RE: Empfang der Verlobten
Leander fing so ein ganz klein bisschen an, zu verstehen, warum Seneca sich ungern mit seiner Frau unterhalten hatte. Er würde es nie in derart drastische Phrasen kleiden oder gar von einer wirklichen Abneigung dagegen sprechen, aber er konnte sich wirklich angenehmere Gesprächsthemen vorstellen als das aktuelle.
“Wie gesagt, das mag die gesellschaftliche Erwartung sein, aber es ist für das erste nicht die meine. Um Kinder zu zeugen, wäre Beischlaf vonnöten, und ich habe grundsätzlich keinen Beischlaf gegen den Willen der Frau, mit der ich ihn vollziehe. Und ich weiß, dass du denkst, dass du den Willen dazu haben musst und keine andersartige Meinung darüber haben darfst, weil dir selbiges sicher so beigebracht wurde. Allerdings hat mir die Situation im Triclinum vorhin ebenfalls klar gemacht, dass du zumindest im Moment nicht wirklich dafür bereit bist und es nur aus Pflicht, nicht aber aus Freude tun würdest. Und ich werfe es dir auch nicht vor, denn du kennst mich immerhin auch noch gar nicht. Aber ich werde unsere Ehe definitiv nicht mit einer Vergewaltigung beginnen, ganz egal, was auch die gesellschaftlichen Erwartungen hierbei sein mögen.“
Das war für ihn schon geradezu unüblich deutlich in der Wortwahl, aber er hoffte, dass Orestilla verstand, dass er nicht gewillt war, ihr Gewalt anzutun, nicht einmal auf ihre Einladung hin, und sie deshalb bis auf weiteres getrennte Betten haben würden.
|