RE: Speisezimmer (Triclinium)
Lichtere Tage? Ich schnaufte kurz in der Andeutung eines ironischen Lachens und verzog meine Lippen zu einem kurzen, wehmütigen Lächeln. “Nicht viele, Peigi, und nie lange Zeit.“
Ich fuhr mir mit den Händen übers Gesicht und wischte so die Reste der unrühmlichen Tränen auch weg, während ich überlegte, was ich erzählen konnte, und was ich erzählen wollte. Es war nicht so, als ob ich Peigi nicht vertraute, aber jedes Wort einmal ausgesprochen war ein Pfeil, den niemand mehr zurückholen konnte. Das wusste ich aus schmerzlicher Erfahrung.
“Meine Mutter war eine silurische Prinzessin. Sie war auf Mona, um zu lernen, als die Römer kamen und die Insel niederbrannten. Neun Monde später kam dann ich.“ Peigi würde wissen, was das bedeutete, ohne dass ich es ausführen musste. Alle Kelten wussten, was die Römer auf Mona gemacht hatten, und hätte Boudicca nicht genau zur selben Zeit ihre Krieger gesammelt und wäre nach Süden gezogen, sie hätten es noch viel länger und erbarmungsloser getan.
“Die Druiden bestimmten, dass die Frauen, die Mädchen geboren hatten, mit diesen Kindern der Schande, wie sie sie nannten, sterben mussten. Aber die, die Jungen geboren hatten, sollten noch so lange leben, bis die Jungen sieben Jahre alt waren… und sich dann töten, nachdem sie uns Jungen den Druiden übergeben hatten. Aber Sturmwolken sind immer dreifach verflucht“, zitierte ich ein altbekanntes Sprichwort unserer Welt. “Meine Mutter starb schon früher, weshalb ich schon mit ungefähr fünf Jahren zu den Druiden kam. Erst später kamen noch andere Jungen, um ausgebildet zu werden, gegen die Römer zu kämpfen.“
Dass viele Frauen, die vergewaltigt worden waren, sich umgebracht hatten, wussten so ziemlich alle Kelten. Dass sie von den Druiden dazu gezwungen worden waren, wussten nur die wenigsten. Und dass sie die Jungen den Druiden übergeben mussten, das wusste außer den Druiden eigentlich niemand.
“Mein Leben gehörte noch nie mir. Und ich wusste das auch immer. Deshalb wollte ich auch nie… ich meine, ich will nicht, dass jemand um mich trauern muss, wenn ich eines Tages den Zweck meines Lebens erfüllt habe und gestorben bin bei was auch immer die Druiden mir befehlen. Aber manchmal vergesse ich es oder es passieren andere Dinge...“
Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte meine Brüder nicht verraten und auch nicht allzu viel von den anderen Dingen. Bei ein paar Dingen musste ich zu Peigis Sicherheit und auch der meiner Brüder bei der Unwahrheit bleiben, auch wenn ich so müde davon war, nicht sprechen zu können.
“Atreus weiß von uns. Er kennt mich, seit wir Kinder waren, und er kennt auch den Druiden, der… naja, der mich genommen hat als Kind. Dem ich folgen muss, wenn er befiehlt. Und mein Meister kennt ihn auch, deshalb… wenn er erfährt, was geschehen ist….“
Ich schüttelte den Kopf. Cathbad würde Calum umbringen. Ihm blieb gar nichts anderes übrig. Sobald der Wind ihm die Nachricht überbracht hätte, gäbe es kein Zurück. Cathbad würde die Bindungen lösen, die Calum zur Erde hatte. Sofern Calum noch welche hatte, denn er war zwar nicht ganz so katastrophal als Druide gewesen wie ich, aber eben auch nicht wirklich gut. Ehrlicherweise war außer Ciaran keiner von uns wirklich gut als Druide. Als Spion, ja, als Werkzeug, ja. Aber nicht als Druide. Dunduvan vielleicht noch, aber er hatte sein Leben schon verloren.
Ich atmete noch einmal tief durch und dachte an das, was die mindestens ebenso große Wunde in mich gerissen hatte, die nicht heilen wollte.
“Und Niamh… Ich wollte mich nicht in sie verlieben. Ich wollte eigentlich gar nichts von ihr, nicht so wirklich. Sie bat mich um Hilfe, und ich hab sie ihr gegeben und sie vor… einem Schmierlappen von Sklavenhändler versteckt, der sie an die Römer verkaufen wollte. Aber mehr wollte ich eigentlich nicht. Aber sie kam zu mir, und… ich hätte wahrscheinlich nein sagen sollen, aber ich hab es nicht. Auch nicht, als ich sie an einen sicheren Ort bringen wollte und schon klar war, dass ich wieder gehen würde. Ich hab es ihr auch gesagt, aber irgendwie… Ich weiß auch nicht.
Ich meine, ich weiß, dass sie mich nie wirklich liebte, auch wenn sie so oft etwas anderes gesagt hat. Sie hat mit einem anderen Druidenschüler geschlafen, bei Aenghus Ogs Arsch! Aber trotzdem, als sie wieder in Schwierigkeiten war, hab ich sie wieder befreit und nochmal in Sicherheit gebracht. Ich hab ihr sogar ein Haus gebaut, in Cheddar. Und ich hab angefangen, zu glauben… zu hoffen, dass es wirklich gehen würde. Dass sie mich wirklich lieben könnte, und dass ich… das ich es zulassen könnte. Dass mein Meister vielleicht doch Einsicht haben würde oder ich sie vor ihm verbergen könnte oder… Ich weiß auch nicht, was ich gedacht habe. Sie hat sich einfach in meine Seele geschummelt, so sehr ich das auch verhindern wollte.
Und es ist ohnehin nutzlos, darüber nachzudenken, denn bei der erstbesten Gelegenheit hat sie sich einem Römer an den Hals geworfen und mich wieder betrogen! Ich meine, ich weiß das und ich weiß, dass sie nie wirklich mich geliebt hat und ich nur ein Idiot war, mit dem sie eben spielen konnte, solange ihr langweilig war. Ich weiß das. Aber es hört trotzdem nicht auf, weh zu tun. Da ist ein Loch in mir, das sich nicht schließen will, und ich weiß gar nicht, ob ich das wirklich will. Und ich habe Angst, noch einmal so zu fühlen und es wieder viel zu weit gehen zu lassen. Und ich habe auch gleichzeitig Angst, dass dieses Gefühl, so unecht es auch war, ganz verschwindet und nie wiederkommt. Ha ha ha, wie idiotisch ist das denn?“ Ich raufte mir noch einmal die Haare. “Ich bin wirklich der größte Idiot auf der Welt.“
Falke
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