RE: Hundert Jahre Einsamkeit: Am Rande des Brunnenfestes
Leander wusste nicht, wie er ihren ersten Gefühlsausbruch deuten sollte, interpretierte es aber wohl so, dass sie sich wohl verlaufen hatte. Auch wenn Iscalis nicht wirklich groß und die Straßen nach guter römischer Kolonisierung im rechten Winkel zueinander angelegt waren und sie hier auf dem Hauptplatz der Stadt waren zwischen Verwaltung, Thermen und Forum. Aber vermutlich war sie noch neu in der Stadt, was auch erklärte, warum er sie noch nie gesehen hatte und auch nichts von ihren verwandten wusste.
“Ich hatte bislang noch nie das Vergnügen mit dem Gelehrten Numerius Norbanus Paullus. Daher müsstest du mir sagen, wo dein Zuhause ist, damit ich dich dahin geleiten kann“, meinte Leander also freundlich und schob mit der Andeutung eines Lächelns nach. “Mein Name ist Caius Plautius Leander, der Erbe des hohen Rechtsgelehrten Caius Plautius Seneca.“
Damit war die Vorstellung vollzogen und Leander überlegte, ob er irgendetwas über die Gens Norbana denn wusste, oder über den genannten Vater. Die Norbani hatten einige Consuln hervorgebracht im Laufe ihrer Geschichte, davon einen recht berühmten, der von Sulla in den Selbstmord getrieben worden war. Aber in letzter Zeit war es eher ruhig um die Familienmitglieder geworden. Leander erinnerte sich schwach an einen Speichellecker um den jüngeren Sohn des verstorbenen Kaisers und Bruder des jetzigen, Domitian. Aber der benannte Gelehrte sagte ihm nichts.
“Hat dein Vater Schriften veröffentlicht, die ich gelesen haben könnte?“ fragte er also nach, um herauszufinden, ob der Gelehrte eher Botaniker war oder gelangweilter Senatorenspross mit eigentlich wenig Ahnung vom Leben. Dass er kein Rechtsgelehrter sein konnte (zumindest kein berühmter), wusste Leander, denn sonst hätte er den Namen gekannt.
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