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[Italia|Misenum] Unheil am Horizont
08-30-2024, 02:47 PM,
Beitrag #3
RE: [Italia|Misenum] Unheil am Horizont
Es verging noch ein kompletter, weiterer Tag. Die Asche hatte aufgehört zu fallen und die Erdstöße verebbten immer mehr. Nachbarn kamen und gingen, tauschten Nachrichten aus, wer lebte und wer tot sei, wer geflohen und wer noch hier. Allen lag der Schreck in den Augen, und alle waren sie ungewiss, wie sie dieses Unglück überleben sollten und ob es jemals wieder eine Welt ohne Asche für sie geben würde.
Erst am folgenden Tag lief die Quadrireme von Plinius Maior wieder in den Hafen in Misenum ein, und eine Stunde später gab es dann die Gewissheit, dass Caius Plinius Secundus Maior verstorben war. Man brachte seinen Leichnam zur Aufbahrung in allen Ehren mit, auch wenn die Umstände insgesamt so überwältigend und schrecklich waren, dass ungewiss war, wie man ein wirklich standesgemäßes Begräbnis so durchführen sollte.
Sein Stellvertreter erzählte die Umstände seines Todes seinem Erben, dem jungen Caius Plinius Caecilius Secundus, der mit nun 18 Jahren das Erbe seines berühmten Onkels antreten sollte.

“Er ließ einen Vierruderer zu Wasser und ging selber an Bord. Nicht nur um Rectina Hilfe zu bringen, sondern vielen anderen, denn die Küste war in ihrer Schönheit von sehr vielen bevölkert. Er eilte dorthin, von wo aus andere fliehen, mit geradem Kurs auf die Gefahr zu. So furchtlos, dass er alle Veränderungen und Formen des Unheils so wie er sie wahrnahm, diktierte und aufzeichnen ließ.

Schon fiel Asche auf die Schiffe, je näher sie herankamen, desto heißer und dichter; nun auch schwarze und ausgebrannte, vom Feuer geborstene Steine. Eine plötzliche Untiefe und der Auswurf des Berges machte die Küste unzugänglich. Er überlegte, ob er umkehren sollte, so wie es ihm der Steuermann riet, und sagte ihm: “Mit den Tapferen ist das Glück, fahre zu Pomponianus!“ Dieser war in Stabiae durch den Golf von Misenum getrennt – denn das Meer buchtet sich in sanften Krümmungen und Wendungen ins Land. Obwohl die Gefahr noch nicht nahe, so war sie doch abzusehen und wenn sie weiter wuchs, nahe genug. Er hatte daher sein Gepäck auf die Schiffe bringen lassen und war zur Flucht entschlossen, sobald der Gegenwind sich legen würde.
Als Plinius Maior unter sehr günstigem Wind anlegte, umarmte er den zitternden Pomponianus und tröstet und ermuntert ihn. Um seine seine Angst durch seine Zuversicht zu beruhigen, lässt er sich ins Bad bringen. Nach dem Bad begibt er sich zu Tisch und speist; gelassen oder nicht weniger gut, vorgeblich gelassen.
Inzwischen strahlen vom Vesuv her breite Flammenfelder und Feuersbrünste, deren Leuchten und Helligkeit durch die Nacht noch gesteigert wurde. Zur Besänftigung der Furcht erklärte Plinius, die Leute hätten vor Schrecken ihre Herdfeuer verlassen, nun brennen die verlassenen Gehöfte. Nun begab er sich zur Ruhe und schlief wirklich fest, denn sein Atem ging durch seine Körperfülle schwer und laut.
Der Vorhof, von dem aus man in das Zimmer trat, wurde nun aber mit Bims und Asche so hoch aufgefüllt, dass man bei längerem weilen nicht mehr aus dem Zimmer hätte hinausgehen können. Also wurde Plinius Maior geweckt, und er begibt sich zu Pomponianus und den anderen, die die Nacht durchwacht haben. Gemeinsam beratschlagen sie, ob sie im Haus bleiben sollten oder ins Freie gehen, denn die Häuser schwankten durch die häufigen Erdstöße. Es war als ob sie aus ihren Fundamenten gehoben würden und mal hierhin und mal dorthin wankten und sich wieder setzten.
Schon war es andernorts wieder Tag, hier aber noch Nacht, schwärzer und finsterer als alle Nächte zuvor, was aber Fackeln und andere Lichter gutmachten. Man beschloss, zur Küste zu gehen und zu begutachten, was das Meer an Möglichkeiten böte, diese war aber weiter wild mit Gegenwind.
Dort legte sich Plinius Maior auf ein Laken und forderte immer wieder kaltes Wasser und trank es. Aber Flammen und als Vorboten der Flammen Schwefelgeruch trieb die anderen in die Flucht und schreckte ihn auf. Gestützt von zwei Sklaven erhob er sich und brach darauf wieder zusammen; wie ich vermute durch den dicken Rauch erstickt, weil sich die Luftröhre verschloss.
Als das Tageslicht wiederkam, am dritten Tage nach dem gerechnet, an dem man ihn zuletzt sah, wurde sein Leichnam gefunden, unversehrt und gekleidet wie er zuletzt gewesen war, eher einem Schlafenden als einem Toten ähnlich.“


Der Mann machte eine Pause und atmete durch. “Der Vesuv hat alles südöstlich von ihm begraben. Herculaneum und Oplontis sind nicht mehr. Und Pompeii, das große, würdige, alte Pompeii, liegt nun begraben unter Asche und Gestein. Weh uns, die wir die Götter schwer erzürnt haben müssen!“



* Nach den überlieferten Briefen von Plinius dem Jüngeren an seinen Freund Tacitus (Epistulae VI, 16 und 20)

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[Italia|Misenum] Unheil am Horizont - von Chronist - 08-29-2024, 02:05 PM
RE: [Italia|Misenum] Unheil am Horizont - von Chronist - 08-30-2024, 02:47 PM

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