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Aufbruch gen Norden - Eine Braut macht sich auf den Weg
05-07-2024, 08:34 PM,
Beitrag #11
RE: Aufbruch gen Norden - Eine Braut macht sich auf den Weg
(05-07-2024, 08:03 PM)Louarn schrieb: Ich beobachtete Rhian, wie sie das Pferd streichelte, und meine Gedanken sprangen dabei immer weiter hin und her. Ich versuchte, bei der Aufgabe zu bleiben. Immerhin wusste sie nicht, wer ich war – glaubte ich zumindest – und ich hatte beschlossen, dieses Detail für mich zu behalten. Es würde sie nur noch mehr verwirren und wäre zu absolut nichts gut, wenn sie es wüsste. Und mir würde es auch ncihts bringen. Also blieb es am besten ungesagt.
Allerdings verhinderte diese Erkenntnis nicht, dass ich mir Fragen stellte und mir Dinge vorstellte. Wie viel sie wohl von der Familie wusste? Kannte sie unsere anderen Cousinen und Cousins? Nach dem, was Cathbad erzählt hatte, wahrscheinlich nicht. Aber wenn er nicht wäre, hätte ich sie in einem anderen Leben gekannt? Hätte ich sie dann gemocht? Mochte ich sie jetzt? Wie fühlte es sich an, eine Cousine zu haben? Ich wusste es nicht.

Ihre Frage nach dem Pferd riss mich aus den Gedanken. Ich grinste schief. “Wenn sie einen Namen hat, hat sie ihn mir nicht verraten. Gib ihr einen, wenn du magst“, schlug ich vor. Ernsthaft, ich nannte alle meine Pferde Brauner, sogar dann, wenn ich ein weißes Pferd mal hatte. Mich durfte man da nicht fragen.

Rhian fragte gerade nach der Anzahl unserer Reisegruppe, als auch Anwen kam und mich kurz aus dem Takt brachte. Nicht, dass sie irgendwas machte, es war einfach ihre reine Existenz hier und jetzt, die sich seltsam anfühlte. Ich wusste ja, dass sie mitkommen wollte, aber seit unserer Begegnung an der Quelle und den letzten Worten, die sie mir da gesagt hatte war da etwas, das irgendwas an meinen Gedanken kratzte. Aber ich kam nicht darauf, was es war oder wieso es überhaupt sich so anfühlte.
“Äh, ja, haia, Anwen.“ Das war weniger souverän, als ich wollte, also räusperte ich mich kurz, um meine Autorität wieder herzustellen. In dem Moment kam auch Cinead still wie immer und belud sein Pferd noch mit etwas Dörrfleisch, von dem ich hoffte, dass es kein Hase war.

Rhian hatte meine Regeln akzeptiert und ich hoffte, dass wir nicht in Situationen kamen, in denen ich testen musste, ob sie sie wirklich verstanden hatte. Wenn alles glatt ging, mussten wir nur ein oder zwei male unsere Vorräte aufstocken und waren sonst fern von allem und jedem. Das wäre mir definitiv am liebsten.
“Der römische Abschaum ist mein Bruder Alun“, meinte ich vielleicht eine Spur schärfer als beabsichtigt, aber ich konnte es nicht leiden, wenn jemand meine Brüder beschimpfte. Naja, außer bei Fintan, den durfte Anwen meinetwegen gerne beschimpfen. Gerne recht ausführlich und vielfarbig. “Und sollten wir wider Erwarten auf dieser Reise von einer römischen Patrouille angehalten werden, werden wir noch alle für sein Aussehen dankbar sein.“
Da ich aber nicht so unfreundlich sein wollte, machte ich schnell und wesentlich ausgeglichener weiter. “Anwen? Die Fuchsstute mit den weißen Fesseln hier ist für dich. Sie ist noch etwas jünger und deshalb neugierig, aber ansonsten ruhig und zutraulich.“ Damit war Anwen hoffentlich von Alun abgelenkt, der hoffentlich jetzt auch clever genug war, nicht zurückzumaulen und sich einfach eine Hose anzuziehen, und dann könnten wir eigentlich auch los.

Rhian hatte aber noch Fragen, die ich auch noch beantworten wollte, während ich ihr ihr Bündel abnahm und mit den langen Lederriemen am Sattel festzurrte, so dass es nicht herunterfallen würde. “Wir sind jetzt vollzählig. Das da hinten ist noch Cinead“, klärte ich sie auf, während sie sich Sorgen um ihre Reise und die Hochzeit machte. Ich bemühte mich, mir meine Gedanken nicht anmerken zu lassen, als sie Cathbad erwähnte, denn ich war mir sehr sicher, dass der alte Druide nichts getan hatte, das uns irgendwie nützen würde. Schon allein deshalb, weil seine Vorstellungen von Nützlichkeit die meinen nicht annähernd abdeckten.
Ich schenkte Rhian ein leicht schiefes, hoffentlich aufmunterndes Lächeln. “Wenn alles gut geht, werden wir auf der Reise nur ein oder zwei Mal Römer sehen, wenn wir eine Brücke überqueren. Aber die sollten uns nicht weiter beachten. Aber es gibt mehr Gefahren da draußen als nur Römer.“ Die ich jetzt nicht aufzuzählen gedachte, aber weder waren alle Römer schlecht, noch alle Kelten gut und freundlich. Von hungrigen Bären, tückischen Mooren oder einfach nur einem frühlingshaften Hagelsturm ganz zu schweigen. “Aber hab keine Angst, Rhian. Ich bin schon in den Norden gereist, ich weiß, wo wir entlang müssen. Und wir vier Männer werden dich, werden euch beide – dich und Anwen – sicher dort hinbringen.“

Ich hoffte, das war Versicherung genug. “Gut, wenn es sonst nichts mehr gibt, lasst uns aufsteigen. Wir wollen heute noch zwanzig Meilen mindestens schaffen, bevor die Sonne untergeht.“

Immer wieder ließ Rhian ihre Finger durch das weiche Fell der Stute gleiten und wisperte leise Worte. Dabei konnte Rhian bemerken wie sich die Ohren des Pferdes in ihre Richtung drehten und diese Regung dem Mädchen ein gar sanftes Lächeln entlockte. Oh ja. Diesem Lebewesen konnte sie wahrlich vertrauen. Ihren Mitmenschen wohl nicht. Nachdem Cathbad ihr eröffnet hatte, dass ihre Eltern, von denen sie geglaubt hatte, dass es ihre Eltern waren, lediglich ihre Zieheltern gewesen sind. Alleine bei diesem Gedanken spürte Rhian wie ihre Kehle eng wurde und sie ihr Gesicht am liebsten im weichen Fell des Pferdes vergraben hätte. Das sie dem Tier einen Namen geben konnte, weil es offensichtlich keinen Namen hatte, ließ Rhian mit einem verwackelten Lächeln zu Louarn empor blicken.

“Ich werde dich 'Edana' nennen.“

Wisperte Rhian mit ihrer leisen Stimme. Edana bedeutete nämlich 'die kleine Feurige'. Denn auch wenn Louarn gemeint hatte, dass dieses Pferd kaum ein feuriges Schlachtross war, so hatte Rhian in ihren Augen ein gewisses Feuer erkennen können.  Weitere Worte verlor das Mädchen nicht weiter, da sich eine großgewachsene Frau ihnen beiden näherte und Rhian in ihr Anwen erkannte. Jene Keltin, die zusammen mit Raven an die Quelle gekommen war. Mit einem schüchternen Lächeln blickte Rhian in Anwens Richtung und strich sich unbeholfen eine ihrer Strähnen aus dem Gesicht.

“Haia Anwen. Ich bedanke mich bei dir, dass du mich auf meiner ..Reise begleiten wirst.“

Sprach das Mädchen mit ihrer leisen Stimme und bemerkte dann jedoch Anwens Gesichtsausdruck. Auch ihre kaum wahrnehmbare Handbewegung blieb Rhian nicht verborgen, so dass sich eine steile Falte zwischen ihren Augenbrauen bildete. Der großen Göttin sei gedankt, ergriff Louarn daraufhin abermals das Wort und erklärte, dass eben jener römische Abschaum einer seiner Brüder sei und Alun die Reisegesellschaft begleiten würde. Schweigend ließ Rhian es zu, dass Louarn ihr Bündel abnahm und jenes mittels der Lederriemen am Sattel befestigte.

Allzu lange wollte Louarn offensichtlich nicht mehr warten, denn er trieb die kleine Gruppe regelrecht zur Eile an.

“Ich.. vertraue dir.. euch. Auch wenn ich lieber hier an der Quelle geblieben wäre, um der Göttin zu dienen.“

Mit diesen Worten blinzelte Rhian hastig und wandte sich schließlich der Stute zu. Geschickt angelte sie mit ihrer Fußspitze nach dem Steigbügel und zog sich im nächsten Moment auch schon nach oben, bis sie sicher im Sattel saß. Da strahlte sie auch schon über das ganze Gesicht und strich der Stute durch die Mähne und über den Hals.
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RE: Aufbruch gen Norden - Eine Braut macht sich auf den Weg - von Rhian - 05-07-2024, 08:34 PM

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