RE: Ein Schlüssel ist keine Magie
Ich kämpfte wie gesagt mit den Tränen und hoffte, dass die Szene gerade niemand gesehen hatte. Es gab nichts Schöneres als Schadenfreude, und dass man der Claudia quasi die Tür vor der Nase zuschlug, hätte bestimmt so manche erfreut. Schon weil sonst nicht viel passierte. Hier war eben nicht Alexandria oder Rom; Iscalis war klein, und die hier ansässigen römischen Damen enorm konservativ. Auch in ihrer Kleidung, da hinkten sie für gewöhnlich so zwei, drei Jahre der Mode hinterher. Viele mochten Cato nicht. Doch was schlimmer war als Ablehnung, war das teils aufrichtige, teils geheuchelte Mitleid, das mir neuerdings entgegen schlug: Claudia Sabina, die grüne Witwe....
Ich wollte mich wieder in die Villa Iulia zurücktragen lassen, als ich eine angenehme Stimme sagen hörte:
“Domina Claudia! Oh, Domina Claudia! Darf ich dich einladen, dich zu mir zu setzen?“
Die Stimme hatte etwas ganz und gar Fröhliches und schien aus einer der Tabernae zu kommen. Der Kontrast zum Sonnenlicht war stark, und ich hielt mir eine Hand vor die Augen, um sie zu beschatten. Die Stimme kam aus einem zum Platz hin offenen Ladengeschäft und gehörte zu einer jungen Dame, die mir bisher nicht vorgestellt worden war.
Sie war etwas älter als ich, stammte wie ich annahm, aus Nubien und saß in einem Korbsessel, während eine Ornatrix, die ihr Haar blauschwarz (mit Indigo?) eingefärbt hatte, vor ihr kniete und die zierlichen dunklen Füßchen bearbeitete.
An der Nubierin war nichts provinziell, das sah ich sofort. Sie hatte jene lässige Eleganz, die man nur bekam, wenn man wirklich schon was von der Welt gesehen hatte, ein süßes Gesicht und wie gesagt, eine nette Stimme. Ihren Stand hätte ich nicht so recht einordnen können, aber ihre Redeweise war ehrerbietig.
Ich begriff sofort: Wenn man in einer blöden Situation steckt, war es am besten, so zu tun, als sei es Absicht. Nun tat ich eben so, als hätte ich genau nach dieser Taberna gesucht.
"Salvete", grüßte ich freundlich und winkte Rosula, mich zu begleiten: " Ist DAS die Taberna der... aegyptischen Kosmetikerin? Ich wollte schon immer einmal herkommen, hatte nur zu viel zu tun"
Das war glatt gelogen, der Laden fiel mir das erste Mal auf.
Ich setzte mich langsam in den mir angebotenen Korbsessel, nachdem Rosula ihn mir zurecht gerückt hatte:
"Puh, ist das heute warm. Man könnte glauben, am Nil zu sein, und nicht am Iscafluss. Bitte für mich die gleiche Behandlung wie für die Dame neben mir", sagte ich und streckte die Füße aus. Eine Fußmassage konnte nie schaden:
"Es tut mir Leid, dass ich mich nicht deines Namens entsinne", sagte ich vorsichtig zu meiner Nachbarin. Nefertem, der oft den Dienst eines Nomenclators versah, war nicht mitgekommen. Ich hatte ja auch nur in die Thermen gehen wollen. Aber die schöne Nubierin kannte mich, so mochte es sein, dass ich sie auch kennen musste. Vielleicht war sie sogar eine Bekannte von meinem Mann, der sich gerne mit exotischen Leuten umgab.
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