RE: Eine der kleinen, regelmäßigen Feiern im Statthalterpalast
Ich musste aufpassen, dass ich beim Eintreten nicht die Augen aufriss, als sei ich wirklich eine Landpomeranze. Der Statthalterpalast war eindrucksvoll, und ich hatte in meinem Leben schon einige eindrucksvolle Gebäude gesehen.
Es war überhaupt ein Wunder, wie schnell Londinium aus den Ruinen wieder auferstanden war, nachdem Königin Boudicca doch vor etwa zwanzig Jahren die ganze Hauptstadt in Schutt und Asche gelegt hatte.
Ich trug das neue korallenrote Kleid von Adini, dazu Granatschmuck, der meinen Ausschnitt betonte und einen meiner Vorzüge herausstrich: Ich hatte von Natur aus jene blasse Haut, um deretwillen sich andere Frauen das Gesicht mit Bleiweiß zukleisterten.
Kiki hatte mir beim Einkauf als Modeberaterin redlich beiseite gestanden und mich in eine Mischung aus Prosperina und wundersamen Paradiesvogel verwandelt. Ich hatte den Blick vom Spiegel gar nicht abwenden können, Und da war Kiki ja selbst, schön und geschmeidig wie eine schwarze Pantherin auf der Jagd. Der milchweiße Opal, den sie sich ausgesucht hatte, leuchtete mit ihrem Teint um die Wette.
Ich bekam nichts vom Essen herunter außer etwas Gewürzwein. Der wollte mir aber auch nicht schmecken. Ich hatte jedoch schon damit gerechnet, vielleicht zu aufgeregt zu sein, um zu speisen, Daher hatte ich zuhause schon mit Brot und etwas Käse eine Unterlage geschaffen.
Es wurde im Praetorium über Politik geredet, und ich hörte da gerne zu. Es war sehr interessant, dass wir die Insel Mona schwimmend eingenommen hatten und dass endlich die nördlichen Stämme auch in den Genuss römischer Zivilisation kommen sollten. Ich stellte einige Fragen zu den Truppenbewegungen der XX Valeria Victrix und darüber, welche Auxillartruppen welche schwimmerischen Fähigkeiten besaßen.
Ich brachte es nicht fertig, eine stumme geheimnisvolle Schönheit zu sein, wenn mich ein Thema wirklich fesselte. Dazu hatte ich zu viele Bücher über Kriegsführung und Feldherren gelesen.
Dann entdeckte uns Furia Bassa, die bei einer Gruppe von Damen saß. Sie winkte vergnügt und stellte mich als "Freundin aus der schrecklichen Einöde Civitas Iscalis" vor.
Ich konnte nicht an mich halten und erzählte, dass der Ort so abgelegen war, dass keiner dort Latein sprach, sondern wir alle Britonisch lernen mussten. Zum Beweis sagte ich ein paar Sätze, die mir Niamh eingetrichtert hatte: Hallo, wie geht es und solche Sachen.
"Meine Güte!", sagte Furia Bassa ernsthaft erschüttert: "Das muss ich meinem Pertax sagen, bestimmt wird er euch bedauernswerten Geschöpfen helfen wollen. Das ist ja wie bei den Wilden!"
Ich tätschelte Bassas Hand, als sei ich ganz ergriffen von ihrer Hilfsbereitschaft. Ich wollte aber ganz und gar nicht bei ihr sitzen bleiben, was sie vermutlich erwartete. Kiki hatte sich wohlweislich schon früher verdrückt.
Ich deutete auf meinen Bauch: "Zur Latrine", flüsterte ich, als hätte ich Probleme mit meiner Blase. Hier konnte ich auf weibliches Verständnis hoffen:
"Dein erstes Kind, Liebes?", fragte eine der älteren Dame, die sich mit Pfauenfedern Luft zufächeln ließ:
" Ja, ja, so ist das mit der Blase, du wirst dich daran noch gewöhnen"
Ich erhob mich also und ging schräg durch den Raum, den Kopf hoch erhoben. Ich hatte Petilius Rufus die ganze Zeit schon gesehen. Er sah immer noch so gut aus wie bei unserer ersten Begegnung, und hier in Londinium kam noch ein anderer Aspekt zum Tragen: Er war ein mächtiger Mann, der wichtige Entscheidungen traf und wichtige Dinge sagten. Wenn er sprach, nahmen auch die eingeladenen Männer unwillkürlich Haltung an. Ich war hingerissen, und mein Herz schlug bis zum Hals. Aber ich wusste auch sehr gut, dass er als LAPP Verpflichtungen politischer und gesellschaftlicher Natur hatte. Deshalb unterhielt ich mich auch mit anderen Leuten. Doch in jedem Moment wusste ich genau, wo er sich im Raum befand, als sei er eine Sonne und ich sein Trabant.
Ob sich Petilius Rufus überhaupt noch an die kleine Tribunenehefrau aus Iscalis erinnerte? Ich erinnerte mich so gut und hoffte so viel. Er entsann sich vielleicht nicht einmal mehr meiner Existenz.
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