RE: [Tablinum] Claudia Sabina bittet um einen Termin
Leander setzte sich der jungen Frau gegenüber und hörte zu. Eine Scheidung war also der Grund ihres Erscheinens, auch wenn Leander gerade nicht wusste, was daran so kompliziert sein sollte. Ehen wurden andauernd geschieden und in den meisten Fällen reichte eine einfache Scheidungsformel vor Zeugen ausgesprochen dazu auch aus.
Üblicherweise hätte Leander die Auskunft, dass eine junge Frau sich scheiden lassen wollte, für eigene Zwecke zumindest in Erwägung gezogen, aber in diesem Fall war er nicht vermessen genug, darüber länger nachzudenken als unbedingt erforderlich. Vermutlich aß die junge Frau jeden Tag fünf von einem persönlichen Koch für sie zubereitete Mahlzeiten und erbrach die Hälfte davon wieder, um schlank zu bleiben, oder ähnlicher patrizischer Unfug.
Leander nahm die dicke Schriftrolle entgegen. Eheverträge waren immer recht umfangreich, insbesondere unter vermögenden Partnern.
“Da du weiterhin eine Claudia geblieben bist und keine Iulia geworden bist, nehme ich an, dass kein Gewaltenübergang an deinen Mann vonstatten ging? Dies ist schonmal gut, da es viele unangenehme Einzelheiten erheblich verkürzt. Die Ehe wurde per Usum geschlossen?“ fragte er noch einmal nach. Natürlich würde das auch irgendwo in diesem Vertrag stehen, aber die wichtigsten Informationen ohne zu suchen zu bekommen hatte Vorteile.
Nachdem er sich also über die groben Dinge hatte informieren lassen, warf er erst einmal einen Blick in den vertrag. Letztendlich war die Ehe nur ein bindender Vertrag, und an die darin verhandelten Formen musste man sich nur halten, um für alle Eventualitäten wie Scheidung oder Tod gewappnet zu sein.
Nachdem Leander also den Vertrag eine Weile studierte und eine Sklavin der Claudia so lange etwas zu trinken und Häppchen anbot, atmete er einmal durch und überlegte kurz, ehe er zum Antworten kam.
“Nun, Claudia, im Grunde ist es ganz einfach. Du sprichst die Scheidungsformel, nimmst deine Sachen und gehst zurück zu deinem Vormund. Niemand kann dich zum Erhalt einer Ehe zwingen. Wie glücklich dein Vormund darüber ist, wirst du selbst besser einschätzen können als ich.
In seiner Weisheit hat seinerzeit Divus Augustus bestimmt, dass Vermögen zwischen Ehegatten nicht vermischt werden dürfen. Bezüglich deiner Dos ist dies also ganz einfach so geregelt, dass sie dir selbstverständlich übergeben werden muss, abzüglich dem gesetzlichen Sechstel, sofern das Kind lebend geboren wird. PDie Dinge, die unvertretbar sind – meistens also Schmuck, Grundstücke und dergleichen – müssen als Original zurückgegeben werden. Die Dinge, die vertretbar sind, als ein adäquater Ersatz, üblicherweise Geld. Die betrifft vor allen Dingen Viehbestände. Sind unvertretbare Gegenstände einer Wertminderung unterlegen, müsste er Schadenersatz leisten, sofern er vorsätzlich oder fahrlässig diese Wertminderung zu vertreten hat. Dies beträfe beispielsweise die Missbewirtschaftung von Grundstücken.
Sofern du erwartest,, dass es hierbei Probleme geben könnte, steht dir der Rechtsweg natürlich offen und du kannst beim Praetor – das heißt, hier in der Provinz bei kleinen Werten bei den Duumvirn, bei großen Werten, die ich hier annehmen würde, beim Legatus Augusti pro Praetore – Klage einreichen als actio rei uxoriae. Ein Richter hat bei derlei Klagen großzügigen Spielraum, um das zu bemessen, was recht und billig dabei ist.“
Leander atmete noch einmal durch und sah die Claudia dann mit der ruhigen Art eines Anwaltes an. “Es steht mir nicht zu, dich irgendwie zu beurteilen, aber um dich zu beraten, muss ich wissen, aus welchem Grund du die Ehe scheiden willst und ob dein Mann dir deshalb eine mindere Moral, Unsittlichkeit oder fehlende Bemühungen für die Ehe vorwerfen kann. Dass eine Frau die Scheidung anstrebt, noch dazu eine Schwangere, ist eher ungewöhnlich. Daher fürchte ich, muss ich die Hintergründe dieser Entscheidung hinterfragen, um dich wirklich umfassend beraten zu können.“
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