RE: [Aufbahrung] Centurio Accius Florus
Prisca hatte nicht die geringste Ahnung vom Mithras-Kult. Als Frau durfte sie das ja auch nicht, ebensowenig wie vom Kult des Silvanus, dem ebenfalls viele Legionäre huldigten. So wie der Tempel der Vesta nur den Frauen vorbehalten war, waren diese Götter nur den Männern vorbehalten. Daher erkannte Prisca den Kultanhänger auch nicht sofort an seinen Zeichen, sondern erst, als er sie ansprach und mit sanften Worten hinaus bat. Ihr Mann grüßte den Mann als Bruder, weshalb Prisca annahm, dass auch er dem Kult diente, und wollte mit ihr hinausgehen.
Prisca legte ihm eine Hand kurz auf den Arm. “Nein, bitte, bleib du noch hier. Gib meinem Bruder Geleit für… was auch immer jetzt geschieht. Ein Verwandter sollte bei ihm sein. Ich geh mit Miriam hinaus und warte in der Halle“, sagte Prisca und sah ihren Mann kurz bittend an. Aber sie wollte wirklich nicht, dass ihr Bruder ganz allein in die Unterwelt reisen würde, ohne dass ein Verwandter es wenigstens bezeugte. Wer wusste sonst schon, ob alles richtig gemacht wurde?
Miriam jaulte noch ein paar Mal theatralisch auf, ehe sie mit mir dann hinaus ging in Richtung der großen Halle des Valetudinariums, wo die Kranken der Legion dann die Möglichkeit hatten, ein wenig herumzugehen – oder die Ärzte, viele Verletzte auf einmal zu behandeln, je nach dem. Im Moment war es hier aber recht leer, nur ein paar Männer bewegten sich mit Krücken vorsichtig vorwärts. Prisca war mit Miriam ungestört, die sich jetzt auch die Tränen aus dem Gesicht wischte und so unbeeindruckt dreinblickte, wie sie sich sicherlich fühlte. Sie hatte Accius Florus nie gemocht. Aber über die Toten sagte man nur Gutes oder gar nichts.
“Alles in Ordnung bei dir, mein Lämmchen?“ fragte die alte Amme Prisca und streichelte ihr mitfühlend über die Wange. Prisca zuckte etwas mit den Schultern. “Ich weiß es nicht“ antwortete sie ehrlich. Sie fühlte sich so leer und durcheinander und konnte das alles noch gar nicht richtig fassen.
Miriam betrachtete Prisca ein wenig. “Du bist ziemlich blass gerade Kind.“ Sie zögerte einen Moment und überlegte kurz. “Du hast deinen Bruder nicht berührt...“ sagte sie, und es klang wie eine Frage.
Prisca blickte auf und holte Luft, wusste aber nicht, was sie sagen sollte. Aber das musste sie auch gar nicht, denn Miriam schaute erst fragend, dann überrascht, dann blickte sie an Prisca hinunter und legte einmal ziemlich fest ihre Hand auf Priscas Bauch, woraufhin sie fast schon zu jauchzen anfing. “Oh, Lämmchen! Mein Lämmchen bekommt ein eigenes Lämmchen! Oh, dein Mann wird hoch erfreut sein! Warum hast du denn nichts gesagt?“
Auch von dieser Frage war Prisca überfordert. Sie würde gerne die Wahrheit sagen. Dass das Kind nicht von ihrem Mann war und er sich deshalb auch nicht freuen würde. Das Kind war von Tarutius Corvus, der ihr so viel versprochen hatte, sie letztendlich aber hatte sitzen lassen, wovon Prisca inzwischen überzeugt war. Wochenlang hatte er sich nicht gemeldet. Und ja, Prisca war traurig deshalb, auch wenn sie in diesen Wochen ihrem Mann so nahe gekommen war und endlich alles gut zu sein schien. “Ich weiß nicht, wie. Es gab nie die Gelegenheit...“, versuchte sie es zu erklären, brach dann aber ab und barg weinend ihr Gesicht in den Händen.
“Na, na, Lämmchen. Das ist nicht schlimm. Jetzt setzen wir dich erst einmal hin und warten auf deinen Mann, und zu passender Gelegenheit sag ich ihm dann die Neuigkeit, wenn du es nicht willst. Die alte Miriam macht das schon. Einverstanden?“
Prisca nickte einfach weinend hinter ihren schützenden Händen und ließ sich von Miriam zu einer Bank führen, wo sie dann auch auf ihren Mann wartete.
Vormund (Tutor): Aulus Carisius Primus (NSC)
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