RE: Empfang der Verlobten
Ein Maiordomus, eine Köchin, ein Ianitor und ein Schauspieler. Nun, das würde vermutlich ein wenig Gerangel um die Posten hier im Haus geben, wobei Leander Hector auf seiner Position belassen würde, schon allein, weil nicht auszuschließen war, dass Orestillas Vater doch noch auftauchen und zumindest einen Teil der Sklaven zurückfordern würde. So wohl auch den Maiordomus, auf dessen Erfahrung Leander in der Zwischenzeit aber durchaus gerne bauen würde. Die Köchinnen sollten die Rangordnung unter sich ausmachen, da würde er sich nicht einmischen. Das hatte Leander schon als Sklave gelernt, dass man Frauen, die täglich mit langen, scharfen Messern hantierten, besser nicht in ihre Arbeit reinredete.
Bei dem Wort Schauspieler hob er allerdings kurz die Augenbrauen. “Ich hoffe, er tritt nicht öffentlich auf?“ fragte Leander dann doch einmal nach. Gegen etwas Unterhaltung innerhalb der eigenen vier Wände, insbesondere für die Damen, hatte er nichts. Aber er war nun auch Rechtsanwalt und hatte da einen Ruf zu verlieren, weshalb er natürlich infames Verhalten nicht befeuern durfte. “so lange es zu deiner privaten Zerstreuung dient oder der Unterhaltung deiner Freundinnen, habe ich keine Einwände. Aber jeglicher öffentliche Auftritt, insbesondere gegen Geld, wäre unserer Reputation in der Stadt abträglich.“
Sie wollte Posca trinken und Leander deutete mit einem Fingerzeig an, dass er auch ein Glas nehmen wollte. Morwen machte sich auch gleich an bedienen und fragte nur einmal kurz an Orestilla gewandt: “Mit Honig?“ Immerhin kannte sie den Gast ja nicht und wusste nicht, wie gesüßt Orestilla ihre Posca mochte. Leander bevorzugte seinen Posca nur leicht gesüßt, was sie wusste.
Orestilla fragte also noch nach Rom und Leander, der sich züchtig auf die Kline des Gastgebers begab, ihr zugewandt, blickte versonnen zu ihr hinüber. Ein klein wenig bedauerte er, nicht bei ihr auf der Kline zu liegen, aber das wäre dem Gespräch wohl eher abträglich gewesen, da sie sich sonst verrenken oder einer von ihnen beiden verkehrt hätte liegen müssen, damit sie sich ansehen könnten. Und vermutlich war diese Art von Nähe noch ein wenig viel für sie, und definitiv recht ablenkend für Leander. Orestilla war zwar jung, definitiv jünger als sein sonstiger Geschmack, aber ihr Körper war definitiv mit sanften Rundungen an allen interessanten stellen ausgestattet, an die Leander gerade der Konversation willen nicht denken wollte.
“Nun, es war anders als hier und gab mir durchaus Grund dafür, Frieden und Abgeschiedenheit zu schätzen“, fing er schmunzelnd an und überlegte, was er erzählen sollte. “Ich wurde im Haus Caius Plautius Verax, dem Vater von Caius Plautius Seneca, geboren. Und die meiste Zeit meines Lebens verbrachte ich auch dort. Wir sind erst vor zwei Jahren hierher nach Britannia gezogen. Das Haus ist um einiges größer, etwa dreimal so groß wie dieses. Zwei Stockwerke, ein größeres Triclinum, ein eigenes, kleines Bad...“ Etwas, das dieses Haus hier nicht besaß. Allerdings war das nächste Badehaus direkt schräg gegenüber, die Thermen etwa zehn Minuten Fußweg entfernt und für die ganz harten Fälle gab es im Hof einen ziemlich robusten Zuber. Eigene Bäder waren Luxus und allgemein absolut unüblich. Manche Personen bauten sich in ihre Häuser halbe Thermen mit tiefen Becken ein, aber sicherlich nicht der überwiegende Großteil der Leute, nicht einmal die wohlhabenden.
“Ich bin in etwa im Alter von den Töchtern meines Vaters und war so die ersten Jahre ihr Spielkamerad und durfte auch dem Lehrer lauschen, wenn sie Unterricht hatten. Ich lernte ansonsten von meinem Vorgänger die Regeln zur Führung eines Haushaltes, wurde dann der Schreiber meines Vaters und lernte so die Rechtskunde. Schließlich wurde ich Maiordomus vor mittlerweile acht Jahren.“ Soviel zum Kurzabriss seines Werdeganges, nun zu Rom. “Rom selbst war in der Zeit nicht immer ein angenehmer Wohnort. Es gab viele Brände, zuletzt der große unter Nero, bei dem der ganze Caelius und der Aventin abgebrannt sind. Das Haus steht am Rand des Esquilin und entging dem Feuer knapp. Das Vierkaiserjahr hingegen war nicht ganz so gnädig und wir mussten zwischenzeitlich zu freunden aufs Land fliehen. Erst mit Vespasianus war es wirklich sicher, dort zu bleiben.
Nachdem aber die Frau meines Vaters verstorben war und seine Töchter alle schon lange verheiratet sind, wollte er weg aus Rom und kein so großes Haus mehr unterhalten. Mein Vater hat kein vergnügen an Festen und dergleichen. Zu ihrer Lebzeit hat seine Frau ihn dazu genötigt, aber als Witwer wollte er das nicht mehr. Und das effektivste Mittel, allen Nachbarn und verwandten zu entfliehen, schien ihm der Umzug in eine junge Provinz, in der nur ein entfernter Verwandter beheimatet war, der selbst so reich war, dass er ihn nicht wegen Erbschaftsangelegenheiten oder dergleichen behelligen würde.“
Das war vermutlich weniger glamourös, als sie es sich vorgestellt hatte, aber es war die Wahrheit.
“Ich selbst muss auch zugeben, dass mir Britannia da bislang besser zusagt als Rom. Viel weniger Sicherheitsbedenken, weniger Intrigen und Politik. Auch wenn ich manchmal darüber nachdenke, vielleicht nach Londinium zu ziehen. Allerdings würde ich das definitiv zuvor ausführlich besprechen und deine Wünsche dabei natürlich berücksichtigen.“
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