>>> Schweigend verlief der Ritt den Hügel hinauf, während selbst die Vögel aufgehört hatten zu zwitschern und die Sonne ihr Antlitz hinter dichten Wolken verbarg. Ob dies wohl ein Zeichen war? Ein Zeichen dafür, dass an diesem neuen Morgen ein neues Zeitalter angebrochen war? Nachdem sich Jungfräuliche Jägerin und Hirschkönig vereinigt hatten und das Land somit gesegnet hatten? Durchaus möglich. Das Hufgeklapper hallte unnatürlich laut in den Ohren der jungen Königin, welche müde aussah. Zum Glück lief ihre Stute dem Pferd ihres Gemahls einfach hinterher, denn Rhian war außer Stande ihrem Pferd die richtigen Signale zu übermitteln. Schließlich wirkte sie sehr nach innen gekehrt. Ihre Sinne nach innen gerichtet. Was auch kein Wunder war, wenn man bedachte, was in der letzten Nacht im Eichenhain geschehen war und welche Worte die ältere Priesterin zu ihr gesprochen hatte. Sie würde ihrem Gemahl Kinder schenken; ein Mädchen würde an Beltane geboren werden. Ihre erste gemeinsame Tochter; ihre Erbin der Göttin und seines Samens. Am Hügel angekommen ließ sich Rhian vorsichtig aus dem Sattel rutschen, als sie auch schon in eine herzliche Umarmung gezogen wurde. Als Rhian in das gütige Gesicht der Tante ihres Gemahls blickte, spürte sie wie ihre Kehle eng wurde und sie die aufsteigenden Tränen versuchte zurück zu halten. Wieso war sie denn auf einmal derart sentimental? So kannte sich die junge Frau gar nicht und dies ängstigte sie innerlich.
Ruhig beobachtete Rhian nun, wie ihr Gemahl zu Boden kniete, direkt vor den Haufen Asche, der einst die große Königin gewesen war. Mit bedachtsamen Bewegungen befüllte Cahir das Tongefäß mit der Asche seiner Mutter. Die Menge schwieg, sowie auch die Natur für einen kurzen Augenblick regelrecht den Atem anhielt. Während es dann Rhians Stimme war, die leise erklang, während nun auch sie zu Boden kniete und die Asche sanft durch ihre Hände rieseln ließ.
“She knew that she had wandered into the land of truth,
where the body goes while the soul is elsewhere.”
Sprach Rhian in der alten Sprache des Südens, welche wohl nur noch sehr wenige sprechen konnten und noch wenige verstanden. Nachdem die junge Frau für zwei Wimpernschläge lang auf der Erde kniete, erhob sie sich und suchte Cahirs Blick, der das Gefäß in seiner Satteltasche verstaute und nun ebenso zu ihr blickte. So kam es Rhian zumindest vor, denn ihr wurde das Herz sogleich leichter und ein sanftes Lächeln trat auf ihre Lippen. Als sich Cahir in ihre Richtung bewegte, spürte Rhian wie ihr Herz wie ein kleiner gefangener Vogel viel zu hastig in ihrer Brust pochte und jenes pochen intensivierte sich auch noch, als Cahir vor ihr zu knien begann. Auch seine Familie und die versammelten Männer und Frauen gingen auf die Knie, so dass Rhian wahrlich peinlich berührt war. So hob die junge Frau in einer segnenden Geste ihre Hände und hielt diese über das Haupt des neuen Königs.
“Unser starker Wille ist das was uns trägt. Unsere Werte sind das was uns prägen.“
Nach diesen Worten ließ Rhian ihre Hände langsam sinken und wartete darauf, bis Cahir wieder aufgestanden war. Damit sie seine Lippen zu einem besiegelnden Kuss einfangen konnte.