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Hundert Jahre Einsamkeit: Am Rande des Brunnenfestes
09-05-2024, 03:10 PM,
Beitrag #3
RE: Hundert Jahre Einsamkeit: Am Rande des Brunnenfestes
Als Vorsteher des städtischen Archives hatte Leander nun auch öffentliche Pflichten, die über die Repräsentation seines Hauses hinausgingen. Letztere waren sehr überschaubar, da Seneca dem wesentlich weniger wohlhabenden Zweig der Familie entstammte und Plautius Montanus bei jeder öffentlichen Gelegenheit, bei der es kostenloses Essen gab, zu finden sein würde. Leander hatte ja schon überlegt, sich Senecas Cousin freundschaftlich anzunähern, da dieser Familienzweig ohne Erben war. Leander war zwar nicht gierig im eigentlichen Sinne, aber er hatte genug dynastisches Denken in sich, um einen Verlust der Ländereien und guthaben an fremde Familien durchaus abwenden wollte.
Allerdings wäre seine Position dabei wesentlich besser, wenn er selbst mit einem Erben aufwarten könnte, denn auch er war schon gehobenen Alters. Und um allein Senecas Erbe anzutreten, ohne horrende Steuern darauf zu zahlen, waren Frau und Kind geboten.

Dies war neben der Repräsentation des Archives der zweite Grund, warum Leander sich hierher begeben hatte. Zwar hatte er das Gefühl, dass Furius Saturninus ihm durchaus auch zugetan war und Leander war nun niemand, der solch eine Freundschaft nicht aus rein praktischen Gründen schon schätzen würde, allerdings stand besagter Mann inzwischen in Iscalis auch in einem gewissen Ruf, in dessen Dunstkreis Leander seinen eigenen Ruf nicht wissen wollte. Also wäre das allein wohl nicht ausschlaggebend gewesen für Leanders Anwesenheit. Allerdings hatte er die Hoffnung noch nicht aufgegeben, in dieser Stadt noch eine akzeptable Ehefrau zu finden, die nicht seltsame Vorstellungen von Ehe hatte, zum Ruf von Furius Saturninus beitrug, unfruchtbar war oder fünf Mahlzeiten am Tag aß. Wer Rom für dekadent hielt, hatte sich noch nie mit Iscaler Damen unterhalten.

Allerdings war auf diesem Feld doch sehr wenig Fortschritt erzielt worden, so dass Leander sich auch schon frühzeitig verabschiedete und dabei war, sich zurückzuziehen. Er hatte sich so vom Getümmel um den Weinbrunnen zurückgezogen und machte sich auf, wieder zurück zur Domus Plautia zu gehen. Da fiel ihm am Rande der Veranstaltung eine junge Dame in den Blick, die er noch nicht kennengelernt hatte – und wie bereits erwähnt, kannte er die meisten Damen inzwischen zumindest namentlich – die recht unglücklich wirkte und sich mit einem jungen Mann unterhielt.
An dieser Stelle hätte Leander den beiden eigentlich schon keine Beachtung mehr geschenkt, denn Damen in Herrenbegleitung waren für eine direkte Ansprache ohnehin tabu, da es sich entweder um Ehepartner oder Familienangehörige handelte, aber er schnappte einige Fetzen der Unterhaltung auf, die klar machten, dass der Mann ein Sklave war und das Mädchen scheinbar alleine hier.

Beschützergefühle wären vermutlich ehrenhafter gewesen als Leanders tatsächliche Beweggründe, dennoch ging er einen Schritt auf das Mädchen zu, sie dabei unauffällig musternd. Sie war jung, aber durchaus in dem Alter, in dem sie eigentlich verheiratet sein sollte. Da aber kein Mann zugegen war und er keinen Ring an ihrer linken Hand entdeckte, standen die Chancen nicht ganz schlecht, dass sie bislang noch ledig war. Und selbst, wenn nicht, kannte er sie bislang noch nicht und konnte so vielleicht eine Verbindung zu ihrer Familie knüpfen.
Ihr Sklave war sehr blumig mit seiner Wortwahl. Vermutlich einer derjenigen Griechen, die dieses geckenhafte in ihr Wesen übernommen hatten, da es manchmal erwartet wurde. Leander war froh, dass niemals jemand selbiges von ihm verlangt hatte. Er käme sich lächerlich vor. Zum Glück war sein früherer Dominus Seneca kein Freund von Übertreibung und Theatersprechweise.
Leander räusperte sich leicht, damit sie nicht das Gefühl hatte, er würde sich anschleichen. “Salve. Hast du deine Verwandten aus dem Auge verloren und benötigst Geleit nach Hause?“ fragte er erst einmal unverbindlich. Denn immerhin hatte sie gesagt, sie wolle gehen, auch wenn ihr Sklave die undankbare Aufgabe übernommen hatte, sie zum bleiben zu überreden.
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RE: Hundert Jahre Einsamkeit: Am Rande des Brunnenfestes - von Caius Plautius Leander - 09-05-2024, 03:10 PM

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