RE: Empfang der Verlobten
Natürlich bemerkte Leander sehr genau, wie sie über seine frage erschrak und sich erst zusammenreißen musste, ehe sie das zögerlichste Ja der Welt herausbrachte. Er seufzte innerlich und erhob sich von seiner Sitzposition.
Er hatte auf ein neugieriges, vielleicht sogar enthusiastisches Ja gehofft. Etwas, das annehmen ließ, dass sie sich auf die körperliche Zweisamkeit mit ihm freute, oder zumindest neugierig genug war, um diesen winzigen Vorgeschmack darauf freudig anzunehmen. Sie hingegen sah aus, als hätte er sie gebeten, einen Hundewelpen zu erwürgen, und er fragte sich einmal mehr, ob das an ihm lag, oder ob ihre Eltern wirklich derart viele Versäumnisse in ihrer Erziehung gemacht hatten, dass sie schlicht nicht wusste, was auf sie zukam. Was eigentlich beinahe unmöglich war in einer Welt, wo in den Thermen sehr explizite Darstellungen an den Wänden zu finden waren und Prostituierte ihr Geschäft auch gerne am Straßenrand gegen eine Häuserwand gepresst durchführten, und wo Sklavinnen sehr regelmäßig mit den männlichen Hausbewohnern verkehrten. Ja, manche Mutter sandte ihrem Sohn sogar explizit welche ins Bett, sobald er auch nur ein beginnendes Interesse dafür zeigte. Senecas drei Töchter hatten allesamt gewusst, wie Kinder entstanden, ehe sie in die Ehe eintraten. Bei Norbana Orestilla war sich Leander dessen nicht sicher.
Er stand also einfach nur auf und reichte ihr die Hand als Hilfe, von der Kline elegant aufzustehen, ohne sich mit dem Kleid zu verheddern, ohne sie zu küssen. Hätte sie sich offen gezeigt, hätte er sie gerne geküsst, bei Gefallen auch mehr, hätte sie zu sich und auf seinen Schoß gezogen und wer weiß, woran sie noch Gefallen gefunden hätte. So allerdings nicht. Leander war niemand, der Frauen gegen ihren Willen zum Beischlaf zwang, er war nicht gewillt, bei seiner Ehefrau dann damit anzufangen. Was heißen würde, dass er getrennte Betten aufstellen lassen würde und sich in dem Waisenhaus nach der Möglichkeit der Adoption eines Mädchens erkundigen würde, sobald sein Vater gestorben wäre.
“Ich hoffe, dass du mir eines Tages so weit vertraust, dass du mir auch ein Nein zu sagen dich traust, wenn du etwas nicht willst. Ich neige nicht zu Zornesausbrüchen und bin allgemein kein besonders übergriffiger Mensch.“
Nachdem das also festgestellt war, hoffentlich sanft genug, um sie nicht weiter zu verschrecken, fragte Leander also schlicht. “Was würdest du gerne zuerst sehen?“
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