RE: Halle
Ich bemühte mich, einen sicheren Abstand zu Nessi zu halten, aber sie kam mir nach und ignorierte meine finsteren Seitenblicke entweder absichtlich – was ich annahm – oder aus Dummheit. Meine Laune wurde auch nicht wirklich besser, als der Hausherr zu einer Rede ansetzte und mir einen anderen Gast vorstellte, ein junger Mann mit rotem Haar und einem germanischen Namen, der aber wohl kein Wort keltisch sprach, weshalb wir in der Sprache der Römer sprechen sollten.
Dann kam auch noch die zweite Dienerin und versuchte, sich an mich ranzumachen, und ungefähr da riss mir der Geduldsfaden endgültig. Da ich größer als die beiden war, musste ich mich etwas vorbeugen, um auf Augenhöhe mit den beiden zu sein, und ich war wirklich selten mal harsch zu Frauen, wenn die mich nicht grade angriffen, aber jetzt reichte es mir. “Ich werde mit keiner von euch beiden jemals das Bett oder sonst etwas teilen. Nicht in diesem Leben oder den einhundert nächsten. Niemals!“ fauchte ich sie an und war mir recht sicher, dass es nicht so leise war, als dass der Hausherr das nicht mitbekommen hätte, aber in diesem Moment war es mir egal, da ich die Schnauze von den beiden wirklich gestrichen voll hatte.
Mit einem Gesichtsausdruck schlimmer als die Gewitterwolken draußen richtete ich mich wieder auf und stapfte zu dem mir zugewiesenen Platz. Normalerweise war ich freundlicher und ich wollte auch gar nicht so sein wie gerade, aber diese Weiber hätten wohl jeden Mann über die grenze gebracht mit ihrem absolut idiotischen Gezänk und ihrer bösartigen Magie und allem weiteren. “Deine Dienerinnen haben kein Benehmen“, sagte ich zum Hausherrn, sehr wohl als Beschwerde gemeint, ehe ich mich neben ihn setzte und erst einmal tief durchatmete. Mir egal, ob er mich deshalb rauswerfen würde, der Sturm draußen konnte nicht ernsthaft schlimmer sein als das hier.
Erst, als ich jetzt saß und durchatmete, kam bei mir so richtig an, was er sonst noch gesagt hatte. Und ich witterte auch gleich die Falle. Auch wenn mich Nessi bis zur Weißglut genervt hatte, nahm ich ihre Warnung durchaus sehr ernst und hob also beschwichtigend die Hände. “Da liegt ein Missverständnis vor. Wie ich deiner Wache schon versucht habe, zu sagen: Ich bin kein Filid. Vielleicht gibt es noch welche bei den nördlichen Stämmen, den Selgoviern oder Veniconen, aber definitiv gibt es keine mehr südlich des Avon. Und römische Lieder kenne ich erst recht keine.“
Eigentlich sang ich ja viel und gerne, und nach allem, was andere mir sagten, auch gut. Aber ich würde einem Mann, der Kelten an Römer auslieferte, keinen Grund geben, zu denken, ich wäre ein Druide. Erst recht nicht, da ich ja wirklich einer war. Zumindest so ein bisschen.
“Aber wir können gerne über Pferde reden. Immerhin haben wir Kelten die Pferderennen erfunden.“ Zumindest die Rennwagen und Schlachtwägen hatte es hier schon eine sehr lange Zeit vor den Römern gegeben. Und bei allen Stämmen, in denen ich war, wurden Pferde hoch geschätzt. Man erzählte sich, dass die Gallier vom Festland in ihrem Krieg gegen die Römer ihre Pferde eher freigelassen und vertrieben hätten, als sie zu essen, wenn eine Stadt belagert wurde.
Falke
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