Frau, die ich einst gekannt hatte, und doch... es machte Sinn. Londinium war keine einfache Stadt, und Aglaia war nie jemand gewesen, der unnötige Risiken einging. Aber er wollte mir ein wenig Hoffnung machen, als er seine Kontakte erwähnte. Doch die Enttäuschung kroch mir wie kalter Wind in die Knochen. Narcissus’ Worte klangen noch eine Weile in meinem Kopf nach. Dabei hatte ich doch gehofft … Nein, ich hatte mir eingebildet, dass dieser Besuch mehr bringen könnte.
Ich nahm den Wein, den er mir gereicht hatte und leerte ihn in einem Zug, obwohl ich das Zeug nicht besonders mochte. "Ich verstehe," sagte ich schließlich, aber meine Stimme klang rauer, als ich wollte. Ich stellte den leeren Becher ab und sah Narcissus direkt an. "Ich dachte nur … vielleicht hätte ich auch endlich meine Tochter sehen können. Wenigstens ein einziges Mal." Die Worte hingen schwer im Raum, und ich wusste, dass sie Narcissus wahrscheinlich nicht viel bedeuteten, aber für mich waren sie alles. Das kleine Mädchen, das ich nie wirklich kennenlernen durfte. Sie war ein Schatten in meinem Leben, ein unsichtbarer Teil von mir, den ich nie berühren konnte. Ich schüttelte den Kopf, mehr für mich selbst als für ihn. "Nun ja, dann ist es eben so," sagte ich leise, um meine Enttäuschung vor ihm zu verbergen. Aber letztendlich gelang mir das nicht. "Ich habe gehofft, wenigstens von dir einen Anhaltspunkt zu bekommen. Irgendetwas. Sie ist doch mein Kind, Narcissus. Ich kenne nicht mal ihren Namen!" Meine Stimme brach fast, aber ich zwang mich, die Beherrschung zu bewahren. "Vielleicht hat sie nie darüber nachgedacht, was sie mir genommen hat, als sie ging. Aber ich denke jeden Tag daran. Und selbst wenn ich sie nie zurückholen kann, will ich zumindest wissen, dass sie irgendwo sicher ist." Ich hielt inne, um mich zu sammeln.
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