RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg
Alle kamen so nach und nach in die Gänge und nach einem kleinen, kalten Frühstück und nachdem auch die Zelte samt Gestänge auf die Packpferde geladen waren, konnten wir auch wieder weiter reiten.
Und so verlief mehr oder weniger jeder Tag unserer Reise. Wir ritten abseits der Wege für einige Stunden in langsamen Trott, danach gingen wir zu Fuß, um den Pferden etwas Last zu nehmen und unseren Kehrseiten eine Pause zu gönnen. Mittags eine Rast um die Pferde zu tränken und uns selbst gleich mit und etwas auszuruhen, und dann dasselbe noch einmal bis es an der Zeit war, sich einen Lagerplatz zu suchen. Da die Sommersonnenwende näher rückte, waren die Tage lang, aber häufig genug regnerisch, so dass wir nicht so schnell vorankamen, wie ich gerne wollte, und auf die Pferde achten mussten, damit die keine Lungenentzündung bekamen.
Nach vier Tagen erreichten wir den ersten Fluss – den südlichen Avon – den wir an einer seichten Stelle überquerten. Das Wasser ging den Pferden an der tiefsten stelle der Furt bis knapp zum Bauch, weshalb ich abstieg und die Pferde der Frauen und die Packpferde einzeln am Zügel rüberführte und dann erst selbst ziemlich durchnässt hinüberritt.
Dann führte unser Weg erstmals ostwärts, da ich den Weg parallel zum nördlichen Avon einschlagen wollte, so lange es möglich war. Die römische Straße führte etwas nördlich von uns am Fluss entlang, und immer wieder erhaschten wir einen Blick darauf und auch auf den breiten Strom, der hier das Land teilte. Aber auch wenn es langsamer war, hielt ich uns von der Straße fern. Zu viele Reisende dort, die uns sehen konnten. Und reisende Händler bedeuteten noch zwei Dinge: bewachende Römercohorten, die die Straßen sichern sollten, und Räuberbanden, die sich nicht um die Römer scherten. Ich wollte keinem von beiden begegnen.
Erst, als wir weit genug östlich waren, führte ich uns dieses Stück nach Norden zu der römischen Straße hin, denn wir mussten über den Avon hinüber. Und hier, wo der Fluss so breit war, gab es nur wenige geeignete Stellen hierfür. Und die beste war und blieb die Stelle bei Straet, wo die Römer deshalb nicht nur eine Brücke über der Furt errichtet hatten, sondern auch gleich eine kleine Stadt mit dazu. Auch wenn die Stadt nicht wirklich groß war, insgesamt vielleicht drei dutzend Häuser, profitierte sie davon, dass viele Händler hier hindurch mussten. Und so hatte sie zumindest einen Stall und eine einfache Herberge, in welcher man zwar vor Dieben nicht sicher war und nur im großen Saal auf dem Boden schlafen konnte zusammen mit allen anderen – und Stroh kostete extra – aber es trocken und warm hatte.
Ich schaute zurück auf unsere Reisegruppe, und ehrlich, sie sahen aus, wie ich mich fühlte: Müde und abgekämpft. Auch die Pferde. Außer die Packpferde vielleicht, die jetzt nach anderthalb Wochen und weniger als der Hälfte unseres Weges nur noch sehr wenig zu schleppen hatten. Eigentlich wäre es mir am liebsten gewesen, die Stadt sehr schnell hinter uns zu lassen und weiterzureisen, aber mit Blick auf die anderen glaubte ich nicht, dass sie dann bis zum Ende durchhielten. Sie brauchten eine Pause. Verdammt, mein Hintern wollte auch eine Pause. Ich schnaufte also einmal durch und winkte Alun zu mir,
“Alun? Wir müssen Vorräte auffüllen und sollten vielleicht eine oder zwei Nächte hier bleiben und die Pferde ausruhen lassen. Meinst du, ein Römer bekommt bessere Preise?“ fragte ich ihn direkt, denn das hieß, er würde sich in Schale schmeißen müssen. Wir stanken zwar alle nach Pferd und Staub und nasser Wolle, was bis zum Ende der Reise so bleiben würde. Aber manchmal machten schwarze Haare und eine fehlende Hose dennoch einen Unterschied bei den Kosten für Getreide, Stallunterbringung und einem Schlafplatz.
Dann erhob ich meine Stimme auch für die anderen, auch wenn es erst Mittag war: “Wir übernachten hier und bleiben auch morgen hier, um Vorräte zu kaufen.“ Dass sie unauffällig bleiben und sich keinen streit suchen sollten, musste ich hoffentlich nicht extra betonen. Aber vielleicht wollten die Frauen dann ja auch das kleine, römische Badehaus aufsuchen und sich die Hände mit Salbe behandeln lassen, um die Risse und Blasen von den Zügeln loszuwerden. Oder um einfach mal nach was anderem als Pferd und nasser Wolle zu riechen.
Wir näherten uns der Stadt auf der römischen Straße, die hier mit Steinen gepflastert war. Die Hufe der Pferde klackerten auf dem Stein, und ein gutes Stück vor uns fuhren auch einige beladene Wägen eines Händlers und rumpelten laut darüber, bis die Straße leicht zu der Brücke anstieg.
Ich hieß uns etwas warten, bis die Wagen vor uns hinüber waren, da ich dem Konstrukt nicht traute. Wir Kelten hatten keine solchen Steinbrücken wie diese. Das Ding war monströs! Es hatte ganze vier Pfeiler, die im Wasser standen und in regelmäßigem Abstand so die Brücke stützten und war ganz und gar aus Stein erbaut. Sogar hier ging dieses römische Pflaster weiter, als wäre ein Fluss kein Hindernis. Ich fand das alles mehr als suspekt, aber nachdem die Wagen vor uns genug Vorsprung hatten und uns nicht mit in die Tiefe reißen würden, ließ ich auch meinen Braunen seinen Fuß auf die Brücke setzen. Ich bemühte mich, nicht hinunter zum Fluss zu sehen, der träge unter uns hindurchfloss, sondern heftete meine Augen auf die befestigte, römische Siedlung auf der anderen Seite, die uns die nächsten zwei Tage verschlucken würde.
Falke
|