07-08-2023, 01:55 PM,
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Die Amtsübernahme des Statthalters Lucius Petilius Rufus
Lucius Petilius Rufus stand am höchsten Punkt des Decks der Liburne der Classis Britannica und blickte auf seine Provinz.
Vor einigen Wochen schon war er von Rom aus aufgebrochen, erst mit der Classis von Ostia westlich zwischen Corsica und Sardinia hindurcht, mit einem kurzen Zwischenstopp in Gallicum Fretum auf Corsica, um neues Wasser aufzunehmen und sich nach drei Tagen etwas die Beine zu vertreten. Dann weiter nordwestlich bis Narbo, wo sie an Tag sieben angekommen waren. Von dort aus ging es über Land, immer in nördliche Richtung. Erst nach Tolosa in Gallia Narborensis, dann mit der Flussflotte die Garunna hinauf, über Arginnium bis Burdigala in Aquitania.
Hier nahmen sie dann mehrere Schiffe der Classis Britannica in Empfang, die die letzte Strecke überwältigen sollten. Erst zur Civitas Namnetum, die früher auch Condevicum genannt wurde, am nördlichsten Ende Aquitaniens. Ab dort ging es wieder östlich, erst einmal nach Iuliobona in Gallia Lugdunensis und schließlich zum Flottenstützpunkt der Classis Britannica nach Portus Itius in Belgicae. Hier konnte sich der gesamte Zug des neuen Statthalters von Britannia erst einmal eine Woche ausruhen und wieder zu Kräften kommen, denn neben dem Statthalter reiste natürlich auch ein umfangreiches Gefolge bestehend aus seiner Ehefrau und nicht weniger als siebzig Sklaven, nebst einigen Rittern und deren Sklaven und den Söhnen des ein oder anderen Senators nebst deren Sklaven, wie das eben immer so war, wenn ein neuer Statthalter eingesetzt wurde. Die jungen Leute witterten ihre Chance im Umfeld eines großen Mannes, so dass die Entsendung eines Statthalters der Entsendung einer kleineren Stadt gleichkam.
Schließlich aber kam der letzte Teil der Reise, die Überquerung des Oceanus Britannicus von Portus Itius aus, vorbei an der Landspitze im Südlichen Britannia mit der Stadt Rutupiae mit der beeindruckenden Festung, und dann hinein in die Ausläufe des Flumen Tamesis.
Die Ruderschläge der Besatzung waren gleichmäßig und präzise, während sich die Liburne ihren Weg gegen die Strömung ankämpfte und schließlich Londinium in Sicht kam. Die Stadt war bunt geschmückt, wie es sich für den Empfang eines neuen Statthalters auch gehörte, und die gesamte Uferpromenade war von Schaulustigen gesäumt. Schon als die ersten, kleineren Schiffe der Vorhut an ihnen vorbeifuhren, brach die Menge in Jubel aus, noch ehe die große und schwere Liburne mit Rufus an Deck an ihnen vorbeifuhr. Er selbst trug volles Staatsornat, wie es sich für einen Amtsantritt gehörte, mit leuchtender Toga und den dicken, dunkelroten Streifen. Als Legatus Augusti pro Praetore hatte er kein eigenes Imperium, so dass er folglich nicht zum Imperator ausgerufen werden konnte und folgerichtig auch kein Paludamentum, aber es war wohl dennoch eindeutig, dass er der neue Statthalter dieser Provinz sein musste. In einer Grußgeste hob er seinen rechten Arm, während das Schiff an den wartenden vorbeifuhr, den Blick nach vorne gerichtet.
Die Stadt Londinium selbst war noch immer im Aufbau begriffen, selbst zwanzig Jahre nach dem Icener-Aufstand. Am nordwestlichen Ende thronte das Castellum zum Schutz der Stadt, in dem ein Teil der Legio XX Valeria Victrix stationiert war. Man hatte aus den Fehlern des Aufstandes gelernt und nun eine Schutzeinheit der Stadt dort eingerichtet, während der Großteil in Viroconium weiter nordwestlich stationiert war. Eine Brücke war gebaut worden, die die Stadt am Nordufer mit der Siedlung am Südufer verband und schnellen Transport von Waren erlaubte, deren Klappmechanismus in der Mitte aber auch eine Durchfahrt von Schiffen erlaubte, wenn er mittels Ochsengespannen wie jetzt hochgezogen wurde, so dass die Liburne ungehindert passieren konnte. Der Handelshafen der Stadt war östlich dieser Brücke, aber dorthin steuerten die Schiffe nicht. Ihr Ziel lag im westlichen Teil, wo der neue Statthalterpalast noch immer im Bau war. Dieser verfügte über eine eigene Anlegestelle direkt an der Tamesis, die mit Treppen zum eigentlichen Palast hinaufführte. Dorthin steuerte also das Schiff und zog höchst eindrucksvoll die Ruder schon zuvor ein, so dass das Schiff ganz sanft an seinen Anlegeplatz trieb.
Seile wurden hin und her geworfen und eine Planke donnerte herunter. Das Schiff hatte angelegt. Rufus sah sich kurz nach seinem Schreiber um, der ihm wie ein Schatten folgte.
“Claudius ist bereit für uns und die Übergabe?“ fragte er noch ein letztes Mal, da er keine unliebsamen Überraschungen wollte. Sein Schreiber nickte. “Er wurde vor zwei Wochen über deine Ankunft informiert und hat auch Botschaft nach Itius geschickt, dass alles bereit ist.“
Rufus nickte noch einmal, straffte ein letztes Mal die Schultern und begab sich dann schließlich von Bord, um seinen ersten Fuß in seine neue Provinz zu setzen.
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07-11-2023, 03:01 PM,
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RE: Die Amtsübernahme des Statthalters Lucius Petilius Rufus
Lucius Petilius Rufus stieg die Treppe vom Anlegeplatz nach oben.
Ihm folgte ein kleines Heer an Gefolgsleuten, Angehörigen der Classis Britannia und nicht zuletzt Sklaven und Schreibern, die die Amtsübergabe protokollieren und bezeugen sollten, in gebührendem Abstand. Leider gab es keine elegantere Möglichkeit, nach oben zu gelangen, denn die Anlegestelle war natürlich an der Wasserkante unten und der Hof, den der Statthalterpalast umschloss, einige römische Doppelschritte höher gelegen, um bei Hochwasser nicht sofort überflutet zu werden. Aber Rufus sah sich selbst als sportlich im Rahmen seines Alters an und stieg ohne Beschwerden die Treppenstufen nach oben. Dort eröffnete sich ihm ein Blick auf einen weiß gepflasterten Hof, der auch als Forum getaugt hätte, durchbrochen von einigen Pflanzungen und schön angelegten Gartenanlagen nebst höchst sehenswerten Springbrunnen. Die Architekten der Anlage hatten wahrlich ganze Arbeit geleistet.
Auf dem geraden Mittelweg zwischen all diesen Herrlichkeiten wartete auch das Empfangskomitee. Vorne stand Caius Claudius Crus in eine feine Toga gehüllt, die Schriftrolle, die ihm die Statthalterschaft einst gegeben hatte, in der rechten Hand, umringt von seinen engsten Vertrauten und Gefolgsleuten.
Dieser Augenblick war immer etwas diffizil, wenn auch durch reichlich Routine erprobt, denn natürlich könnte ein Statthalter sich auch weigern, den Befehl über eine Provinz abzugeben. Nicht erst eine Revolte war so ausgelöst worden. Zuletzt bestimmten die Legionen über ihren Kaiser, wie Flavius Vespasianus der ganzen Welt selbst vor Augen geführt hatte.
Rufus wartete, bis sich sein Gefolge ebenso hinter ihm versammelt hatte und ließ sich von einem jungen Ritter die Urkunde des Kaisers überreichen, die er sichtbar aufrollte.
“Auf Befehl des Imperator Caesar Vespasianus Augustus, Pontifex Maximus, im neunten Jahr seiner Tribuniciae potestatis, Pater Patriae, betrete ich, Lucius Petilius Rufus, die Provinz Britannia, um als sein Legatus Augusti pro Praetore diese Provinz in seinem Namen und zu seiner Ehre zu führen.“
Claudius Crus wartete einen gemessenen Augenblick und schlug dann seine Schriftrolle symbolisch nieder, um sie einem der Männer an seiner Seite zu überreichen.
“Im Namen des Imperator Caesar Vespasianus Augustus, Pontifex Maximus, im neunten Jahr seiner Tribuniciae potestatis, Pater Patriae, übergebe ich, Caius Claudius Crus, dir die Provinz Britannia, damit du sie in seinem Namen und zu seiner Ehre führen mögest.“
Rufus wartete auch einen angemessenen Augenblick, ehe er sich ein erleichtertes kleines Lachen erlaubte. Die Anspannung fiel allerorts von den anwesenden Männern, die Amtsübergabe war damit vollzogen.
“Claudius, welch Freude, dich zu sehen. Nun, ich hoffe, ich darf dich zum Abendessen heute noch einladen?“ entspann sich daraufhin ein weniger formelles Geplänkel zwischen den Männern, die nun erst einmal Höflichkeiten und Neuigkeiten austauschten, während sie langsam nach drinnen gingen.
Die Räumlichkeiten selber waren noch bei weitem nicht fertig abgeschlossen, überall bemerkte man den Status der frischen Baustelle, was sicher noch ein Jahr so weitergehen würde. Auch wenn natürlich Claudius Crus alles bereitgestellt und organisiert hatte, war Rufus als neuer Herr im Haus dann der Gastgeber des kommenden Gastmahles am Abend, bis zu welchem die beiden Männer noch vieles besprachen. Insbesondere nicht die Baustelle hier in Londinium, sondern die sprichwörtlichen Baustellen, die die Provinz vorzuweisen hatte, die Lage bei den keltischen Stämmen und bei den hier stationierten Legionen, die Beschaffung der Nahrungsmittel, der Handel der Insel und all jene Verwaltungsaufgaben, die nun in den Bereich des neuen Statthalters fallen würden.
Während Rufus in den nächsten Tagen nach und nach einzog und seine Möbel von den Sklaven in die diversen Räume gebracht wurden, er ein Staatsopfer in Londinium hinter sich gebracht hatte und Gerichtstermine für die kommende Woche festlegte, zog der Claudier mit seinem Gefolge nach und nach aus. Erst nach zwei Wochen war die Provinz dann wirklich ganz und gar in Rufus’ Händen.
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07-14-2023, 01:36 PM,
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RE: Die Amtsübernahme des Statthalters Lucius Petilius Rufus
Lucius Petilius Rufus saß auf seinem curulischen Stuhl.
Er hatte mehrere davon, einmal in der großen Basilica des neuen Forums, das gerade erbaut wurde, wo er die öffentlichen Gerichtsprozesse durchzuführen gedachte. Dann ebenfalls einen in dem großen Empfangssaal im Praetorium, wenn er in seiner Eigenschaft als Statthalter Gesandte und Bittsteller empfing. Doch der, auf dem er gerade saß, stand in einem einfachen, recht unprätentiösen Raum nahe seiner Privatwohnung im Praetorium, den er als Officium nutzte.
Um ihn versammelt war eine halbe Legion an Schreibern und Sklaven, die versuchten, beim Schriftverkehr nicht den Überblick zu verlieren. Angesichts der Fülle an Schreiben, die jeden Tag eintrafen zu den unterschiedlichsten Dingen, war dies eine größere Aufgabe, als der gemeine Römer annehmen mochte. Wenngleich die meisten Schreiben gar nicht von Rufus selbst beantwortet oder auch nur angesehen wurden, handelte es sich doch häufig genug um einfache Anfragen, für die er schon recht früh eine Handlungsmaxime herausgegeben hatte.
“Sind inzwischen alle Städte über meine Ankunft informiert worden?“ fragte er niemanden bestimmten. Der Zuständige meldete sich üblicherweise von selbst.
“Noch nicht ganz. Wir gehen von West nach Ost vor. Die Städte ganz im Osten fehlen noch“, meldete sich dann auch gleich ein Schreiber.
“Ich möchte, dass dies in den nächsten zwei Tagen abgeschlossen ist. Informiert die Städte auch gleich über meine Reisepläne, damit sie sich vorbereiten können, ehe ich eintreffe.“
Als Legatus Augusti Pro Praetore hatte man nur eine sehr begrenzte Zeit, alle dinge der Provinz zu regeln. In den meisten Provinzen war dieses Amt auf ein Jahr begrenzt. In als schwierig geltenden Provinzen oder neuen Provinzen hatten die Statthalter auch zwei oder drei Jahre. Außer, es lief schlecht, dann ging es üblicherweise schnell. Rufus’ Cousin Cerealis hatte dies am eigenen Leib erfahren, war er doch zwei Mal nach Britannia geschickt worden, da ihm sein erster Besuch hier beinahe die Karriere gekostet hatte und erst einige Jahre später beim zweiten Anlauf zum Erfolg geführt hatte. Ein Schicksal, dass Rufus wiederum nicht zu teilen wünschte.
“Und ich will auch mit den Gebieten anfangen, die am unruhigsten sind. Erstellt eine Liste mit den Vorkommnissen und Problemen und vor allen Dingen, informiert dann auch die jeweiligen Legionen rechtzeitig, sofern meine Reise sie betrifft.“ Rufus war ein freund davon, seinen Legaten nur einen Rahmen vorzugeben, innerhalb welchem sie operieren durften, ohne sich zu sehr einzumischen, sofern es nicht nötig wurde. Gegenseitiger Respekt war häufig eine gute Voraussetzung für fruchtbare Zusammenarbeit, solange sie nicht als Schwäche missverstanden wurde. Aber auch für diesen Fall hatte Rufus die nötige Erfahrung, um diese Dinge zu regeln.
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