Jeden Tag hatten die Bewohner Isuriums bereits mit der Ankunft von Lady Rhian und ihrer Eskorte gerechnet und so waren die Späher vorbereitet als sie vormittags die beiden Frauen entdeckten, die von mehreren Männern umringt und einigen Packpferden begleitet wie einfache Reisende auf die Siedlung zuritten. Die Wache am Tor brauchte nicht lange, bis sie herausfand, dass die Reisegruppe in der Tat Lady Rhian enthielt und die Nachricht über die Ankunft der silurischen Prinzessin verbreitete sich rasend schnell wie ein Lauffeuer.
Einer der Wächter hatte sich direkt auf den Weg zum Langhaus der Königin gemacht und noch bevor der Prinz seine Braut begrüßen konnte, hatten sich schon eine Menge an Menschen links und rechts der Hauptstraße nahe des Tors versammelt, damit sie einen neugierigen Blick auf die Reisegruppe und die Braut des Prinzen werfen konnten. Es war nicht lange ein Geheimnis geblieben, dass Prinz Cahir eine silurische Prinzessin heiraten wollte und dass diese Hochzeit bald stattfinden sollte und die Bevölkerung freute sich bereits auf dieses Ereignis und das Dorf war auf Hochglanz poliert und blitzeblank in allen Ecken.
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Ich war gerade bei einer Besprechung mit dem Vorsteher eines der kleineren Dörfer, als einer der Torwächter im Laufschritt angerannt kam und mir atemlos berichtete, dass Lady Rhian angekommen war und sie mitsamt ihrer Eskorte am Westtor warteten. Ich nickte dem Torwächter zu, dass ich die Nachricht erhalten hatte und schickte ihn zurück auf seinen Posten, während ich den Vogt bat später am Nachmittag noch einmal zu kommen. Da ich damit gerechnet hatte, dass Rhian bald kommen würde, war bereits alles geplant für den Empfang und meine Cousine Brenna, die den königlichen Haushalt führte, leitete alles schnell in die Wege.
Ich musste nur selbst zum Stall gehen, wo man mir bereits einen offenen Wagen mit zwei Pferden als Zugtieren anspannte, während Brenna und eine weitere Dienerin mit einem schweren Korb voll Geschenken in Form von Kräutern wie Misteln und Schafgarbe für den Schutz und gegen Krankheiten, Brot, Salz, Obst, Gemüse, getrocknetem und gepökeltem Fleisch und Fisch und die lokale Spezialität - kleine gefüllte Brötchen mit Beerenmarmelade. Es war ein traditionelles Begrüßungsgeschenk und vielleicht kein Gold und keine Edelsteine, aber ein Zeichen, dass die Silurer nun Gastfreundschaft und den damit einhergehenden Schutz auf dem Boden eines anderen Stammes genossen. Der zweite Korb, der von Brenna getragen wurde, enthielt ein in einfaches Leinen eingeschlagenes Bündel.
Als der Wagen endlich bereit war, schickte ich den Knecht weg und stieg selbst auf den Kutschbock, nachdem ich Brenna und der Magd hinten in den Wagen geholfen hatte und die Körbe eingeladen waren. Die Fahrt zum Westtor war nicht lange und ich beachtete die Menschen, die die Straße säumten nur wenig, da ich angespannt war. Von der guten und ausgelassenen Stimmung der Bevölkerung bekam ich nur wenig mit, als ich die Reisegruppe endlich nahe dem Westtor erspähte. Die Gruppe enthielt zwei Frauen, was mich kurz verwirrte. Hatte Rhian eine Dienerin oder Verwandte mitgebracht? Und welche der beiden war überhaupt Rhian? Ich brachte den Wagen zum Stehen und half Brenna und der Magd, ehe ich die Gruppe öffentlich begrüßte. Immerhin wäre es keine Blamage, da beide Frauen ohnehin nebeneinander standen, wenn ich aus Versehen die falsche ansprach. Das würde schon keiner merken.
Ich wandte mich an die Jüngere der beiden und hob meine Stimme. "Ich bin Prinz Cahir und heiße euch im Namen meiner Mutter, Königin Cerivellana, hier in Isurium willkommen. Zum Zeichen der Gastfreundschaft entbiete ich euch dieses Geschenk." Ich machte den beiden Frauen Platz, die auf Rhian und Anwen mit den beiden Körben zugingen. Brenna hatte den gleichen Gedanken wie ich und schlussfolgerte, dass die Jüngere Rhian war und überreichte ihr den Korb mit dem in Leinen eingeschlagenen Geschenk. Es handelte sich um ein tiefblaues Kleid mit einem in weiß aufgestickten Eichenbaum auf der Vorderseite und einem Ledergürtel mit einer schönen Silberschnalle mit dem gleichen Eichenmotiv, mit dem das Kleid in der Taille gegürtet wurde.
Bei der Übergabe der Geschenke brach Freude aus und die Leute applaudierten, da dies Frieden und Fest bedeutete statt einem Scharmützel oder Hinterlistigkeit. Ich musste kurz warten, ehe ich weiterreden konnte. "Die Königin hat das Langhaus ihres noblen Bruders Berroc als Gästequartier vorbereiten lassen und heute Abend wird meine Mutter euch offiziell bei einem Festessen empfangen." Das waren jetzt einmal viele Informationen auf einmal für die Gruppe Fremder, aber ich hielt nichts von blumigem Blabla und ewigem Hin und Her. Abwartend schaute ich die Gruppe an, ob es noch Fragen gab oder ob sie bereit waren, sich auf den Weg zu machen.