RE: Empfang der Verlobten
Als ich Nicander erwähnte, hob Leander überrascht die Augenbrauen, und ein Anflug von Skepsis schlich sich in seinen Blick. "Natürlich tritt Nicander nicht öffentlich auf," beeilte ich mich zu erklären. "Das hätte Papa sicher nie erlaubt! Er rezitiert seine Texte nur für mich. Aber wenn er spricht, dann bringt er die Worte wirklich zum Leben, fast so, als würde ich in eine andere Welt eintauchen. Oft, wenn ich mich etwas verloren gefühlt habe, hat mir das geholfen." Ich spürte, wie meine Wangen leicht heiß wurden, als ich von Nicanders Fähigkeiten zu schwärmen begann, aber ich hielt Leanders Blick stand. Es war für mich ungewohnt, so ehrlich über meine Gefühle zu sprechen, und trotzdem fühlte es sich richtig an, ihn wissen zu lassen, wie es mir ging. Ebenso, dass ich meine neue Umgebung und seine Gesellschaft trotz allem zu schätzen wusste.
Leander ließ sich ebenfalls Posca einschenken und bedeutete der Sklavin, ihm ein Glas zu reichen. Als sie mich fragte, ob ich ihn mit Honig gesüßt haben wollte, weiteten sich meine Augen. Honig! Der war uns schon vor Wochen ausgegangen. Der verräterische Glanz in meinen Augen war kaum zu unterdrücken. "Oh ja, bitte! Mit Honig!" entgegnete ich erfreut bei der Aussicht auf diesen kleinen Luxus.
Mit Interesse hörte ich seinen Erzählungen über das Haus zu, in dem er als Sklave aufgewachsen war und wie er vom Spielkameraden der Töchter seines Herrn zum Anwalt wurde. Als er über die Unruhen in Rom sprach, die politische Instabilität und das große Feuer unter Nero, fühlte ich mich ein wenig verloren. Politik war für mich immer ein undurchdringliches Thema gewesen, vielleicht auch ein wenig beängstigend, und ich wusste kaum etwas über die Ereignisse, die dort vor meiner Geburt oder in meiner frühen Kindheit geschehen waren.
Vor zwei Jahren war er schließlich nach Britannia gekommen und sein Vater hatte Londinium einem kleinen Provinzkaff vorgezogen, was ihm auch zupass kam, obschon er über einen Umzug in die Provinzhauptstadt nachdachte.
"Es klingt, als wäre dir und deinem Vater hier in Britannia eine große Last von den Schultern gefallen," sagte ich schließlich nachdenklich.
"Weißt du," begann ich leise, "manchmal frage ich mich, ob es klug war, nach Britannia zu kommen. Ich wollte nur weg aus Massilia… weg von meiner Mutter und ihren Vorstellungen, wer der passende Ehemann für mich sein sollte." Ich hielt inne und suchte nach den richtigen Worten. "Damals dachte ich, Britannia wäre ein Abenteuer, und alles klang so aufregend. Das Unbekannte schien so verlockend." Ein trauriges Lächeln huschte über mein Gesicht. "Aber jetzt weiß ich, wie naiv das war." Ich wagte einen scheuen Blick zu ihm. "Vielleicht finde ich hier dennoch ein Zuhause. Es ist beruhigend zu wissen, dass ich jemanden wie dich habe, mit dem ich reden kann." Ich lächelte ihm dankbar zu.
Doch als ich daran dachte, was er über seinen Vater erzählt hatte, kamen mir plötzlich Zweifel. Er schien ein kauziger alter Mann zu sein, der wenig Wert auf Gesellschaft legte. Stattdessen zog er die Ruhe und Zurückgezogenheit seines Hauses vor. Mir kam eine weitere Frage in den Sinn, die ich zögernd aussprach: "Denkst du, dass dein Vater mich überhaupt mögen könnte?"
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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