RE: Empfang der Verlobten
Morwen reichte mir das Getränk und der süß herbe Duft des Honigs stieg mir in die Nase. Ich nahm einen kleinen Schluck und ließ die milde Süße auf der Zunge zergehen, die den sauren Geschmack des Poscas sanft überdeckte. Dann wandte ich mich wieder Leander zu, während er von seinem Vater sprach und ein Bild eines kalten und distanzierten Mannes zeichnete, der selbst für seine Familie kaum Wärme zeigte. Ich spürte eine Mischung aus Mitgefühl und leiser Beklommenheit und schluckte, bevor ich nach den richtigen Worten suchte, um nicht taktlos zu erscheinen.
"Es klingt, als hätte dein Vater ein schweres Herz," sagte ich schließlich leise und hielt kurz inne. "Hattest du jemals das Gefühl, dass er vielleicht trotzdem stolz auf dich war oder Zuneigung für dich empfand? Selbst wenn er es nie offen gezeigt hat?" Meine Stimme klang fast scheu, während ich versuchte, ihn nicht zu verletzen.
"Mein Vater war so ganz anders," fügte ich nachdenklich hinzu und schüttelte den Kopf. "Ich kann gar nicht zählen, wie oft er über seine eigenen Interessen hinweggegangen ist, nur um mir etwas zu ermöglichen. Manchmal habe ich das Gefühl, er hätte alles für mich getan, auch wenn es vielleicht nicht immer das Richtige war." Ein schwaches Lächeln umspielte meine Lippen, als ich an meine Reise nach Britannien dachte.
Leander schmunzelte plötzlich, und sein Vergleich seines Vaters zu Diogenes ließ mich überrascht blinzeln. Die Vorstellung, wie ein älterer Herr mürrisch in einer Tonne lebte und sich über die Nachbarn beschwerte, war so absurd, dass ich für einen Moment brauchte, um es zu begreifen und dann leise, aber herzlich zu lachen begann. "Das ist eine... sehr anschauliche Vorstellung," antwortete ich, kaum in der Lage, mein Grinsen zu unterdrücken. "Aber irgendwie auch beruhigend. Solange ich mich nicht wie seine Nachbarin fühle, stehen unsere Chancen vielleicht gar nicht so schlecht, dass wir gut miteinander auskommen."
Meine Zweifel lösten sich dann endgültig, als Leander mir versicherte, ich müsse mir keine Sorgen machen, dass mich sein Vater ablehnen würde. Doch mein Lächeln verblasste leicht, als er beiläufig erwähnte, dass es mit seiner Gesundheit nicht gut stand. Ich zögerte, da ich mir unsicher war, wie viel Trost oder Nähe gerade angebracht war.
"Das tut mir leid, Leander," sagte ich schließlich sanft. "Es muss schwer sein, das zu erleben, selbst wenn…" Wieder hielt ich kurz inne und suchte die passenden Worte. "Selbst wenn die Beziehung zu ihm nicht immer ganz einfach war."
Dann kam er auf den Ehevertrag zu sprechen und erklärte, dass er die Grundzüge bereits ausgearbeitet hatte. Meine Mitgift sollten die Sklaven sein, die ich mitbrachte, aber mein Vater könnte sie zu einem angemessenen Preis zurückkaufen. Eine eigentümliche Erleichterung überkam mich, als er den Punkt erwähnte, dass man diese Klausel individuell anpassen könne, falls ich verhindern wollte, dass ein bestimmter Sklave an meinen Vater zurückging. Auch bemerkte ich, dass er mich dabei aufmerksam ansah. Ich wurde das Gefühl nicht los, er könnte dabei an Nicander denken, auch wenn er seinen Namen nicht aussprach.
Doch ich tat es. "Nicander sollte bitte von einer Rückgabe ausgeschlossen werden. Papa hat ihn nur für mich gekauft und ich möchte ihn unbedingt behalten."
Noch einmal nippte ich an meinem Getränk und hoffte insgeheim, dass mir damit niemand mehr Nicander wegnehmen würde. Schließlich hob ich den Kopf und sah Leander mit einem schüchternen Lächeln an.
"Also..." begann ich zögernd, "wenn du schon den ersten Entwurf des Ehevertrages vorbereitet hast, dann bedeutet das wohl, dass wir bald heiraten werden, nicht wahr?" Ich hielt kurz inne und biss mir auf die Lippe, bevor ich weitersprach: "Hast du schon einen bestimmten Zeitpunkt im Kopf? Dann könnte ich bald mit dem Weben meines Brautkleides beginnen." Ich spürte, wie mein Herz ein wenig schneller schlug, während ich seine Antwort erwartete.
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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