RE: Empfang der Verlobten
Sie musste ein sehr einsames Leben bislang geführt haben. Leander hoffte doch, dass sie trotz seiner Arbeitszeiten nach der Hochzeit genug Sozialkontakte pflegen würde, um auf den Trost durch Schauspieler nicht angewiesen zu sein. Vielleicht war es aber auch eher sexuelles Verlangen, was sie antrieb – wogegen er grundsätzlich nicht einmal Einwände hatte, wie er ihr auch schon direkt gesagt hatte. Solange sie es diskret hielt und auf Zeiten oder Praktiken beschränkte, in denen sie kein Kind von ihm empfing. Nun, sie würden sehen.
Morwen gab einen Klecks Honig in Orestillas Posca und rührte sachte um, bis dieser sich gelöst hatte, ehe sie die Getränke servierte und dann weiter wartete, bis irgendjemand etwas zu essen haben wollte.
Derweil ging das Gespräch weiter, und sie kamen auf Plautius Seneca zu sprechen. Leander nahm das kleine Kompliment, ein guter Zuhörer zu sein, mit einem freundlichen Nicken hin und überlegte dann, wie er am besten auf Orestillas frage antworten sollte, ohne sie zu erschrecken. Aber bislang waren sie ehrlich miteinander gewesen, da wollte er jetzt nicht mit Halbwahrheiten anfangen.
“Caius Plautius Seneca mag niemanden so wirklich, oder zumindest gibt er sich die allergrößte Mühe, diesen Anschein zu erwecken. Weder seine Frau, noch seine Kinder wurden je mit zärtlicher Herzlichkeit bedacht, also solltest du besser nicht erwarten, dass er sich dahingehend äußert. Allerdings ist das keine Böswilligkeit oder etwas wie Hass, sondern… sagen wir einfach, er hat schon viel zu viel von menschlichen Abgründen in seinem Leben erfahren, um zu beschließen, mit all dem nichts zu tun haben zu wollen. Wäre er ein Philosoph, wäre er wohl neben Diogenes ebenfalls in eine Tonne gezogen, nur um sich dann über die Nachbarschaft zu beschweren.“ Leander schmunzelte kurz, um den letzten Teil als Scherz kenntlich zu machen.
“Aber keine Sorge, er wird mit dir als Braut einverstanden sein und keinerlei Einwände gegen die Hochzeit haben. Wahrscheinlich wird er dich eher auffordern, mich als Ehefrau auch ordentlich zu piesacken, wie seine Frau es seiner Meinung nach mit ihm getan hat. Und ehrlicherweise ist seine Gesundheit mittlerweile auch so schlecht, dass die Ärzte wenig Hoffnung haben, dass er den Winter übersteht. Und selbst dann wäre er zwar ein grummeliger Zeitgenosse, aber zufrieden, wenn man ihn mit seiner Pfeife und seinen Büchern einfach nur in Frieden lässt und nicht zu gesellschaftlichen Tätigkeiten zwingt.“ Oder anders ausgedrückt, Orestilla würde damit warten müssen, ehe sie Feste geben konnte, wenn sie dies denn unbedingt tun wollen würde. Aber ansonsten bestand für sie keine große Gefahr.
“Ich habe den ersten Entwurf eines Ehevertrages auch schon aufgesetzt. Er enthält ziemlich viel juristische Fachsprache, aber die für dich wesentlichen Punkte sind, dass es eine manusfreie Ehe sein soll, deine Mitgift die Sklaven sein werden, die du mitbringst, und deren Namen wir dann noch einfügen müssen an der passenden stelle, und dass dein Vater alle Sklaven zurückkaufen kann. Ich habe dabei die etwas schwammige Formulierung zu einem angemessenen Preis gewählt, um deinem Vater möglichst große Freiheiten diesbezüglich einzuräumen. Solltest du für irgendeinen Sklaven wünschen, dass dieser nicht zurück an deinen Vater gehen können soll, müsstest du mir das mitteilen, damit ich die Klausel anpassen kann.“ Dabei spielte Leander auf diesen Nicander an. Sofern Orestilla ein romantisches Interesse an dem Sklaven hegte, wollte sie vermutlich nicht von ihm getrennt werden.
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