Hochzeit Caius Plautius Leander und Norbana Orestilla
Entgegen aller Befürchtungen war Norbana Orestilla tatsächlich am nächsten Tag zur Curia gekommen, so dass Leander mit ihr den Termin beim Duumvir wahrnehmen konnte. Natürlich war Caius Numonius Pusinnus recht überrascht von dem Anliegen, da er die Vormundschaft ja noch kaum übernommen hatte. Allerdings hatte er auch keine Einwände, und Leander hatte durchaus den Eindruck, dass dies vor allen Dingen an seiner Person lag. Scheinbar mochte der Duumvir den Vorsteher des Archivs. Was vermutlich ein Grund war, warum über den angedachten Ehevertrag nicht lange diskutiert werden musste und der Duumvir auch mit jenen Textpassagen ohne Einwand zufrieden war, die Leander durchaus etwas schwammig formuliert hatte, für den Fall, dass Norbanas Vater doch eines Tages zurückkehren sollte.
Leander hatte eigentlich damit gerechnet, dass dieser Punkt mehrere tage der Durchsicht letztendlich benötigen würde, aber innerhalb nicht einmal zwei Stunden war alles geregelt und das Einverständnis erteilt. Im Grunde hätten sie sofort heiraten können, doch Leander entschied sich dafür, Norbana Orestilla noch einen Tag zuzugestehen, um die Situation zu verdauen – und um das Zimmer mit einem weiteren Bett in Ruhe ausstatten zu können. Also wurde die Hochzeit für den nächsten Tag angesetzt, am späten Nachmittag, denn sie wollten auf eine große Feier und damit einhergehende Rituale weitestgehend verzichten.
Es wurden also nur die Zeichen eingeholt, ob die Götter an diesem Tag einen Vertragsschluss annehmen würden – Opfertier war ein älteres Ferkel, dessen Fleisch dann auch gleich eingepackt wurde zur Zubereitung in den nächsten Tagen. Auch die Zeugen – allesamt Nachbarn – bekamen ihren Anteil an, und dann war es auch schon so weit, dass sie den nicht allzu langen weg vom Haus der Norbani zur Domus Plautia gehen konnten.
Leander hielt auf dem Weg Orestillas Hand fest, aber nicht zu fest in seiner. Er fragte sich, wie sehr sie sich tatsächlich entführt fühlte, da dieser Weg ja eben eine Entführung der Braut durch den Bräutigam symbolisierte, zumindest, wenn man die Rituale und deren Bedeutung beachten wollte. Dank der herbstlichen Zeit versank die Sonne schon hinreichend früh, so dass zumindest Leander noch nicht allzu müde war und ein Abendessen im neuen Zuhause erst deutlich nach Sonnenuntergang nicht allzu problematisch war.
Und obgleich er auf die Traditionen nichts gab, eine wollte er doch befolgen, und so blieb er mit Norbana Orestilla kurz vor seiner bereits geöffneten Haustür stehen. “Erschrick nicht, ich trage dich über die Schwelle“, bat er seine Braut und nahm sie auch schon auf die Arme. Und ja, sie war sehr leicht, weshalb das auch nicht besonders schwer war. Doch nachdem Leander sie schon so überrumpelt hatte mit seinem Antrag und dem Verzicht auf den ganzen Schnickschnack einer extravaganten Hochzeit, wollte er ihr wenigstens die Gunst der häuslichen Geister sichern, indem er sie über die Schwelle trug und damit den Silvani, die die grenzen des Heims bewachten, keine Gelegenheit gab, sie zum Stolpern zu bringen und sie gleich in die Obhut der Laren und Penaten zu geben. Außerdem war es wenigstens ein kurzer Moment der körperlichen Nähe, bei dem er ihr ungefährlich nahe sein konnte, ohne aufdringlich zu sein, und abschätzen konnte, wie sehr sie seiner Nähe abgeneigt war.
Nach also drei kurzen Schritten setzte er Norbana Orestilla in seinem Zuhause wieder vorsichtig vor den wartenden Sklaven ab.
“Seht eure Hausherrin Norbana Orestilla, meine Ehefrau. Dient und gehorcht ihr gut“, sprach Leander die einfachste Redeformel überhaupt und schaute in die zumindest in Teilen freudigen Gesichter. Sein Vater hatte nur aus der Bibliothek hinausgesehen und zog sich auch sogleich wieder hustend zurück, ohne sich anzuschließen oder etwas selbst zu sagen. Leander war das auch ganz recht.
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