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[Marcus Sabinius Merula]

 | Beatus

Beatus sprang von der Bank auf. "Ja, Papa!" ,piepste er. Dann schaute er zu dem jungen Sklaven. "Kommt, folgt mir einfach!" Das Cubiculum der Domina war nicht weit entfernt. Es befand sich im Erdgeschoss. Er brachte die beiden ins Atrium und wandte sich dann nach links. An der dritten Tür klopfte er und wartete kurz. Dann trat er ein, "Domina, zwei Sklaven der Domina Claudia Sabina möchten die ein Geschenk bringen,"

[Accia Prisca]

Prisca hatte sich gerade erst ein wenig zurückgezogen. Eigentlich war es unpassend, tagsüber das Cubiculum aufzusuchen, aber Prisca hatte noch keinen wirklichen Platz für sich entdeckt, an dem sie einfach ein wenig Ruhe hatte und von niemandem etwas gefragt wurde. Überall anders fühlte sie sich geprüft und beobachtet.

Aber der Frieden währte nur kurz, denn der Sohn des Ianitors – Beatus oder Boetius, sie war sich nicht sicher – meldete Besuch für sie.
Sie strich ihr Kleid noch einmal glatt und erhob sich von ihrem Stuhl. Es schien ihr falsch, Besucher in ihrem Schlafzimmer zu empfangen, aber jetzt war es zu spät und es waren nur Sklaven. Dennoch würde sie dem Ianitor bescheid geben, sie künftig doch bitte herauszurufen und keine Gäste hierher zu bringen.
“Sie können eintreten“, sagte sie aber für den Moment, da niemand irgendwelche Unstimmigkeiten mitbekommen musste, und wartete mit vor dem Körper locker gefalteten Händen, welche Sklaven Claudia Sabina geschickt hatte und was das Geschenk wohl sein mochte.

[Bran]

>>> Nathaira hatte schon kurz vor der Haustür nach meiner Hand gefasst. Das mochte ich sehr gerne. Ich kam mir dabei immer älter vor. Und so, als könne ich jemanden beschützen. Aber jetzt musste sie meine Hand loslassen, weil sie das Kästchen präsentieren sollte.
"Danke Beatus fürs Bringen", sagte ich dem Jungen vor der Tür. Und da hörte ich schon eine Stimme von innen:
"Sie können eintreten"

Ein kleiner Junge, den Prisca nicht kannte oder aber vergessen hatte, ihn zu kennen, stand ziemlich nah bei ihr und beäugte sie kritisch. Sie schaute freundlich fragend zurück, aber irgendwie sagte er nichts. Sie wusste auch nicht, ob sie etwas sagen sollte, da sie ja nicht wusste, zu wem er gehörte. "Salve", grüßte sie also einfach nur so höflich wie irgendwie möglich. 

Ich hatte die Hausherrin schon mal kennen gelernt.  Sie war die Braut auf der Hochzeitsfeier im Neubaugebiet gewesen. Ich fand sie klasse. Sie war groß wie eine Göttin und wirklich freundlich. Als ich ihre Stimme hörte, hatte sich mein unfehlbares Gedächtnis gleich eingeschaltet.
Nicht nur an Domina Accia Prisca erinnerte ich mich, sondern auch an das unglaubliche Essen auf der Hochzeit. Das war auch klasse gewesen.
Ich war also so richtig erfreut, die Dame zu sehen. Doch es wäre völlig unpassend gewesen, mit einem dämlichen Grinsen da herein zu marschieren. Ich guckte würdig. Ich verbeugte mich und schielte zu Nathaira, damit sie das Gleiche tun sollte.

"Edle Herrin Accia Prisca, dieses Geschenk sendet Dir Claudia Sabina", sagte ich  und gab erst einmal die Wachstafel ab:

Claudia Sabina an Accia Prisca,  Gruß zuvor und den Segen der göttlichen Iuno  und der gütigen Isis obendrein für deinen Mann und dich.  Diese Ohrringe sollen euch Glück bringen. Jeden Morgen steigt der Sonnengott in Gestalt eines geflügelten Skarabäus aus der Unterwelt hervor. Dann heißt er Chepre "der von selbst entstanden ist" Ich weiß nicht, ob das wahr ist, doch Tausende von Aegyptern glauben daran. So wie die ewige Sonne immer wieder kehrt, soll auch eure Liebe ewig sein und immer wieder kehren. Vale SABINA

Dann ging ich zu Nathaira und öffnete schonmal das silberne Kästchen. Domina Accia Prisca sollte schließlich gleich ihr Geschenk sehen:

Als ich drauf guckte, wich ich zurück. Ich glaube, mir schoss gleich das Blut in den Kopf. Mit hochroter Birne stand ich da. Das war doch bestimmt ein schrecklicher Irrtum.
Domina Sabina würde mir den Kopf abreißen.
Dominus Menecrates würde mich ans Bergwerk spenden.

Mistkäfer! In dem Kästchen waren blaue Mistkäfer!

Das war bestimmt nicht das richtige Geschenk. Ich war so was von erledigt. Und Nathaira auch.

[Nathaira]

>>> Es war ein schönes Gefühl, als Nathaira nach Brans Hand gegriffen hatte und der etwas Jüngere seine Hand nicht hinfort gezogen hatte. Denn dies bedeutete, dass er nichts dagegen hatte, wenn Nathaira nach seiner Hand griff. Nachdem Nathaira das Kästchen gezeigt hatte, musste sie natürlich Brans Hand loslassen und dann wurden die beiden claudischen Sklaven auch schon von einem Jungen an ihren Bestimmungsort gebracht.

Auf dem Weg durch die Casa Sabina hatte Nathaira Zeit ihren Blick höchst aufmerksam von links nach rechts gleiten zu lassen. Schließlich verlangsamte Beatus seine Schritte und Nathaira tat es ihm gleich. Offensichtlich befanden sie sich vor der richtigen Türe, wie die Dunkelhaarige für sich im Stillen feststellte. Nachdem Beatus an die Türe geklopft hatte und von drinnen eine weibliche Stimme erklang, verabschiedete sich der dunkelhaarige Junge, während die claudische Sklavin hinter Bran durch die Türe trat. Ihren Blick hielt Nathaira gesenkt, während sie das Kästchen präsentierte und sich auch schon artig verbeugte.


Nachdem Bran das Wort ergriffen hatte, richtete sich die Dunkelhaarige auf und verharrte dennoch mit gesenktem Blick. Nachdem Bran die Wachstafel an Accia Prisca weitergereicht hatte, näherte er sich dem silbernen Kästchen und öffnete jenes, damit Accia Prisca einen Blick auf ihre Geschenk werfen konnte. Als Bran im nächsten Moment erschrocken zurück wich und sichtlich errötete, hob sich dann doch Nathairas Kopf vorsichtig an und auch sie schielte in das Innere des Kästchens. Im Inneren des Kästchens krabbelten Mistkäfer über den Samt. Mistkäfer?! Wie konnte denn das passieren?


Augenblicklich begann es in Nathairas Kopf zu rattern und ihre Gedanken wirbelten wie wild durch ihre Gehirnwindungen. Nein. Sie hatte das Kästchen keine Sekunde aus ihrem Blick entlassen, seitdem man ihr das Kästchen in die Hand gedrückt hatte. Also musste dieses Missgeschick in der Villa Claudia geschehen sein. Doch wer wäre zu solch einer Gemeinheit fähig? Erschrocken blickte Nathaira zu Bran und schüttelte kaum merklich ihren Kopf.

[Accia Prisca]

Prisca erkannte den Jungen wieder, wenn auch nur das Gesicht. Er war auch auf ihrer Hochzeit gewesen, aber sie konnte sich nicht erinnern, ob sie mit ihm geredet hatte oder nicht. An dem Tag waren wirklich viele Leute dagewesen, und Namen waren schwerer zu merken als Gesichter. Auf jeden Fall gehörte er wohl zu den Claudiern und er brachte ihr zusammen mit einem Mädchen etwa in Priscas Alter ein Geschenk von Claudia Sabina.
Prisca nahm die Tafel entgegen und las über die Zeilen. In dem Kästchen waren wohl Ohrringe. Skarabäus… Prisca kannte das Wort, aber sie musste überlegen, von wo. Es war irgendein Tier aus den Geschichten, aber sie wusste nicht mehr, was für eines. Offenbar ein ägyptisches, da Sabina zum einen alles ägyptische gern mochte, und zum anderen es ja auch explizit in ihrem Schreiben erwähnte.

Neugierig schaute Prisca also, was in dem Kästchen war, genauso, wie die beiden Sklaven, so dass sie wahrscheinlich recht lustig aussahen, wie sie zu dritt den Inhalt des Schmuckkästchens beobachteten. Und das, was darin war, war auch wirklich… interessant.
Das Kästchen an sich war sehr hübsch und sah silbern aus. In den Deckel war ihr Name eingraviert und es war reichhaltig verziert. Aber die Ohrringe, die Sabina ihr geschenkt hatte, das waren Käfer. Zwei große, dunkelblaue Käfer. Priscas Mundwinkel zuckten kurz, weil sie sich beherrschen musste, nicht loszulachen. Sabina hatte ihr wirklich Käfer geschenkt! Wenigstens waren es keine echten, dann hätte Prisca wohl losgekreischt. Nein, es waren Schmuckstücke, die in Käferform geschnitzt waren. Prisca fragte sich, wie und wann sie die denn tragen sollte. Aber es wäre sehr undankbar gewesen, so eine Frage laut zu stellen. Eines war sicher: Sie musste wenig Angst haben, dass die Ohrringe gestohlen werden würden, denn DIE unauffällig zu verkaufen war wohl so gut wie ausgeschlossen.
Prisca nahm also das Kästchen entgegen und bemühte sich, nicht zu lachen. War gar nicht so einfach. “Richtet Claudia Sabina doch bitte meinen besten Dank für diese… Käfer aus. Solche Schmuckstücke hatte ich noch nicht.“ Und wahrscheinlich auch sonst niemand außer Claudia Sabina und Leute aus Ägypten. “Ich ähm… muss noch überlegen, zu welcher Gelegenheit ich… äh… sie passend würdigen kann.“ Prisca hoffte gerade inständig, dass Claudia Sabina nicht so bald heiraten würde, so dass Prisca nicht in Verlegenheit käme, die Dinger tragen zu müssen.

[Bran]

Mein Bauchgefühl hatte mir schon früher verraten, dass diese Römerin nett  war. Und mein Bauch hatte mir keinen Stuss erzählt. Ich wusste nicht, ob sie so ruhig reagierte, weil die Käfer bei den Römern eine Bedeutung hatten. Oder ob sie Nathaira und mir den Hintern retten wollten. Ich wusste es wirklich nicht. Ich hatte sogar das Gefühl, dass sie ein klein wenig lächeln würde. Aber das konnte täuschen.
Ich schaute mir Domina Accia Prisca gut an, denn ich wollte sie irgendwann einmal, wenn ich Zeit hatte, malen. Und ich legte eine Hand auf mein Herz. Diesmal verbeugte ich mich ganz tief:

" Danke Dir o Du gute und großmütige Domina Accia Prisca für deine Gnade!", sagte ich voll Überschwang: 
"Ich werde der Herrin Sabina wortgetreu ausrichten, was du mir aufgetragen hast" 

Ich war so froh, dass sie nicht wütend geworden war. Auf jeden Fall hatte diese gute Römerin bei mir ab sofort einen Stein im Brett. 

"Komm wir gehen, Nathaira. Vale bene"

>>>

[Nathaira]

Und während Accia Prisca und Bran in das Kästchen blickten und die dortigen blauen Käfer betrachteten, pochte Nathairas Herz lautstark in ihrer Brust. Wem war dieser Fehler unterlaufen? Ihr ganz bestimmt nicht. Schließlich hatte sie das Kästchen in die Hände gedrückt bekommen. War es etwa Bran gewesen? Aus dem Augenwinkel schielte Nathaira in Richtung des Jüngeren und musste für sich im Stillen feststellen, dass sie Bran solch eine Tat niemals zutrauen würde. Nein, auch der claudische Sklave konnte es nicht gewesen sein. Nur wer war es dann? Den Göttern sei gedankt schien Accia Prisca nicht zornig zu sein. Und diese Tatsache ließ ein verhaltenes Lächeln über Nathairas Lippen huschen.

Als Accia Prisca schließlich nach dem Kästchen griff, übergab Nathaira der jungen Römerin das Kästchen allzu bereitwillig. Nachdem sich Bran äußerst tief verbeugt hatte, verbeugte sich auch Nathaira nicht minder tief. Bevor sie Bran nachfolgte, der sich im nächsten Moment von Accia Prisca verabschiedete. Nathaira schenkte der jungen Römerin, in Ermangelung warmer Worte, ein nicht minder warmes Lächeln. >>>