RE: [Nähe Forum] Paradiesvögel und Sperlinge
Nachdem ich mich in angemessene Schale geworfen hatte und meine Haare zu einer kunstvoll einfachen Stechfrisur gerichtet waren, hatten wir uns also ins Getümmel geworfen. Anders als die kleinen Städte, die nur einmal pro Woche Markttag hatten und vielleicht hier und da noch ein Warenhaus, hatte Londinium mit seinen über fünfzigtausend Einwohnern feste Märkte jeden Tag des Jahres – abseits der Feiertage für diverse Gottheiten, natürlich.
Und so begaben wir uns zu der Straße, die Hauptsächlich von den Schneidern und Schustern in Anspruch genommen wurde. Und wenn man nicht zu genau schnüffelte, roch man auch nichts von den Stoffen, mit denen die bunten Farben erzeugt wurden. (Glücklicherweise waren die Gerber und Färber und Wäschereien ans andere Ende Londiniums verbannt, kurz bevor der Fluss aus der Stadt herausfloss und damit den Urin und alles, was zum Gerben, Färben und Waschen verwendet wurde, mit sich nahm. Man sollte flussabwärts besser nicht angeln.)
Sabina war aufgeregt, und ich war jetzt auch sehr guter Laune. Mal ehrlich, wer konnte keine gute Laune haben, wenn er einkaufen ging und dafür auch noch bezahlt wurde?
“Wir suchen gleich nach der größten Traube gackernder Frauen“, erklärte Kiki, wie sie hier den besten Schneider finden würden. “Den Stand, von dem alle schwärmen und sich darum reißen, dort etwas zu ergattern.“ Soweit, so langweilig. Denn das war es, was alle machten. “Und dann sehen wir uns ganz genau um und suchen den Händler, der, wenn er denkt, dass keiner guckt, am hasserfülltesten zu diesem Stand hinüber schaut. Und genau da wollen wir dann hin. Nichts ist eine bessere Triebfeder als Eifersucht unter Künstlern, wenn man etwas wirklich wagemutiges, neues finden will, was sonst keiner hat.“
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