(05-29-2024, 06:37 PM)Louarn schrieb: Ich musste eingeschlafen sein, zumindest für eine Weile. Ich hatte zumindest nicht mitbekommen, wie Anwen zurückgekommen war und bemerkte sie erst, als sie mich ansprach und sich dann schon neben mir an der Wand herunterließ. Etwas verschlafen blinzelte ich kurz und rückte leicht hin und her. Nicht dass ich Platz machen musste, hier war jede Menge Platz, aber um die Anspannung aus meinen Knochen zu bekommen und wacher zu werden. “Klar“, sagte ich mit vom Schlaf belegter Stimme und es brauchte einen Moment, alles gesagte zu verarbeiten. Ihr Kleid war zum Trocknen ausgelegt. Hieß das, sie war nackt? Irgendwie war ich grade einen Moment schneller wach als noch zuvor und schwer damit beschäftigt, nicht ausgerechnet darüber nachzudenken.
Als sie sich neben mich setzte, wollte mein Arm sich schon gewohnheitsmäßig um sie legen, bis ich merkte, was ich da tat. Was dazu führte, dass ich in einem ziemlich ungelenken Gähnen den schon erhobenen Arm weiter nach oben streckte, zusammen mit dem zweiten, und meine Schultern so leicht knacken ließ, ehe ich beide Arme verdammt sittsam wieder auf meinen Knien parkte und dort ruhen ließ. Lag bestimmt alles daran, dass ich so viel an Beltane und Niamh gedacht hatte, und wie sehr ich ehrliche, weibliche Gesellschaft vermisste – auch wenn ich ehrliche weibliche Gesellschaft nie wirklich gekannt hatte. Also ein paar wollten schon einfach nur mit mir vögeln und nichts weiter, aber auch das fühlte sich nicht wirklich gut an.
“Wo ist Rhian?“ fragte ich daher mit einem leichten Räuspern, um mich aus der etwas peinlichen Position zu befreien und blickte mich um. “Ah“, machte ich dann auch gleich, als ich sie erspähte. Sie lag nicht weit weg von mir und schlief, und ich war beruhigt, dass mein eigenes Nickerchen sie nicht irgendwie in Gefahr gebracht hatte. “Der Rest ist noch unterwegs?“ erkundigte ich mich leise nach meinen Brüdern. Würde mich nicht wundern, wenn Fintan die ganze Nacht irgendwo einen Platz zum Feiern und Saufen gefunden hätte und Alun da gleich mit reingezogen hätte. Cinead vielleicht auch, wobei ich bei dem eher an einen spontanen Jagdausflug dachte.
Louarn war noch nicht vollständig eingeschlafen. Er blinzelte müde, als Anwen ihn ansprach, und versicherte ihr, dass er nichts dagegen hatte, dass sie sich zu ihm setzte. Sie hatte nicht vor, ihn zu wecken, doch ihre Nähe schien ihn wacher zu machen.
Fast hätte man denken können, er wolle seinen Arm um sie legen. Doch im letzten Moment streckte er sich nur, und ein Knacken in seinen Schultern war zu hören. Anwen musste leicht schmunzeln, als sie dies sah. Zweifelsohne war Louarn ein junger, kräftiger und attraktiver Mann, dem die Frauen wahrscheinlich in Scharen hinterher liefen. Wären sie nicht auf dieser Mission gewesen, hätte er diese Aufmerksamkeit sicherlich ausgiebig genossen. Daher war es für die Priesterin nicht überraschend, als sie eine Reaktion seines Körpers auf ihre Anwesenheit feststellte. Ihm selbst schien dies unangenehm zu sein. Er senkte seine Arme und legte seine Hände sittsam in seinen Schoß.
Um die peinliche Stille zu durchbrechen, fragte er nach Rhian. Das Mädchen schlief jedoch schon tief und fest. Dann erkundigte er sich leise nach seinen Brüdern, die immer noch abwesend waren.
"Offensichtlich", antwortete sie knapp. Sie hätte ihm nicht sagen können, wo sie sich befanden. Auf ihrem Weg zum Fluss hatte sie lediglich darauf geachtet, keinen Römern zu begegnen.
"Ich frage mich, was man in diesem Nest zu dieser Stunde noch tun kann, außer zu schlafen", fügte sie nachdenklich hinzu. Anwens Blick schweifte kurz durch den Raum. Die Dunkelheit breitete sich allmählich über die zahlreichen Menschen aus, die hier wie sie die Nacht verbringen würden. Die meisten waren bereits in den Schlaf gesunken, begleitet von einem Chor des Schnarchens. Einige waren noch wach, verhielten sich jedoch größtenteils ruhig. Gelegentlich durchbrach ein gedämpftes Lachen oder ein Seufzen die Stille. Ein schwerer Duft menschlicher Düfte lag in der Luft, Zeugnis der vielen Leben, die sich hier kreuzten.
Anwen wollte gerade ihre Augen schließen, als sie Schritte hörte, die auf sie zukamen. Es war Cinead, der zurück kam und er hatte etwas für sie dabei. Ein Säckchen, den er ihr zuwarf. Anwen fing den kleinen Beutel geschickt auf.
"Was ist das?" fragte sie ihn. Sie fühlte etwas hartes und öffnete den Beutel betrachtete die Kiesel, die darin verborgen waren. Sie waren ungewöhnlich schön, jeder einzelne Stein schien eine eigene kleine Welt zu sein, gefüllt mit glitzernden Sternen, die in der Dunkelheit des Raumes leuchteten. Anwen fühlte sich, als hätte sie einen Schatz in Händen, einen Schatz, der nicht nur wegen seiner Schönheit wertvoll war, sondern auch wegen der Bedeutung, die er für sie hatte.
Sie wusste, dass diese Kiesel eine Botschaft waren, ein Zeichen der Götter, die sie nur noch entschlüsseln musste…