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Ein neuer Sabinier im Haus - oder: Der Bruder, der ein Vetter war
05-03-2024, 03:10 PM,
Beitrag #4
RE: Ein neuer Sabinier im Haus - oder: Der Bruder, der ein Vetter war
Nach dem Eingeständnis der delikaten Schwierigkeiten, die zu meinem raschen Abgang aus Ostia geführt hatten, wartete ich angespannt auf die Reaktion meines Cousins Merula. Unwillkürlich fiel mein Blick dabei auf den Schreibtisch und die Ordnung, in die der Hausherr der Casa Sabinia in Iscalis die verschiedenen Schriftstücke, die auf dem Schreibtisch ausgebreitet waren, gebracht zu haben schien. Und zur Ordnung riefen mich dann irgendwie auch die Worte, die mein älterer Verwandter schließlich an mich richtete: Prägnant erinnerte er an die römischen Grundtugenden der Pietas und der Gravitas, versicherte mich im gleichen Atemzug aber auch seiner Unterstützung.

Erleichtert griff ich seine Rede auf: "Danke für deine Offenheit, lieber Vetter. Mir ist natürlich klar, dass ich mich mit meinem Verhalten in Ostia nicht gerade mit Ruhm bekleckert, sondern mich wohl eher zum Narren gemacht habe." Jedenfalls war mein damaliges Verhalten natürlich kein Beispiel für Gravitas und Pietas gewesen.

Aber bei solchen Allgemeinplätzen wollte ich es nicht belassen, schließlich hatte Merula mir auch eindringlich nahegelegt, dass mir hoffentlich nichts mehr an meiner früheren Angebeteten liege, und darauf war ich meinem Cousin eine ehrliche Antwort schuldig: "Ich habe mich natürlich schon öfter gefragt, was ich tun würde, wenn diese Frau nun plötzlich wieder vor mir stehen würde, und ich muss gestehen, dass sie sicher nach wie vor eine große Wirkung auf mich hätte. Aber das wäre ganz sicher nicht mehr jene Faszination, die sie in Ostia auf mich ausüben konnte. Dieser Faszination bin ich ja sozusagen unter ganz falschen Voraussetzungen erlegen, eben weil ich nicht wusste, dass sie Partherin war. Mit diesem Wissen hätte ich mich ihrem Reiz bestimmt niemals so hingegeben." Schon allein der Gedanke an die Schwierigkeiten, in welche mich diese Liaison beinahe gebracht hätte, wäre da ein effektiver Schutz gewesen. "Deshalb kann ich dir auch guten Gewissens versprechen, dass ich alles tun werde, um mich deiner Hilfe als als würdig zu erweisen", sagte ich als Antwort auf die gleichlautende nachdrückliche und berechtigte Forderung meines Vetters.

Tatsächlich hatte ich ja zusammen mit meinem Vater auch schon gewisse Vorkehrungen getroffen: "Was meine Pläne angeht: Du weißt ja, was für eine geschäftige Hafenstadt Ostia ist. Im Laufe der Jahre bin ich dort verschiedenen Beschäftigungen nachgegangen und habe auch, so gleube ich jedenfalls, in einigen Bereichen eine gewisse Expertise aufgebaut. Das gilt ganz allgemein für die wirtschaftliche Führung eines Geschäfts, besonders aber auch für das Handwerk eines Fleischers, wo ich in den letzten Monaten recht selbständig gearbeitet habe." Der Besitzer der Fleischerei war nämlich an einer Reizung seiner Haut erkrankt, die es nicht opportun machte, sich in der Verarbeitung von Lebensmitteln zu betätigen, und ein Sklave, der schon Jahre in dem Betrieb gearbeitet hatte, war im Rahmen eines günstigen Angebots verkauft worden, so dass ich den Laden für einige Zeit lang fast hauptverantwortlich "geschmissen" hatte.

"Daher wäre ich gerne bereit, wieder in einer Fleischerei zu arbeiten. Ich wäre aber auch nicht abgeneigt, eventuell selbst eine Fleischerei zu eröffnen: Wie gesagt, habe ich in Ostia schon sehr selbständig und eigenverantwortlich gearbeitet und auch Einblicke in die kaufmännischen Aspekte der Führung eines Geschäfts gewonnen. Zusätzlich bringe ich auch ein gewisses Eigenkapital mit: Von meiner letzten wie von meinen vorherigen Beschäftigungen hatte ich eine gewisse Summe angespart, die mein Vater noch mehr als großzügig aufgerundet hat." Es war ihm - genau wie mir - ein großes Anliegen gewesen, dass ich unseren Verwandten in Iscalis nicht etwa auf der Tasche liegen würde, und so hatte er mir gleichsam einen Vorschuss auf mein Erbe gegeben.

"Auf meiner Reise hatte ich das Geld, das ich selbst angespart hatte, getrennt von dem Geld aufbewahrt, welches Vater mir geschenkt hatte. Auf der Suche nach einer ersten Orientierung bin ich dann leider kurz nach meiner Ankunft hier in Britannia an einen Mann geraten, der mir zunächst wirklich mit Land und Leuten behilflich war. Er hatte mir auch jemanden vermittelt, der eine Nachricht über meine Ankunft nach Iscalis bringen sollte." Das war jene Nachricht, die ich schon am Abend zuvor erwähnt hatte, als ich so unerwartet vor der Porta der Casa Sabinia gestanden hatte.

"Aber Merkur allein weiß, was aus dieser Nachricht geworden ist. Mein Bekannter selbst hat mich nämlich in der dritten Nacht nach unserem Zusammentreffen gemeinsam mit einem anderen Mann niedergeschlagen und mir den Geldbeutel mit meinen eigenen Ersparnissen geraubt. Den Beutel mit dem Geld meines Vaters hat er allerdings nicht gefunden. Glücklicherweise ist dies die größere Summe, aber der Verlust meines Ersparten brachte mich dazu, den restlichen Weg nach Iscalis nicht in einem Reisewagen zurückzulegen, sondern zu Fuß." Schließlich wollte ich mir meine Zukunftschancen nicht schon vorab durch Bequemlichkeit schmälern und musste daher mein verbliebenes Kapital zusammenhalten. Außerdem war der Kampf mit Wind und Wetter sicher auch gut für meine Abhärtung und Anpassung an das hiesige Klima gewesen.

Meinem Cousin Merula, der selbst in der Legion für Rom gekämpft und gelitten hatte, musste ich nach all meinen Schilderungen sicher wie ein naiver Schafskopf vorkommen: erst diese Frauengeschichte in Ostia, dann als Opfer eines Überfalls hier in Britannia. Ich war aber fest dazu entschlossen, aus meinen negativen Erfahrungen zu lernen, einmal gemachte Fehler nicht zu wiederholen und mich nun noch mehr als in Italia als nützliches Mitglied der Gesellschaft zu beweisen. Deshalb fügte ich noch hinzu: "Neben meinen beruflichen Plänen wäre es mir auch eine große Ehre, mich in den Dienst der Gemeinde hier in Iscalis zu stellen - und natürlich in deinen Dienst und den Dienst der Familie." Direkt danach zu fragen, ob Merula über seinen Veteranen-Status hinaus mit seiner wiederkehrenden Gesundheit noch andere eigene Pläne verfolgte, kam mir zu aufdringlich vor.
[Bild: 3_15_08_22_9_36_30.png]
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RE: Ein neuer Sabinier im Haus - oder: Der Bruder, der ein Vetter war - von Lucius Sabinius Bellus - 05-03-2024, 03:10 PM

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