RE: Speisezimmer (Triclinium)
Ich schloss die Augen und brachte nicht mehr zustande, als lange und resigniert auszuatmen, als sie meinte, ich dürfe das niemals laut sagen. Es gibt keine Druiden südlich des Avon. Wie oft hatte ich das gesagt, wohl wissend, dass es eine Lüge war? Sehr oft. Aber es wurde immer mehr war. Auch Calum war jetzt nicht mehr Calum, kein Druide mehr. Dunduvan war tot. Caradoc war tot. Wir wurden weniger. Mit jedem verstreichenden Monat und jedem Jahr wurden wir weniger. Noch etwas, das durch meine Finger rann wie Wasser, das mich nur niederdrückte, welches ich aber nicht halten konnte.
Erst, als Peigi mich auf einmal Herr nannte, öffnete ich die Augen wieder und richtete mich langsam auf. Irgendwie tat mir gerade jeder einzelne Muskel im Körper weh, so dass selbst diese einfache Bewegung, sich seitlich wieder in eine sitzende Position zu schieben, unendlich langsam und so schwer schien. “Nenn mich bitte nicht so“, bat ich sie leise und traurig, weil ich das Gefühl hatte, dass mir gerade noch eine weitere Sache aus den Händen geglitten war. Noch etwas, das ich nicht hatte festhalten können.
Ich saß mit gesenktem Kopf, die Ellbogen auf den Beinen, und betrachtete einen langen Augenblick einfach meine nutzlosen Hände. “Ich bin niemandes Herr, Peigi. Ich bin weniger als gar nichts. Ich...“
Ich wollte sie nicht mit meinem ganzen Müll belasten. Ich machte sowas immer mit mir allein aus. Ich war immer der Starke, der für alle anderen da war. Wenn ich das nicht war, wer war ich dann? Wenn ich das nicht mehr hatte, was war dann mein Leben? Aber auch das entglitt mir, und auf einmal sprudelten auch die ganzen Worte wie Wasser aus mir heraus, weil sie sich nicht weiter halten ließen.
“Ich wollte immer nur alles zusammen halten. Dass es allen anderen gut geht, dass wir zusammenhalten. Aber ich kann es nicht. Caradoc ist tot, und ich war nicht da. Und Dunduvan… ich hätte ihn aufhalten müssen, aber ich war nicht schnell genug. Und dann war er einfach… weg. Und ich hab nicht einmal seine Leiche gefunden, um ihn ordentlich begraben zu können. Und so sehr ich es auch versuche, alles richtig zu machen und alle zu beschützen, es führt immer nur dazu, dass sie sich abwenden und in ihr Verderben laufen. Niamh… ich… ich hab sie geliebt, Peigi...“ Es war das erste Mal, dass ich es laut aussprach, und verdammt, es tat weh bis ins Mark, es auch nur einmal laut auszusprechen, anzuerkennen, dass ich so gefühlt hatte, dass es mich quälte und ein Loch in meine Seele gerissen hatte, das ich nicht schließen konnte. “Aber ich konnte und durfte es ihr nicht sagen, weil es sie nur in Gefahr gebracht hätte. Weil… mein Meister, wenn er es erfahren hätte, hätte er….“ ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf, um die Bilder loszuwerden, die meine Angst mir zeigte. Cathbad hätte Niamh getötet. Ganz sicher. Er duldete für keinen von uns ein normales Leben. Nicht in dem Sinne, dass wir uns von unserer Aufgabe entfernen würden. Weshalb er über bedeutungslose Liebschaften hinwegsah, bei den Zwillingen auch über diverse Kinder, weil er wusste, dass die nichts bedeuteten. Aber die Dinge, die etwas bedeuteten… das war etwas ganz anderes.
“Und wenn er hört, dass Ca…. Dass Atreus, der zur Hälfte ein Kelte ist, gänzlich zum Römer wird… Er wird ihn zum Verräter erklären. Er wird….“ Wieder schloss ich die Augen und schüttelte die Bilder aus meinem Kopf. Ich wollte nicht daran denken, was er Calum antun würde, was er vielleicht sogar den restlichen von uns auftragen würde, zu tun. Ich konnte nicht daran denken. Ich hatte nicht die Kraft, daran zu denken.
“Ich kann das alles nicht mehr, Peigi. Es ist so viel… Ich weiß, es wird niemals ein Mag Mell für mich geben.“ Mag Mell war der Platz in der Unterwelt, den sich alle wünschten, aber an den nur die wenigsten je gelangten. Mannanan herrschte dort über ein Land des ewigen Frühlings. Die Zeit stand dort still. Man konnte in seinen heißen Quellen baden, und es gab so viel süßes Bier, wie man wollte. Umsonst. Ja, im keltischen Himmel gab es Freibier. Nehmt das, Römer!
“Ich bin dazu geboren worden, ein Werkzeug zu sein für die Druiden. Ich weiß das. Wäre ich ein Mädchen gewesen, hätten sie mich nach der Geburt gleich getötet. Und ich weiß, dass mein Leben nicht ins große Gewebe eingebunden wurde, so dass ich nicht wiedergeboren werde.“ Zumindest hatte Cathbad all das uns immer und immer wieder gesagt. Ich hatte keine Ahnung, ob es stimmte. Ich konnte das Gewebe der Welt nicht sehen, und ich würde niemals einen Druiden danach fragen. Oder Ciaran, der das sicher sehen konnte. Ehrlicherweise wär ich ganz froh, wenn all das hier mit mir enden würde.
“aber ich kann das nicht mehr. Es ist so viel. Ich bin neunzehn Jahre alt und habe noch nicht einmal richtig gelebt. Und jetzt… es entrinnt mir, Peigi. Egal was ich tue. Alles entgleitet mir.“
Ich wusste, dass sie von der Hälfte der Sachen keine Ahnung hatte, von denen ich sprach. Aber ich musste einfach einmal mit jemandem reden, der zuhörte. Etwas, das meine Brüder nie gekonnt hatten. Nicht ein einziges Mal. Immer wollten sie mich drängen, irgend etwas zu tun. Das, was sie tun wollten, wie ich wusste. Genauso verantwortungslos zu handeln wie sie. Aber das konnte ich auch nicht. Ich konnte einfach gar nichts, wie es schien.
Falke
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