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[Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
01-29-2024, 01:43 PM,
Beitrag #1
[Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Mittlerweile wollte es Frühling werden. Doch der Frühling war nicht wie in Italia, wenn die Knospen aufbrachen und die Menschen zum Fest der Anna Perenna ins Freie zogen, um zu feiern. Hier war der Frühling eine blassblaue Illusion. Unter Invictus Hufen knirschte noch das Eis von zugefrorenen Pfützen. Nur die Sonne wärmte bereits. Aber immer wenn wir durch den Schatten ritten, wurde es düster wie in einer Katakombe.
Meine Begleiter waren die Milites Quirinus, Gavius, Sentius und Pinarius.
Ich hatte Quirinus aufgetragen, mir die verdorbensten und ruchlosesten Männer zu bringen, die er finden konnte. Ich konnte bei dieser Exkursion niemanden brauchen, der Angst vor Toten oder vor den Göttern hatte.
Ich nahm an, dass der Mörder, den ich suchte, genauso wenig weder die Unsterblichen noch ihr Gericht fürchtete. Auch keine menschliche Gerechtigkeit.

Alle vier gehörten sie zu den ehemaligen Freiwilligen der aufgelösten Vexillation T.O.D. Der Legat Augusti hatte mir untersagt, außerhalb der Castra Männer unter meinem Befehl zu führen. Er warf mir die beiden Wachvergehen vor. Nun, die Betroffenen waren dort, wo sie hingehörten: Im tiefsten Orcus. Mamercus war erspart worden, von seinen früheren Kameraden wie ein tollwütiger Hund totgeschlagen zu werden. Der Statthalter hatte ihm am Vorabend seiner Hinrichtung ein scharfes Messer überlassen. Wie gütig.

Es war also ein privater Ausflug. Wir waren in Zivilkleidung, trugen nur unsere Militärgürtel und Waffen.

Wir ritten den Weg entlang, den wir bei der Tribunenjagd genommen hatten. Höher und höher schraubte er sich. Bald mussten wir absteigen und die Pferde hintereinander führen.
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01-29-2024, 02:58 PM,
Beitrag #2
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Irgendjemand war hier gewesen und hatte mein Opfer doch noch gefunden. Nachdem wir die Mine erfolgreich in die Luft gejagt hatten und die Römer von ihrer Einnahmequelle getrennt hatten, war ich wieder zurück zu meiner Höhle gegangen, um mich auszuruhen. Oder um dem ganzen Geheule zu entgehen, das Louarn sicher wegen Dunduvan veranstalten würde, und in das die anderen fröhlich einstimmen würden. Nein, ich brauchte das nicht. Nicht, wo unser Plan so erfolgreich war und mein Feuer so zielsicher gewütet hatte. Und Dunduvan, nun, er war dort, wo der Schatten ihn hingeführt hatte. Ich fühlte deshalb keine Reue. Er würde wiedergeboren werden, wenn die Zeit dafür reif war. Und bis dahin war es nun ein Mensch weniger, der mich in seine Bahnen lenken wollte und an Cathbad Bericht erstattete.

Cathbad… Ich fragte mich, wo der alte Mann steckte. Nicht, dass ich ihn vermisste. Überhaupt nicht. Auch er wollte mich immer in eine ihm gefällige Richtung weisen. Aber ich glaubte, nachdem er dieses eine Mal auf diesem kleinen Bauernhof gesehen hatte, zu was ich fähig war, hatte er verstanden, dass er mich nicht beherrschen konnte. Dass ich mächtiger war, als er je war und je sein würde. Und ich war mich ziemlich sicher, dass er Angst vor mir hatte und uns deshalb hatte gehen lassen.

Mit diesen und ähnlichen Gedanken war ich also durch den Wald gegangen, um meinem alten freund einen Gruß dazulassen, nur um festzustellen, dass er nicht mehr dort war. Die Römer mussten ihn letztendlich gefunden haben, denn kein Kelte hätte ihn abgenommen und den Zorn der Götter – und schlimmer: meinen – riskiert. Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand den guten Balventius vermisste und suchte, aber trotzdem ärgerte es mich. Es war so schön gelungen, ihn in den Baum zu weben, und nun, da er rausgerissen worden war, hatte das feine goldene Netz nun ein häßliches Loch. Eines, das nur durch Blut wieder zu flicken war.
Aber es fehlte mir das passende Opfer hierfür. Oh, ich hätte einfach irgendwen entführen, hierherschleifen und langsam häuten können, das wäre nicht weiter schwierig. Aber das fühlte sich nicht richtig an. Und das wusste ich schon aus leidiger Erfahrung, als ich versucht hatte, es zu erzwingen: Wenn es nicht richtig war, konnte man es auch gleich bleiben lassen, denn es brachte nicht die erhoffte Erlösung.

Auch heute streifte ich also etwas unausgeglichen in der Nähe der Lichtung herum und suchte eine Antwort auf dieses Problem, als ich Schritte und Hufschläge hörte. Ich lauschte kurz und entschied am Klang, dass es mehr als drei waren, die da kamen, aber weniger als zehn. Vielleicht hatten die Götter mich ja erhört und brachten mir nun selbst eine adäquate Lösung?

Ich zog mich ein wenig zurück und suchte meine Sachen zusammen, die ich auf einen Stein gelegt hatte. Ich war gut, aber gegen fünf oder sechs im offenen, fairen Kampf? Ich war nicht wahnsinnig. Ich packte schnell alles und zog mich etwas zurück. Kurz überlegte ich mir, mich auf einen Baum zurückzuziehen, aber das barg das Risiko, dass sie mich umstellten und mir keine Fluchtmöglichkeiten blieben. Nein, stattdessen nutzte ich meine Geländekenntnisse und ging auf einen gut bewachsenen Felsvorsprung, um das höhere Terrain für mich zu haben, und legte die Sehne auf meinem Bogen ein. Es war ein häßliches, kleines Ding für die Jagd mit häßlichen, kleinen Pfeilen. Perfekt, um damit herumzureisen.
Und so wartete ich verdeckt in den Schatten, wer da kommen würde.
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Falke
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01-31-2024, 02:11 PM,
Beitrag #3
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Wir ließen uns auf der Lichtung nieder. Ein Feuer wurde entzündet, und ich setzte mich in seine Wärme. Die anderen aßen etwas und tranken, aber ich wollte nichts. Ich schaute in das Feuer. Die Atmosphäre dieses Ortes machte mich betrunkener als es Wein hätte tun können. Mein Blut jagte schneller durch meine Adern, und wenn ich die Augen schloss, sah ich das Opfer vor mir. Direkt neben uns lag sein Grab. Doch ich hatte Männer ausgesucht, die sich aus derlei nichts machten. 
Quirinus hockte sich neben mich. Wir waren privat unterwegs, daher sprach er offener als es üblich war:
" Wäre es nicht besser, den Petilius auf herkömmliche Weise zu erledigen?", fragte er direkt: " Ich habe da gute Bekannte in Lindinis und wenn die Bezahlung hoch genug ist..."

"Er soll leiden", erwiderte ich tonlos. Mir wurde warm, und ich legte die Kaputze meines Mantels zurück. Einen Sack voller Münzen stellte ich so zu meinen Füßen hin, dass wir beide vom Feuer gut beleuchtet wurden.
"Ja, versteh ich. Echtes Arschloch. Hat unsre Truppe aufgelöst", bestätigte Quirinus. In seinen schwarzen Augen stand ein undefinierbarer Ausdruck:
" Er hat jeden Tod verdient. Mit Gift würde er auch leiden, übrigens. Ich weiß nur nicht, ob der Kerl hier, der das dem armen Burschen angetan hat, äh... ob man mit ihm sprechen kann wie mit einem normalen Mann. Das war ein dreimal verfickter Druide, möchte ich wetten. Die sind total durchgeknallt, völlig irre"
Quirinus fluchte noch mehr, als bei ihm üblich. Ich musterte ihn näher. Hatte er doch Angst? Ja, es gäbe  gewiss mehr Möglichkeiten, dass Petilius Rufus leiden würde. Was Quirinus nicht wissen konnte, war, dass ich sehen wollte, was der Mörder von der Lichtung getan hatte. Sein Werk musste Stunden gedauert haben, Stunden. 
"Es war ein Mensch, Quirinus, hörst du. Nur ein Mensch! Und ich wäre dir dankbar, wenn du dich einer anderen Sprache bemüßigen würdest"
Ich war mir sicher, dass der Mörder ab und an auf der Lichtung vorbeischaute. Vermutlich war das eine Art Opferplatz. Wenn wir jedoch nicht aufeinandertreffen würden, würde ich ihm das Geld dalassen und gehen. Nur so, als kleine Anerkennung für sein Meisterwerk.
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01-31-2024, 05:11 PM,
Beitrag #4
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Die Männer näherten sich und machten auf der Lichtung halt. Ich zählte sie von meinem sicheren Rückzugsort aus. Es waren fünf Kerle, die zu verheimlichten versuchten, wer und was sie waren. Aber ich brauchte nicht zweimal hinzusehen, um zu wissen, dass es römische Legionäre waren, allesamt. Es war, als würden sie diesen Mief nach ranzigem Leder und rostigem Metall in ihrer Aura noch mittragen und langsam in alles ausdünsten. Ich konnte es sehen, wie ihre Anwesenheit die Linien hier in Aufruhr versetzte. Die Götter hatten wohl Sinn für Humor heute.
Ich sah zu, wie sie sich niederließen und ein feuer entzündeten. Ein Feuer, hier an meinem heiligen Ort, wo sie aßen und tranken und nichts den Feen davon widmeten. Noch nicht einmal dem Toten widmeten sie etwas, neben dessen Grab sie speisten. Den sie so ruhmlos in heiligem Boden verscharrt hatten. Mein Kunstwerk.
Das Tier in mir regte sich, knurrend und missgelaunt, während ich den Kopf schief legte und lauschte, was sie redeten. Sie suchten mich. Einer von ihnen wollte, dass ich jemanden umbrachte. Petilius… der Name des Statthalters. Beinahe hätte ich gelacht, denn die Situation war absurd. Sie wollten mich dafür bezahlen, ihren Statthalter umzubringen? Als wäre ich eine einfache Mietklinge? Und dann? Ich hatte ja nichts dagegen, jemanden zu töten, den römischen Statthalter erst recht nicht, aber ich war nicht so verrückt, anzunehmen, dass der ungeschützt wäre. Sollte ich mich schön für sie umbringen lassen? Oder wollten sie es später selbst tun, um Zeugen auszuschalten? Und dann die Armee gegen das Land schicken, das ihren Statthalter getötet hatte? Nun, das letzte war mir ehrlicherweise auch ziemlich egal. Ob Römer Kelten töteten oder sie sich gegenseitig, das machte keinen Unterschied. Ich träumte auch nicht wie Dunduvan von der Befreiung des Landes, oder wie Calum vom Frieden. Ich träumte noch nicht einmal wie Cathbad von der Rache. Ich wollte einfach nur das tun, was mir Befriedigung brachte. Nicht mehr und nicht weniger.
Und gerade war das, leise einen Pfeil aus dem Köcher zu lösen und in eines der Tiegelchen an meinem Gürtel zu tauchen. Die rote Substanz klebte harzig an der Spitze und ich war vorsichtig, sie nicht zu berühren. Ich hatte viele Mittel, und dieses war eines der unangenehmeren. Aber der, der mich durchgeknallt und irre genannt hatte, hatte den Inhalt dessen verdient. Ich sah noch einmal aus den Schatten zu der Lichtung leicht unter mir. Nein, sie würden nicht rechtzeitig bei mir sein.

Ich atmete noch einmal die von ihren Ausdünstungen verpestete Lust ein, ehe ich mich leicht auf ein Knie erhob und meinen Pfeil abschoss. Ich zielte nicht einmal wirklich, ich schoss nie vorbei. Auch diesmal nicht. Ich sah den herrlichen Bogen, den der Pfeil machte, ehe er im Oberschenkel des Kerls landete, der mich beleidigt hatte. Im ersten verwirrten Moment reagierte er gar nicht, dann sprangen sie alle auf und der Typ fluchte sehr heftig wegen dem Pfeil.
Und dann begann er zu schreien, während mein Gift sich in ihm ausbreitete und auf jeden übergreifen würde, der die Pfeilspitze anfassen würde. Und ich wusste, er würde nicht aufhören, bis sein Herz aufhören würde, zu schlagen, weil er sich jede Sekunde so fühlen würde, als würde er lebendig verbrennen.
Ich hatte schon einen weiteren Pfeil gespannt, während ich auf meiner Plattform stand, um zu sehen, wie sie reagierten.Ich hatte keine Zweifel, sie alle ausschalten zu können. Das bewies ich auch, als einer in meine Richtung kam. Der bekam meinen Pfeil durch den Hals, wo keine verborgene Rüstung ihn schützte, während schon der dritte auf meiner Sehne lag.
“Ich kann es wirklich nicht leiden, wenn mich jemand irre nennt“, meinte ich nur, als wäre es völlig normal, einen kleinen Plausch zu halten, während ein Kerl sich vor Schmerzen am Boden wand und ein anderer an seinem Blut erstickte.
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Falke
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02-02-2024, 10:45 PM,
Beitrag #5
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Der Pfeil traf Quirinus in den Oberschenkel. Er wurde wie aus dem Nichts abgeschossen, und er traf ihn wie ein tödliches Insekt. Ich wusste nicht, mit welcher Teufelei man ihn imprägniert hatte, aber der Kamerad fiel an zu schreien, die Augen traten ihm aus den Höhlen und eine mächtige Ader pulsierte auf seiner Stirn.
Der zweite war Gavius. Es ging ganz schnell. Ein sauberer Schuss durch den Hals. Ihm war nicht mehr zu helfen.
Sentius und Pinarius reagierten. Sie sprangen in die Mitte unserer Pferde, zerrten sie an den Zügeln und zwangen sie, ihnen Deckung zu geben. "Komm mit, Tribun", hatte Sentius noch gerufen und mir helfen wollen. Ich aber hatte seine Hand abgeschüttelt.
"Zieh ihn raus, zieh ihn raus!", flehte Quirinus mich an und deutete auf den Pfeil, der ihm im Oberschenkel steckte. Wie ein Rasender gebärdete er sich. Ich ließ die Finger davon. In meinem ersten Jahr war ich in Flavia Neapolis in Syria als Kohortenführer stationiert gewesen. Die Einwohner der neu gegründeten Stadt besaßen alle Laster und keine der Tugenden der Orientalen. Ich erkannte Gift, wenn ich ihm begegnete, durchaus.

Meine Kameraden, die hinter den Pferdeleibern Schutz gesucht haben, riefen mir halblaut zu: "Hier ist Deckung, komm! Rette dein Leben Tribun Ovidius!"
Auch sie spannten nun ihre Bögen. 
Aber ich gab ihnen das unmissverständliche Handzeichen, dass ich nicht wünschte, dass sie schossen. 

Ich kam nicht zu ihnen, und ich suchte keine Deckung, obwohl ich mir fast sicher war, dass ein dritter Pfeil nicht fehlen würde. 
Ein Römer gewann am Ende nicht, weil er schneller lief oder härter kämpfte als seine Feinde. Er gewann durch die Überlegenheit des lateinischen Geistes, der klar und strahlend wie ein Licht über der Welt aufgegangen  war.

Ich stand ganz still und aufrecht da. Stille im Körper, Stille im Gemüt. Der Gedanke, dass es gleich mit mir zu Ende sein könnte, erschreckte mich nicht. 
Nur das Wimmern des sich auf dem Boden wälzenden Quirinus störte die andachtsvolle Ruhe. 
Ich hätte ihn gerne von seinen Qualen erlöst, doch es gab zu viele Zeugen, und der Mann war ein Kamerad. Man mochte mir das später übel nehmen. 

Der Mörder war hier. Er war es, der Menschen in Bäume aufhängte wie grausige Dekorationen. Ich verstand die Schönheit, die er aus Fleisch und Blut schuf, mit allen Fasern meines Seins.
 - Gib mir die Möglichkeiten der Macht, und wir werden noch großartigere Kunstwerke schaffen, mein Freund - 

"Salve! ", rief ich und hob beide Hände in Brusthöhe. Mein Gladius hing auf der linken Seite, da ich keinen Schild mitführte, aber ich hatte nicht vor, mich mit dem Mörder zu duellieren:

"Lass bitte ab von meinen Männern, Fremder! Ich bin nicht gekommen, um Krieg zu führen! Zeige dich!"

- Würde der Mörder den Mut besitzen, herauszukommen? Oder würde ein dritter Pfeil meinem eigenen  Leben ein Ende setzen?- 

Die ewige Nacht, die auf der anderen Seite wartete. Ich merkte wie sich meine Lippen zu einem Lächeln verzogen, denn meine Narbe spannte wieder einmal.
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02-03-2024, 02:32 PM,
Beitrag #6
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Die Römer waren lustig. Als ob mich ein paar Pferde abhalten könnten. Oh, ich meine, es gab Männer, die Pferde nicht töteten und sie im Zweifelsfall sogar eher freiließen, als sie nicht versorgen zu können. Aber ich gehörte da nicht dazu. Wenn sie im Weg waren, was sollte da die falsche Zurückhaltung? Weshalb? Weil sie so teuer waren?
Aber ich ließ ihnen ihren Spaß, wie sie sich zwischen ihnen versteckten, und kramte ein wenig in meinen Beuteln. Irgendwo musste ich doch noch etwas Ledon haben? Das wäre sicher lustig. Die Pferde würden durchdrehen und die Kerle zu Tode trampeln in ihrer Panik und so würde das, was sie schützen sollte, zu ihrem Urteil werden.

Nur einer der Kerle blieb stehen, war aber offensichtlich blind, da er mich nicht entdeckt hatte. So waren Römer immer: Blind für die Dinge, die eigentlich direkt vor ihnen waren. Oder gut, acht Fuß schräg über ihnen, aber dennoch. Stattdessen wollte er mit mir reden und meinte, er wolle keinen Krieg führen. Was lustig war, denn die Römer taten nichts anderes, seit der erste seinen Fuß auf dieses Land gesetzt hatte. Nicht, dass es mir etwas ausmachte, aber es war einfach eine so offensichtliche Lüge.
“Ich führe keinen Krieg gegen deine Männer. Es gibt keinen Krieg zwischen Ameise und Stiefel“, meinte ich amüsiert und hatte inzwischen das Gesuchte gefunden.
Ich band das Säckchen in aller Seelenruhe an einen Pfeil und schaute noch einmal nach unten. Ob die blinden Römer inzwischen mal auf die Idee gekommen waren, hochzuschauen und mich zu entdecken? Zumindest sah ich runter zu dem blonden Kerl, und ich erkannte ihn. Naja, nicht wirklich, ich hatte ihn nie gesehen. Trotzdem.
“Ich weiß, wer du bist“, meinte ich und legte den Kopf schief. Das war der Mann, der den Medicus gefoltert hatte und den Louarn erwischt hatte. Ich sah die Narbe in seinem Gesicht und erkannte darin Louarns Axt. Die Frage war nur, was er hier wollte, von mir? Ich glaubte nicht, dass es etwas mit dem Medicus zu tun hatte. Wobei es nicht auszuschließen war, dass er den Kerl nochmal geschnappt hatte und ihm den Namen des Heilers herausgepresst hatte. Aber wieso sollte er dann hier auflaufen? Der Medicus wusste nichts von mir, und Louarn war zu dumm, um mich zu verraten. Der würde sich bei Folter selbst die Zunge abbeißen, um nichts zu sagen. “Was machst du hier?“
Ich wartete mal noch einen Moment mit dem Ledon, achtete aber darauf, was die zwei Idioten mit ihren Bögen machten. Sollte einer von denen auf die Idee kommen, in meine Richtung zu zielen, würde ich schießen. Für das Ledon musste ich niemanden treffen, die grobe Richtung reichte dafür schon.
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Falke
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02-07-2024, 12:59 PM,
Beitrag #7
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Der Mörder sprach Latein wie ein Römer. Mir leuchtete das ein. Ein Meister des Todes konnte kein Barbar sein. Die Kelten waren grausam, doch es fehlte ihnen der böse Witz, das Quäntchen sophisticated. Ich verzog den Mund zu einem breiten Grinsen. Das mit der Ameise war lustig. Die Männer hinter den Pferden verhielten sich still. Sie gingen davon aus, dass ich mit dem Mörder verhandeln würde. Ich hatte Gold dabei, und mit Gold stopfte man fast jedes Maul, auch ihres. Was sie nicht wussten? Sie waren mir ganz gleich. Sie waren römische Bürger, gewiss. Aber sie dachten niedrig: Saufen, Sesterze und Huren. Sie dachten nicht an Größe wie ich.

Doch dann sagte mein immer noch unsichtbares Gegenüber: "Ich weiß, wer du bist"

Der Mörder wusste, wer ich war! Er hatte von Ovidius und der glorreichen Vexillation T.O.D. vernommen. Vielleicht dachte er wenigstens wie ich, nämlich dass ein Drecksloch wie diese barbarische Provinz nur mit Feuer und Schwert gereinigt werden konnte. Dass man bis zu den Knien in Blut waten musste, damit die Kanaille endlich verstand. Der letzte Kaiser Roms, der diese alles verzehrende Flamme der Purifikation in sich gespürt hatte, war der so missverstandene Gaius Caesar Caligula gewesen. Danach keiner mehr.

Der Gedanke, dass der Mörder, der seine Opfer in Bäume hing, nun auch meine Schritte verfolgt hatte wie ich die seinen, hatte etwas unbestreitbar Erotisches. Ich merkte das durch den scharfen Schmerz, der mich durchzuckte. Ach ja, Eros war mir ja verwehrt.

"Du hast also von mir gehört?", erwiderte ich zwischen Schmerz und einer gewissen Genugtuung:
"Und ich habe gesehen, was du angerichtet hast mit diesem Burschen, der hier begraben liegt. Kelte oder Römer? Nun ganz gleich, wir haben ihn beerdigt. Wir Römer führen keinen Krieg gegen Tote. Saubere Leistung" , ich nickte anerkennend:
"Ich habe einen Feind. Ich würde mir wünschen, dabei zu sein, wenn du mit ihm machst, was du mit dem letzten hier gemacht hast. Es soll dein Schaden nicht sein. Ich habe genug Gold erbeutet, um dich zu belohnen. Und ich würde den Mann in deine Fänge locken lassen.  Zeige dich mir, damit wir verhandeln können"

Nun leckte ich mir über die Lippen:
"Wie lange bleiben sie eigentlich während ... deines Rituals bei Bewusstsein?", wollte ich dann wissen und meine Augen glänzten.
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02-07-2024, 04:08 PM,
Beitrag #8
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Der Mann grinste, wie ein Welpe, dem man für seine Kunststückchen ein Stück Wurst zugeworfen hatte. Ja, genau das war er, ein Welpe. Seine bisherigen Handlungen hatten mich das schon vermuten lassen, aber die Reaktion jetzt bestätigte es mir endgültig. Er wusste noch so wenig von den Dingen, die diese Welt zusammenhielten. So wenig von der Dunkelheit und den Dingen, die darin wohnten. So wenig von der Essenz der Menschen. Nicht auf naive Art, oh nein. Da war er anders als diese Männer, die sich hinter ihren Pferden versteckten. Er begrüßte die Dunkelheit und leugnete sie nicht. Nur wusste er nichts von ihr.

Er fragte nach dem Opfer. “Nein, ich habe nicht von dir gehört. Aber ich habe gesehen, was du zu tun versucht hast. Der Rücken des Medicus war interessant“, ließ ich ihn wissen, woher ich wusste, wer er war. Und studierte seine Reaktion auf das gesagte.
Er wollte auch wissen, wer das Opfer war, das sie frecherweise aus dem Geflecht der Welt herausgetrennt und beerdigt hatten. Wussten sie es nicht? Ich lachte. “Und ich dachte, das hättet ihr inzwischen herausgefunden. Vermisst denn Balventius Varo seinen Bruder gar nicht?“ fragte ich spottend und hörte an, was er wollte. Mich kaufen. Und zusehen, wie ich seinen Feind grausam tötete. Ich lachte, denn das war absurd. Warum sollte ich das tun? Für Gold? Ich hatte auch bei Balventius Scapula kein Gold gebraucht. Ich hatte bei der Mine kein Gold gebraucht. Wofür sollte ich jetzt Gold brauchen? Wenn ich welches brauchte, dann holte ich es mir. Dafür brauchte ich niemanden, der es mir im Austausch für etwas anderes gab.

Nur die letzte Frage ließ mich kurz aufhorchen. “Oh, du bist wirklich ein Welpe, weißt du das? So eifrig, so neugierig. So… unwissend.“ Ich meinte das nicht böse und änderte meine Pläne. Den Pfeil mit dem Ledon legte ich ab und nahm neue Pfeile zur Hand, die ich in das schwarze, ölige Gemisch tauchte, das ich benutzte, um Menschen zu betäuben. Nicht meine neue Erfindung, sondern das bewährte Mittel, das ich ausgiebigst erforscht hatte. Nur etwas angepasst hatte ich es. Geringfügig.
“Aber wenn du das wissen willst, zeige ich es dir“, sagte ich und ließ meine Pfeile fliegen. Der erste traf den einen Mann hinter den Pferden. Der zweite streifte den zweiten – und blieb in einem Pferd stecken, das panisch loslief und dann zusammenbrach.
Für den dritten ließ ich mit beim Zielen zeit. So viel fühlte ich mich schuldig dem Welpen gegenüber, dass ich ihm keine weitere Narbe verpasste. Der Pfeil flog und streifte nur so gerade eben die Haut an seinem arm. Kaum mehr als ein Kratzer. Aber das genügte, dass auch er zu Boden gehen würde.
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Falke
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02-10-2024, 05:26 PM,
Beitrag #9
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Immer noch nicht zeigte der Fremde sein Gesicht.

"Ich habe nichts anderes gewollt, als einen Freigelassenen, der unverschämt wurde, zur Raison zu bringen!", erwiderte ich. 
Denn was sonst sollte ich versucht haben? Ich verabscheute Sklaven, Freigelassene und Barbaren gleichermaßen. 
Es ging mir nicht darum, mit einem scharfen kleinen Operationsmesser in helle Haut zu schneiden, o nein, nicht darum, mit eigenen Augen zu sehen, wie sich rote Linien ins menschliches Fleisch eingruben? Es war mir auch nicht darum gegangen, die Tränen der Hetäre zu sehen, die ich aus keinem anderen Grund, als dass sie schön war und niemandem etwas getan hatte, quälte?
Ich pflegte meine Sklaven zu töten, in dem ich sie zu meinem Pferd Invictus sperrte, damit er sie mit scharfen Hufen tot trampelte. Aber auch da ging es mir um das gerechte Urteil, nicht etwa darum, einen menschlichen Leib  unter Hufen möglichst langsam zerfetzen zu lassen.
Und bei dem Anblick des Opfers in den Bäumen, hatte ich da nicht etwa gleich daran gedacht, dieses Schicksal meinem Feind Petilius Rufus zu bereiten? Aber doch nicht aus purer Lust aus Grausamkeit, sondern weil er, während sein Fleisch als lebendiges Band dienen würde, endlich seinen Hochmut ablegen würde, den er mir gegenüber bewiesen hatte. Was glaubte dieser Petilius, wer er war?
Ich hatte vom Verstand geleitete Gründe für alle meine Taten. Ich war das Licht in der Dunkelheit.

"Ritter Balventius Varro ist nach dem Verschwinden seines Bruders nach Rom zurückgekehrt, so viel mir bekannt ist. Herius Marcius Galeo hat die Minenpacht übernommen. Nein, es war beim besten Willen nicht mehr zu erkennen, ob das, was du übrig gelassen hast, einmal ein  Römer oder ein Kelte gewesen ist", erwiderte ich:
"Du würdest verstehen, wenn du Römer wärst, dass gestorben werden muss. Es ist eine harte Pflicht", ich reckte mein Kinn.

Wie immer wenn man sich mit Dreck umgab, wurden die Hände schmutzig. Ab und zu hatte es Nachteile, an die niedrigsten Instinkte zu appellieren. Denn genau das bekam man: Männer, die es nicht wert waren, römische Bürger zu heißen. 
Pinarius und Sentius wollten feige fliehen. Anders konnte ich es nicht nennen. Sie ließen ihren Tribun in Stich. Sie würden vielleicht sogar behaupten, dass ich in einem Hinterhalt getötet worden war. Das gab eine Auszeichnung nachträglich, wenn auch nichts Großes, denn das hier war keine Schlacht.

Der Mörder erledigte beide. Das hieß, Sentius wurde nur gestreift, aber ich wusste ja, dass seine Pfeile mit Gift imprägniert waren. Der erste Miles klappte genauso zusammen wie der zweite. Und weißt du was, Nachwelt? Ich weinte den Untreuen keine Träne nach.

"Unwissend nennst du mich? Einen Welpen? Du verstehst dich auf das Töten, aber von Politik verstehst du nichts. Lass uns lieber über das, was du wirklich verstehst, verhandeln. Zeige dich endlich - bitte", sprach ich.

Nach dem dritten Teil meines Militärdienstes, von dem ich immer noch hoffte, dass er mich in die Provinz Aegyptus führen würde, würde ich nach Rom zurückkehren. Vielleicht bereits mit einer Armee gegen Titus. Vespasian machte es nicht mehr so lange, der Kaiser wurde alt.   
Mein Gegenüber, den Meister des Todes, würde ich überzeugen, an meiner Seite zu bleiben. 
Später konnte er sich köstliche, raffinierte Sachen ausdenken, um meine Feinde zu bestrafen. Ich würde ihn behandeln wie einen peregrinen Fürsten. Ich würde ihm aus allen Teilen des Imperiums beschaffen, was er wünschte.  Die Macht würde uns beiden Gelegenheit geben, wie Unterweltgötter unter den Menschen zu wüten. Warum sich auf Iscalis beschränken, wenn wir ein ganzes Imperium haben könnten? Aber zuerst musste ich den Mörder besser kennen.

Der Mörder war jedoch ein Mann der Tat. Ein Pfeil streifte meinen Arm, unterhalb der Rüstung. Ich war nicht in Deckung gegangen, noch hatte ich versucht, wegzulaufen. Um den Meister zu überzeugen, musste ich ganz und wahrhaftig sein. Ich durfte keine Furcht haben. 
Ich wusste, dass das gerade ein Streifschuss genügte, ich hatte die Wirkung des Giftes gesehen. Es kam ehrlich gesagt nicht einmal überraschend.

Ich konnte nicht anders, als anfangen, leise zu lachen. Ovidius Decula, geboren zu Rom, gestorben zu Iscalis. Der war gut, oder? Ich hätte die Omen beachten sollen. Die Dunkelheit war stärker als das Licht.

Und ja, das war ich jetzt vermutlich: tot.
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02-11-2024, 12:37 PM,
Beitrag #10
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Verleugnung? Ich legte den Kopf leicht schief, während er sich rechtfertigte. War das nun das, was er wirklich von sich dachte, oder war es das, von dem er glaubte, ich wollte es hören? Schwierig zu beurteilen, aber ich hoffte auf letzteres. Andernfalls wäre er auch nur einer von den Menschen, die die Chance zur Freiheit hätten, sich aber liegen in eigene Ketten legten.
Aber es war auch gleich, ich hatte meine Entscheidung gefällt und sah zu, wie die drei Männer zu Boden gingen, auch der Tribun. Gemütlich machte ich mich an den Abstieg von meinem Felsen und schlenderte über den Boden. Ich schaute nach meinem Freund, der zur Seite gefallen war und etwas verdreht lag. Ich wusste, wenn cih ihn so liegen lassen würde, würde er sterben. Wenn ihn nicht die Tiere holten, dann würde mein Gift langsam aber sicher seinen Herzschlag so weit verlangsamen, dass er einfach starb, noch ehe er die Chance hatte, zu verdursten. Mein neues Mittel war da besser, da hatte ich diesen Effekt ausschließen können. Aber es war instabiler und nicht so einfach umzukehren wie dieses hier. Und in diesem einen Fall wollte ich es umkehren.
“Na, na, mein Freund. Nicht schon aufgeben“, sagte ich und zerrte ihn in eine halb sitzende Position. Ich blieb außerhalb seiner Sicht, da ich keine Lust hatte, mich doch um ihn kümmern zu müssen, wenn er mich wirklich sah, und kramte in meinen Sachen nach dem Gegenmittel. Ich holte die nötigen Kräuter zusammen und lehnte ihn leicht nach vorne wie eine zu große Puppe, so dass er sitzen blieb, während ich zu den übrigen Pferden der Römer hinüber ging und seelenruhig in den Satteltaschen kramte. Jetzt hatte ich Zeit. Eines der Pferde wollte nach mir treten und mich beißen, zumindest solange, bis ich schnell meine Hand auf seine Schnauze gelegt hatte und ihm lange schweigend in die Augen blickte. Pferde waren da einfacher zu bezaubern als Menschen. Die zurückgelegten Ohren zuckten erst, dann entspannten sie sich. Dann entspannte das Tier mit einem lauten Wiehern, das den ganzen Körper durchschüttelte, und schließlich war es ruhig und ließ mich machen.

Ich suchte also nach einem Becher und einer Trinkflasche mit diesem ekligen Essigwasser, das die Römer tranken, und mischte das Gegenmittel an. Ich ging wieder zurück zu meinem freund und richtete ihn leicht auf, in seinem Rücken stehend, und führte den Becher an seine Lippen. “Wenn du Leben willst, solltest du das schlucken“, sagte ich und nach einer Pause, da er keine Anstalten machte, mitzuhelfen, fügte ich noch an: “Wenn ich dich hätte töten wollen, gäbe es weit spaßigere Wege als durch Gift.“
Ich wartete, bis ich ihn schlucken sah und er genug des Mittels eingenommen hatte, ehe ich ihn zum nächsten, geeigneten Baum zog und dort anlehnte. Ich wusste, dass das Gegenmittel seine Sicht etwas verschwommen machte. Es wirkte nur langsam und ließ mir sehr viel Zeit, all das zu tun, was ich wollte. Und ich musste mir keine Sorgen mehr machen, dass er mein Gesicht hinterher wiedererkennen würde, denn außer vielleicht meiner Haarfarbe und der Tatsache, dass ich einen kleinen Bart hatte, würde er sehr wenig erinnern.
Also lehnte ich seinen Kopf zurück und ließ ihn mich anschauen. Ich legte den Kopf schief und grinste leicht. “Streng dich nicht zu sehr an. Je mehr du kämpfst, umso langsamer wirkt das Gegengift. Hat etwas mit deiner Herzrate und dem Blut zu tun. Also entspanne dich und versuch nicht zu kämpfen. In ein paar Augenblicken solltest du zumindest deine Zunge wieder fühlen und reden können. Naja… langsam und leise.“

Ich ging kichernd von ihm weg und besah mir jetzt die anderen Opfer meiner Kunst. Das Pferd lag etwas abseits, zu dem ging ich als erstes und schnitt ihm schnell und sauber die Kehle durch. Ich hatte nichts gegen Pferde, also sah ich keinen Sinn darin, es länger als nötig leiden zu lassen. Und bei ihm die Prozedur umzukehren würde zu lange dauern, zumal es sich beim Fallen die Beine ziemlich ungünstig verdreht hatte.
Dann ging ich zu den beiden Soldaten. Den einen hatte ich tief in die schulter getroffen, den anderen nur leicht angekratzt. Der wäre besser geeignet.
Ich wuchtete trotzdem erst den mit Pfeil in der Schulter etwas hoch und schnitt seine Tunika vom Körper und friemelte dann an der darunter befindlichen Schutzausrüstung, um sie abzunehmen. Die Augen des Kerls waren schmerzhaft verzerrt dabei und er wimmerte kaum hörbar.
“Du meintest vorhin, dass ich verstehen würde, dass gestorben werden muss, wenn ich Römer wäre. Nun… ich verstehe es. Ich verstehe es sehr viel besser als du, mein Freund. Aber du verstehst es nicht. Noch nicht. Naja, glaube ich.“
Ich war soweit fertig und zerrte jetzt den einen Legionär – ich war mir sicher, dass es einer war, wenngleich er sich verkleidet hatte – so, dass der Tribun seinen Mann sehen konnte und lehnte auch diesen mit dem Rücken an einen Baum, damit er nicht umfiel. “Warum müsst ihr Kerle immer so schwer sein?“ Das war einer der Gründe, warum ich Frauen bevorzugte. Naja, nicht der entscheidende, aber trotzdem. Meistens tötete ich Männer eher schnell.
Ich seufzte, als ich ihn endlich so weit hatte, und drehte mich zu meinem Freund um. Leicht legte ich den Kopf schief und grinste. Vielleicht konnte er schon antworten. Vielleicht auch nicht. “Du hast bei dem Medicus so viele Fehler begangen. Deine Schnitte waren schlampig und voller Ungeduld. Du wolltest zum Ende kommen und die Macht fühlen, aber der Weg dahin war dir zu lang und beschwerlich. Du hast so geschnitten...“
Ich zückte eines meiner nicht-präparierten Messer und fing an, seine Arbeit großzügig zu wiederholen, um ihm zu zeigen, dass ich verstanden hatte, was er getan hatte. Und auch, um seine Reaktion zu sehen, ob es für ihn einen Unterschied machte, ob er den Mann kannte, vielleicht sogar mochte, oder nicht. “Aber siehst du, wie viel Blut dabei fließt. Wie tief die Schnitte sind? Wie lang hat der dürre Bursche das durchgehalten, ehe er zum ersten Mal ohnmächtig wurde? Hast du danach gewartet, bis er wieder aufgewacht ist, oder konntest du auch dann nicht stoppen?“ Ja, ich wollte ihn kennen lernen, verstehen, was er tat und ob er so war, wie ich, oder doch nur einer von den normalen Menschen.
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Falke
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