RE: Ein Schlüssel ist keine Magie
Hach, Sabina war wirklich noch sehr unerfahren und unbedarft. Ich sollte aufpassen, wie sehr ich mir erlauben konnte, ihr die Augen zu öffnen für eine Welt voller Möglichkeiten, ohne dass ihr antrainierter Anstand eine Grenze ziehen würde. Deshalb lächelte ich einfach, als sie meinte, es würde doch reichen, dass ich wissen würde, dass ich mich falsch verhielte und zuckte leichtherzig mit den Schultern. “Vorausgesetzt, man findet es nicht richtig, wenn eine Frau für sich selbst sorgt“, sagte ich also einfach nur, ohne sie zu irgendwas überreden zu wollen.
Sie fragte nach dem Statthalter, und ich überlegte, wie seine Frau denn gleich wieder hieß. “Sie ist auf jeden Fall keine Flavia. Ich glaube… ach wie hieß sie? Fabia? Fadena? Irgendwie so wie.“ Eigentlich konnte ich mir Namen besser merken, aber die Frau war einfach zu unauffällig bisher gewesen. Und es war ein offenes Geheimnis, dass sie sich wie eine gute Ehefrau wenig um die Liebschaften ihres Mannes scherte.
Aber zumindest ein bisschen schienen meine Worte Claudia Sabina überzeugt zu haben, denn sie überlegte laut, doch nach Londinium zu fahren und mich sogar mitzunehmen. Im ersten Moment war ich tatsächlich gänzlich perplex, denn damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Dass sie fahren würde, vielleicht, aber eine Einladung? Von einer Claudia an jemanden wie mich? Da hatte ich eine wesentlich – also wesentlich – längere Vorarbeit meinerseits erwartet, um sowas auch nur denken zu können.
Abgesehen davon, dass sie eine Claudia war und ich so die Einladung natürlich annehmen musste, wollte ich aber tatsächlich sehr gerne nach Londinium, um der Langeweile in Iscalis mal ein wenig zu entfliehen. Und um Aglaia zu besuchen. Und um eine Pause von Saturninus zu haben. Es war anstrengend, immer aufmerksam gegenüber derselben Person zu sein. Vor allen Dingen, wenn die derart besitzergreifend war.
Ich saß also wohl einen Augenblick perplex da, ehe ich rasch blinzelte und mich wieder fing. “Oh! Ich wäre geehrt! Nein, ich wäre geradezu begeistert, ergriffen, beschwingt, enthusiastisch! Ich müsste natürlich hier ein wenig regeln, daher kommen mir die zwei Wochen sehr zupass, aber dann käme ich sehr gerne als deine Gesellschafterin mit… Sabina.“
Ihren Namen zuletzt sprach ich aus, als wäre diese kleine Sache das größte Geschenk an der ganzen Reise überhaupt, und natürlich freute es mich durchaus sehr, so schnell ihr Vertrauen erhalten zu haben. Natürlich war ich nicht dumm genug, um nicht zu wissen, dass es auch genauso schnell wieder anders sein könnte. Aber im Moment feierte ich einfach ein wenig meinen Erfolg und freute mich auf die Reise nach Londinium. Ich musste nur schauen, ob ich bei Saturninus einen Urlaub beantragen konnte oder den Vertrag kündigen sollte. Vielleicht wäre letzteres sogar besser, dann konnte ich mir wieder gefahrlos ein wenig Spaß (und Geld) suchen und musste in Londinium höchstens auf Sabina etwas Rücksicht nehmen.
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