RE: Aufbruch gen Norden - Eine Braut macht sich auf den Weg
Geh einfach sterben“, war meine trockene und emotionslose Antwort auf sein Gestichel, für das ich wirklich keine Nerven übrig hatte. Als ob ich ihn auch nur in die Nähe meines Essens lassen würde und nicht weitere Vorkehrungen treffen würde, dass er den Auftrag nicht versaute. Verdammt, es wäre mir wirklich lieber, er würde gar nicht erst mitkommen. Wahrscheinlich war das Cathbads Strafe für Dunduvans Tod. Das zumindest ergab mehr Sinn als alles andere.
Ich war damit fertig, die Pferde zu inspizieren, als Fintan dann auch mit Karten anfing. Ich schnaubte ein unterdrücktes Lachen und verzichtete auf einen Kommentar. Karten. Unser Volk erstellte keine Karten, und die der Römer waren bestenfalls kreativ. Nicht, dass ich gewusst hätte, wie man die lesen würde, aber die römischen Landvermesser trugen nur das ein, was ihnen nutzte, und das waren die römischen Straßen, die ich eben genau nicht benutzen wollte.
Bevor ich doch noch dazu kam, irgendwas dazu zu sagen, kam dann auch ein junges Mädchen, und ich verkniff mir weitere Feindseligkeiten mit Fintan. War das meine Cousine? Sie war… jung. Mehr Mädchen als Frau. Und sie sah sehr verloren und verschreckt aus. Ihr Haar war eher braun als rot, und sie war definitiv viel blasser als ich. Ja, Prinzessin passte da wohl, denn sie sah nicht aus, als hätte sie einen Tag in ihrem Leben schwer gearbeitet. Oder Hunger gelitten. Oder auf dem Boden geschlafen. Verdammt, ich hoffte, sie stand das durch.
Ich wollte sie gerade begrüßen, als Alun vorbei und mir zuvor kam. Warum bei allen Göttern hatte er diesen Mist und nichts vernünftiges an? Dachten denn wirklich alle, wir würden auf den römischen Straßen herumreisen, wofür wir Karten und römische Kleidchen brauchten?
Ich zählte innerlich einmal bis zehn und klopfte Alun kurz auf die Schulter, womit ich ihn ein wenig von Rhian wegzog. Er war mir grade viel zu flirtig, fand ich. Und ich wollte echt nicht auf zwei Brüder aufpassen müssen, dass die sich benahmen und ihren Zauberstab in der Hose behielten. Vor allen Dingen, wenn die nicht mal eine Hose anhatten. “Du solltest dir eine Hose anziehen, Alun. Wir werden sehr viel reiten und niemand hier will deinen Hintern verarzten, wenn dein Sattel durchscheuert“, gab ich ihm wohlmeinend einen Tipp. Sollten wir irgendwo auf Römer treffen, hätte er immer noch genügend Zeit, sich die Hose eben auszuziehen und ins Gebüsch zu werfen, wenn wir ihnen nicht aus dem Weg gehen konnten. Solange aber keine in Sicht waren, war verletzungsarmes Vorankommen oberste Pflicht.
“Haia, Rhian. Mein Name ist Louarn“, stellte ich mich ihr vor. Ohne irgendwelche Verbeugungen und Flirtereien. “Alun hier kennst du ja schon, und der Kerl da hinten ist Fintan“, dem ich einen finsteren Blick zuwarf, damit er gar nicht erst auf dumme Ideen kam. Um dem auch gleich einen Riegel vorzuschieben, stellte ich mich auch so, dass ich ihm den Weg abschnitt und Rhian die Pferde präsentieren konnte. “Mir wurde gesagt, du kannst reiten? Hier vorne, die braune Stute mit dem weißen Stern, das ist dein Pferd.“ Ich geleitete sie zu besagtem Tier, das neben meinem Braunen stand, und strich der Stute über die Nase. “Sie ist ruhig und geduldig, und ein bisschen verfressen. Sie ist kein feuriges Schlachtross und kein Rennpferd, aber sie ist verlässlich und wird dich bis zu deiner Hochzeit zuverlässig tragen.“
Ich ließ ihr einen Moment, die Stute mal zu berühren und kennen zu lernen, falls sie das wollte. Ich wollte sie ja nicht gleich mit allem überrollen.
Nach einer angemessenen Wartezeit fuhr ich auch gleich fort. “Das folgende ist jetzt wichtig, Rhian. Wir müssen auf der Reise ein paar Regeln festlegen.“ Ich sah ihr tief in die Augen, damit sie begriff, wie ernst das hier war. Denn ja, es ging um nicht weniger als unser überleben dabei.
“Jeder von uns wird Aufgaben haben und niemand wird sich davor drücken. Deine erste Aufgabe wird sein, dich um deine Stute zu kümmern. Ich werde dir zeigen, wie man ihre Hufe sauber hält und wie man sie absattelt und aufsattelt. Danach wirst du jeden Abend im Lager als erstes dein Pferd versorgen. Egal wie müde du bist, egal wie hungrig du bist. Immer erst das Pferd versorgen.“
Das war Regel Nummer eins, denn ansonsten liefen wir bald alle zu Fuß.
“Zweitens: Du wirst nirgendwo allein hingehen. Uns wird noch eine Priesterin begleiten“, wenn sie kam. So ganz sicher war ich immer noch nicht. “So dass du dich mit ihr zusammen auch erleichtern gehen und waschen kannst. Aber ihr bleibt immer in Hörweite. Du gehst nicht auf eigene Faust los, um irgendwas zu holen oder zu sammeln oder aus sonst irgend einem Grund. Wenn wir reisen, bleibst du bei mir. Wenn wir rasten, bleibst du beim Lager oder gehst mit Anwen zusammen. Und unter gar keinen Umständen gehst du allein mit Fintan in den Wald.“ Und ja, auch dieser Punkt war sehr ernst. Ich hatte nicht vor, sie von irgendwelchen Sklavenfängern wieder zurückerobern zu müssen, oder mir Gedanken um ihre Reinheit zu machen.
“Und drittens, und das ist die wichtigste Regel: Es kann passieren, dass es für uns gefährlich wird. Ich will dann keine Diskussionen führen, dafür haben wir keine Zeit. Wenn ich dir sage, du musst dich verstecken, versteckst du dich. Wenn ich dir sage, du sollst fliehen, dann reitest du, als wäre der König der Formori persönlich hinter dir her, und drehst dich nicht um. In Ordnung?“
Eigentlich waren die regeln gar nicht schwer. Aber sie war eine Adelige und ein junges Mädchen, und die waren häufig zickig und schwierig und all die Dinge, die die Wahrscheinlichkeit eines unversehrten Reisens sinken ließen.
Falke
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