RE: Hundert Jahre Einsamkeit: Am Rande des Brunnenfestes
Ihr schien es nicht besonders viel auszumachen, dass ihr Vater sie scheinbar fernab sämtlicher Verwandten zurückgelassen hatte. Leander schloss daraus, dass es wohl nicht das erste Mal war. Und sie bestätigte es auch im Laufe der weiteren Unterhaltung, ebenso, wie dass er sie im Unklaren über seinen eigenen Zustand ließ.
Leander versuchte einen Moment lang, die richtigen, diplomatischen Worte zu finden, aber sie wollten ihm, der sonst immer zurückhaltende und ruhige Worte fand, beim besten Willen nicht einfallen.
“Verzeih, wenn ich es sehr direkt sagen muss, aber das Verhalten deines Vaters ist unverantwortlich. Man kann doch eine junge Frau nicht völlig sich selbst überlassen, ohne sie wenigstens einem Vormund oder einem Verlobten oder Ehemann anzuvertrauen, der ihre Interessen wahrt und vertritt und ihre Ehre schützt. Was wäre, wenn ich ein Krimineller wäre, der sich an dir vergreift, während er ohne jegliche Nachricht bei den Barbaren weilt?“
Natürlich war Leander kein Krimineller und er wahrte auch einen gesitteten Abstand zu der jungen Frau, der weder ihn noch sie zum Gerede der Leute lassen würde und die Keuschheit ihrer Ehre wahrte. Aber das Mädchen war definitiv alt genug für eine Ehe und all die Handlungen, die damit einhergingen, selbst dann, wenn sie nicht in einer Ehe stattfänden. Und eine junge Frau ganz allein ohne schützende Männer um sie herum war für die wirklich üblen kerle eine allzu leichte Beute.
“Ich weiß, es steht einer Tochter nicht zu, Kritik an ihrem Vater zu üben. Aber ich hoffe, du verzeihst mir, wenn ich deinen Fall mit dem Duumvirn bespreche, damit er dir einen Vormund zur Seite stellt, der deine Interessen hier in der Stadt vertreten kann, sollte etwas geschehen, wofür du rechtlichen oder physischen Beistand brauchst.“
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