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Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
02-02-2023, 09:18 PM,
Beitrag #1
Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan

[Bild: Domusitalica.svg]
Tobias Langhammer, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons
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02-02-2023, 11:06 PM,
Beitrag #2
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
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[Bild: Erwan-klein.jpg] |Erwan

 Kurz vor Sonnenuntergang hatten Erwan und seine junge hibernische Begleiterin endlich ihr Ziel erreicht. Die Domus, in der sich auch ein Ladengeschäft befand hatte der gallische Händler vor wenigen Jahren gekauft. Hier verbrachte er vornehmlich die Winter, bevor er dann im Frühling wieder auf seine Reise ging. Das Ladengeschäft wurde von seinem ehemaligen Sklaven Modestus geführt, dem ebenfalls die Aufgabe des Verwalters der Domus übertragen worden war. Der Freigelassene wachte während der Abwesenheit seines ehemaligen Herrn über die wenigen Sklaven des Hauses: der Laufbursche Luca, die Köchin Gundis, die Cubicularia Dana und Corax, der „Mann fürs Grobe“, der als Türsteher der auch als Leibwächter eingesetzt wurde.

Die Sklaven hatten bereits einige Tage zuvor die Kunde von der Rückkehr ihres Herrn erhalten. Daraufhin war das Haus war blitzblank gesäubert worden. Dana hatte das Cubiculum ihres Herrn zurecht gemacht und Gundis hatte genügend Vorräte vom Markt mitgebracht, um Erwan ein würdiges Begrüßungsmahl kredenzen zu können.

Nun endlich klopfte es an der Tür. Modestus selbst eilte herbei, um dem Hausherrn herein zu lassen und ihn als erster zu begrüßen. „Salve Erwan! Wie schön dich wohlbehalten wieder zu sehen!“ , rief er freudestrahlend. Dann fiel sein Blick auf die junge Frau, die einen Schritt hinter dem Hausherrn hervorlugte.
Erwan war nach der langen anstrengenden Reise sichtlich erschöpft, doch beim Anblick seines  Verwalters kam ihm ein Lächeln über die Lippen.  „Danke Modestus, mein Freund! Ich freue mich auch, dich und die anderen wieder zu sehen.“  Dann wandte er sich zu Niamh um und zog sie etwas näher zu sich heran. „Ich habe einen Gast aus Hibernia mitgebracht. Das hier ist Niamh! Bitte veranlasse, dass man ihr noch ein Zimmer herrichtet!“ Der Freigelassene nickte der jungen Frau freundlich zu. „Wie du wünschst, Herr!“
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02-03-2023, 05:35 PM,
Beitrag #3
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Seit sie in Iscalis angekommen waren, war Niamh nicht mehr aus dem Staunen herausgekommen. So etwas hatte sie noch nie gesehen! Natürlich hatte sie immer wieder Erzählungen darüber gehört, von Reisenden, die über das Meer nach Éire gekommen waren. Doch hatte sie sich die Städte der Rómhánaigh immer ganz anders vorgestellt. Die Häuser waren ganz aus Stein gebaut und, das war das Besondere daran, sie waren nicht rund! Manche  waren sogar mehrere Stockwerke hoch. Aber auch die Rómhánaigh selbst erregten ihre volle Aufmerksamkeit. Sie sprachen eine seltsame Sprache, deren Bedeutung sie nicht einmal im Mindesten erahnen konnte. Auch ihre Kleidung und ihre Haartrachten waren eigenartig. Es gab sogar Leute, die ließen sich, auf einem Holzgestell gelagert, durch die Straßen tragen. Der erste Eindruck, den sie bei ihrer Ankunft erhielt war atemberaubend. Allerdings keimte in ihr auch der Gedanke auf, dass sie in dieser für sie fremden Welt vorsichtig sein musste! Mit ihren mangelnden Sprachkenntnissen und ihrer Unwissenheit über Land und Leute war sie leichte Beute für diejenigen, die es nicht gut mit ihr meinten. Sie dankte der großen Mutter, dass sie an Erwan geraten war, der es zweifellos gut mit ihr meinte und sie mit größter Wahrscheinlichkeit nicht hintergehen wollte.
Als sie dann vor dem Haus des Tuchhändlers ankamen, betrachtete sie ganz andächtig und mit offenem Mund, was sie dort sah. Hatte er nicht von einem kleinen Häuschen gesprochen? Dies hier war in ihren Augen ein Palast! Und der Palast war auch bewohnt, wie sich kurze Zeit später herausstellen sollte! Ein Mann mittleren Alters trat ihnen entgegen und schien sie zu begrüßen. Niamh konnte sich lediglich an seiner Mimik orientieren und vermutete, dass er ihr freundlich gesinnt war. 
Erwan zog sie unterdessen förmlich mit sich, als er sein Haus betrat. Mit großen Augen musterte sie alles, was da vor ihr auftauchte. Alles, aber wirklich alles schien aus Steinen gebaut zu sein. Erwan schob sie in einen weitläufigen Raum, in dessen Mitte sich ein mit Wasser gefülltes Becken war. Schnell begriff sie, dass man hier das Regenwasser sammelte, da sich genau über dem Becken kein Dach befand. Die Wände waren mit hübschen Bildern verziert und der Boden bestand aus einer Vielzahl von bunten Steinchen, die kunstvoll miteinander verbunden waren. Von diesem Raum aus ging es in allen Richtungen in weitere Räume, die allerdings mit Türen aus Holz verschlossen waren.
Kurze Zeit später erschien eine Frau, die kaum älter als sie selbst war. Erwan erklärte ihr schließlich, dass der Name der Frau Dana sei und dass sie eine seiner Dienerinnen sei, die sie nun zu ihrem Zimmer bringen würde, damit sie sich ausruhen konnte. Ein eigenes Zimmer! Niamh wollte ihren Ohren nicht trauen! Sie begann sich zu fragen, ob Erwan so eine Art Rí* dieser Stadt war. Später würde sie ihn danach fragen. Ganz zu schweigen über die tausend anderen Fragen, die sie hatte, seit sie Iscalis betreten hatten.
Dana brachte sie in einen Raum, dessen Wände mit weiteren hübschen Bildern bemalt waren. Darin befanden sich ein Bett, ein kleines Tischchen, auf dem ein Öllämpchen stand und eine Kiste, die für ihre Kleider bestimmt war, wenn sie denn welche gehabt hätte. Denn alles was sie besaß, trug sie am Körper. Ihr hübsches Kleid, welches sie gegen das Gewand einer Bäuerin getauscht hatte, hatte in Hibernia zurückbleiben müssen. 
Auf dem Bett befanden sich ein Kissen und eine Decke, die in einen hübschen Stoff eingeschlagen waren. Dies war wahrlich das Bett einer Prinzessin!
Dana indes versuchte ihr etwas mitzuteilen. Jedoch verstand sie keines ihrer Worte. Schließlich versuchte es die Sklavin mit Handbewegungen und Gesten, um ihr verständlich zu machen, dass sie für den Gast ihres Herrn ein Bad zubereitet hatte. Waschen, dachte Niamh. Eine glänzende Idee! Schließlich folgte sie der Sklavin und genoss so die ersten Vorzüge der römischen Badekultur.

* König
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02-07-2023, 12:51 AM,
Beitrag #4
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
[Bild: Erwan-klein.jpg] |Erwan

 Fast eine Woche war vergangen, seitdem Erwan wieder zurück war. Wie jeden Tag verbrachte er die ersten Stunden des Tages in seinem Tablinum über den Geschäftsbüchern und erledigte die Korrespondenz. Anscheinend waren die Geschäfte in seiner Abwesenheit gut gelaufen. Modestus hatte wirklich ein gutes Händchen fürs Geschäft entwickelt. Erwan hätte nichts Besseres tun können, als ihm das Ladengeschäft während seiner Abwesenheit anzuvertrauen. Sein Freigelassener hatte es auch in diesem Jahr verstanden durch kluges handeln und das Gespür, was gerade bei der Kundschaft begehrt war, den Umsatz zu steigern. Natürlich spielten dabei auch Erwans gute Beziehungen zu seinen beiden Brüdern eine wichtige Rolle, die er immer noch nach so vielen Jahren pflegte. Als sein Vater vor mehr als zwanzig Jahren verstorben war, hatten sich seine drei Söhne das Geschäft untereinander aufgeteilt. Während Brennus, der Älteste der Drei, das Stammhaus in Ladanum übernommen hatte, waren Erwan und sein jüngerer Bruder Louan hinaus in die Fremde gezogen, wodurch das Handelshaus noch weiter expandieren konnte. Louan hatte sich auf den Handel mit dem Osten konzentriert, während  Erwan sein Glück im Norden machen wollte. So gelangte zum Beispiel feinster Seidenstoff aus dem fernen Osten bis nach Iscalis oder wärmender Wollstoff aus Britannia bis nach Rom.


Auch Niamh war dabei, sich langsam an ihr neues Leben zu gewöhnen. Für sie war fast alles. was es an Komfort im Haus gab, neu. Erwan, der als einziger ihre Sprache verstand, versuchte ihr alles zu erklären und ermutigte sie stets das Neue auch einmal auszuprobieren. Bereits am Tag nach ihrer Ankunft hatte er sie mit neuen Kleidern im römischen Stiel ausstatten lassen. Allmorgendlich kam nun Dana zu ihr, um sie zu frisieren. Der jungen Hibernierin sollte es an nichts fehlen. Sie war für ihn wie seine eigene Tochter, die er leider viel zu früh verloren hatte. Damals, vor fast sechzehn Jahren hatte das Fieber sie und ihre Mutter dahingerafft. Für Erwan war damals eine Welt zerbrochen. Er hatte lange gebraucht bis er über den Tod der beiden hinweggekommen war. Um Abstand zu bekommen, hatte er sich entschlossen. nach Britannien zu gehen. Nach der Niederschlagung des Icener-Aufstandes war es wieder sicherer auf der Insel geworden, so dass er sich entschloss, zunächst als fahrender Händler umherzureisen. Erst mit dem Alter kam die Einsicht, langsam wieder sesshaft zu werden. Woraufhin er sich ein Standbein in Iscalis geschaffen hatte.

Seitdem Niamh nun in seinem Haus lebte, schien ihm alles viel leichter von der Hand zu gehen. Jede freie Minute verbrachte er mit ihr, um ihr die Sprache und die Gewohnheiten ihrer neuen Heimat beizubringen. Die junge Frau war ihm dafür sehr dankbar und es zeigte sich recht schnell, dass sie über eine gute Auffassungsgabe verfügte. Dennoch wirkte sie manchmal traurig und verloren. Daher hatte Erwan beschlossen, für sie ein wenig für Abwechslung zu sorgen. Seit sie hier war, hatte sie das Haus nicht wieder verlassen. Es war an der Zeit, dass sie die Stadt, in der sie nun lebte, kennenlernte! Als er den letzten seiner Briefe beantwortet hatte, rief er nach Luca und trug ihm auf, Niamh zu suchen und sie zu ihm ins Tablinum zu bringen.
Kurze Zeit später erschien die Hibernierin in seinem Arbeitszimmer. Er bot ihr an, sich zu setzen und sie nahm auf einem Stuhl Platz.

„Womit hast du dich denn heute Morgen beschäftigt?“ fragte er sie freundlich. 
„Oh, ich habe ein wenig gewebt und versucht, mich mit Dana zu verständigen, als sie mir das Haar frisiert hat.“ Der Händler lächelte ihr anerkennend zu. 
„Und wie ist es gelaufen? Konnte sie dich verstehen?“ Niamh zuckte mit den Schultern. 
„Ich weiß nicht so recht. Ich glaube ich muss meine Aussprache noch etwas verbessern, “ antwortete sie grinsend. Erwan lachte. 
„Ich hätte da eine Idee, wie du langsam ein Gespür für die Aussprache bekommst. Lass uns heute in die Stadt gehen. Wir könnten etwas Essen und ein paar schöne Dinge für dich einkaufen. Und ganz nebenbei lernst du die Leute und ihre Gebräuche hier kennen und wie sie sprechen. Was hältst du davon?“ 
Niamhs Begeisterung hielt sich in Grenzen. Sie hatte das Haus bisher als sichere Zuflucht gesehen. Hier lebte sie behütet. Fernab von allem was ihr fremd war und wovor sie Angst hatte. Doch sie sah ein, dass sie sich nicht für den Rest ihres Lebens hier verschanzen konnte, wenn sie hier leben wollte.
„Ich weiß nicht. Ich fürchte mich ein wenig. Zuhause habe ich schlimme Geschichten über die Rómhánaigh gehört.“ Erwan konnte ihr Zögern und ihre Ängste verstehen. Die Römer genossen in Hibernia nicht gerade den besten Ruf. Manche verglichen sie sogar mit Dämonen oder Ungeheuern. 
„Hab keine Angst, Niamh. Wir werden Corax mitnehmen. Er wird auf dich aufpassen und kann dich auch beschützen, wenn dich jemand belästigen sollte. Du wirst sehen, die Stadt wird dir gefallen!“ Wieder zögerte Niamh einen Moment. Doch dann nickte sie zustimmend.
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02-09-2023, 07:11 PM,
Beitrag #5
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
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Dicke Luft im Hause des Tuchhändlers
[Bild: Erwan-klein.jpg]

Der Ausflug in die Stadt war nicht ohne Folgen geblieben. Als Erwan und Niamh zurückgekehrt waren, war ein großer Streit zwischen den beiden entbrannt. Sie war laut geworden und hatte ihm vorgeworfen, wie unfreundlich er gewesen war. Er hatte in etwa der gleichen Lautstärke gekontert, dass ihm der Kerl suspekt gewesen sei und außerdem solle sie sich mit solchen Typen abgeben. Es gäbe in Iscalis genug junge und ehrbare Männer, die er ihr gerne bei Gelegenheit vorstellen wolle, denn einer wie Louarn käme ihm nicht ins Haus! Daraufhin war Niamh kurz vorm Platzen gewesen. Sie stellte ein für allemal klar, er sei nicht ihr Vater und würde es auch niemals sein und sie sei auch nicht seine Sklavin, über die er bestimmen könne. Daraufhin verließ sie das Atrium und eilte in ihr Zimmer dessen Tür sie lautstark zuschlug.

Niamh war Erwan zwei Tage lang aus dem Weg gegangen. Sie hatte einfach ihr Zimmer nicht verlassen, nicht einmal zu den Mahlzeiten. Erwan aber war auch stur geblieben und hatte sich bei den Sklaven nicht einmal nach ihr erkundigt.

Am dritten Tag aber fasste Niamh einen Entschluss. Sie wollte Louarn unbedingt wieder sehen. Aber da sie nicht wusste, wo sie ihn suchen sollte, hoffte sie darauf, dass er vielleicht ins Ladengeschäft käme, um sie zu sehen. So verließ sie ihr Zimmer und lief zum Tablinum, in der Hoffnung, dort den Tuchhändler vorzufinden. Ihre Hoffnung wurde erfüllt, denn wie jeden Tag saß Erwan um diese Zeit an seinem Schreibtisch und arbeitete.
Da die Tür halb offen stand, klopfte sie nur leicht an  und schob sich in den Raum hinein. Vor dem Schreibtisch blieb sie stehen und wartete darauf, dass Erwan seinen Blick hob, um sie anzuschauen. Er ließ sie eine Weile zappeln. "Was willst du?" fragte er schließlich.
"Ich möchte mich bei dir entschuldigen. Es war nicht schön von mir, dass ich dich so angeschrien habe. Es tut mir leid!" Niamhs Worte klangen aufrichtig, denn ja, sie war richtig wütend gewesen. Jedoch wollte sie sich nicht für das was sie gesagt hatte, entschuldigen.
Erwan nickte bedächtig. "Ich will nur das Beste für dich, Niamh. Als ich sagte, ich sei dein Vater, meinte ich das auch so. Du bist für mich wie meine eigene Tochter und ich möchte, dass du einmal einen ehrenhaften Mann als Ehemann bekommst. Ich dachte vielleicht sogar an einen römischen."
Niamh stockte der Atem! Ein Rómhánach - ein Römer? Niemals! Doch sie war nicht hier, um sich weiter zu streiten. Jedoch wusste sie spätestens nun auch, dass sie auf Dauer nicht länger im Hause des Tuchhändlers bleiben konnte.
"Ja, vielleicht auch ein Römer," entgegnete sie und lächelte. "Aber ich würde auch gerne im Geschäft mithelfen. Dort kann ich auch meine Bordüren weben und ich lerne noch mehr die Sprache." 
Erwan lächelte versöhnlich. Er war froh, dass Niamh ihre Meinung geändert hatte. "Aber natürlich gerne! Wenn du möchtest, kannst du gleich damit anfangen. Ich werde Modestus informieren."


So kam es, dass sich Niamh von nun an täglich im Ladengeschäft aufhielt und so gut es ging mithalf. Doch insgeheim wartete sie nur auf einen einzigen Mann. Einen Mann mit langem rotem Haar.
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02-10-2023, 10:30 PM,
Beitrag #6
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Ich hatte keine Ahnung, was ich hier tat. Wirklich gar keine. Es fühlte sich falsch an. Auf so unendlich vielen Ebenen falsch, dass ich es schon gar nicht alles aufzählen konnte. Ich wusste, Erwan würde mich hier nicht haben wollen. Ich wusste, Niamh würde sich Hoffnungen auf Gefühle machen, die ich so gerne empfinden wollte, aber die einfach nicht da waren. Nicht genug, jedenfalls. Nicht so, wie an der Stelle, wo ich sie nicht haben wollte und durfte. Ich wusste, ich benutzte Niamh, um mich davon abzulenken, und ich kam mir schäbig dabei vor. Wirklich schäbig. Sie verdiente so etwas nicht. Ich redete mir ein, dass das alles ja auch kommen konnte, und dass ja auch gar nichts war und ich ihr auch keine Hoffnungen gemacht hatte. Dass sie einfach nur einen Freund brauchte, der ihr half bei… was auch immer sie hier mit diesem Erwan zu schaffen hatte. Dass ich ihr einfach nur helfen wollte. Aber ich wusste, dass das nur ein Teil der Wahrheit war, und deshalb fühlte ich mich wie ein Schuft.

Und deshalb zögerte ich auch volle fünf Tage, ehe ich doch hier hergekommen war. Ich war am Morgen zum Fluss gegangen und hatte mich dort gewaschen – was wirklich arschkalt war zu dieser Jahreszeit! Die Römer hatten hier zwar ein riesiges Badehaus in der Stadt, aber ich wusste nicht, ob Kelten dort auch hinein durften und wie das alles funktionierte, also nahm ich besser den bitterkalten Fluss für meine Körperpflege. Danach hatte ich mich erst einmal wieder aufgewärmt und nochmal mein Haar neu geflochten, ehe ich dann am frühen Nachmittag losgegangen war, diesen Tuchhändler zu suchen. Und jetzt stand ich davor und hatte eigentlich keine Ahnung, was ich hier machte, und ob ich es machen sollte. Ich hatte keine Verwendung für Tuch. Ich konnte nicht mehr als das nötigste nähen. Was also sollte meine ausrede sein, herzukommen? Und was, wenn Niamh gar nicht da war, oder dieser Erwan mich einfach wieder rauswarf? Naja, gut, dann hatte ich irgendwie auch eine Antwort, und wahrscheinlich wäre die sogar das beste, da sie mein Gewissen beruhigen würde, und zwar in jede erdenkliche Richtung.
Ich atmete noch einmal durch. Ich war vieles. Ein Spion. Ein Lügner. Ein Krieger für die alten Götter. Ein Saboteur. Ein Druide. Aber eines war ich nicht: Ein Feigling. Und auch, wenn es sich falsch anfühlte, hatte ich den Entschluss gefasst, dass es insgesamt das beste wäre.
Also straffte cih nochmal meine Haltung und betrat dann den Laden, um zu sehen, ob Niamh da wäre.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
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02-11-2023, 01:19 AM,
Beitrag #7
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Scheinbar hatten sich die Wogen im Hause des Tuchhändlers Erwan wieder gelegt. Niamh hatte dich bei ihm entschuldigt und sie hatte endlich eingesehen, dass er es nur gut mit ihr meinte. Zumindest glaubte das Erwan. In Wahrheit aber hatte Niamh erkannt, das der Tuchhändler von nun an über ihr Leben bestimmen wollte und sie keinerlei Mitspracherecht haben sollte. Der Gedanke daran, in Erwans Haus gefangen zu sein, wollte sie fast in den Wahnsinn treiben. Ihre ganze Hoffnung setzte sie nun in Louarns Erscheinen. Er war der Einzige, der ihr helfen konnte. Aber Louarn kam nicht. Vielleicht war er längst schon da gewesen, als sie sich noch in ihrem Zimmer verschanzt hatte. So schnell wollte sie aber nicht aufgeben. Allerdings kam langsam die Ernüchterung, dass niemand kommen würde, um sie zu retten, je länger sie warten musste. In ihrer Verzweiflung überlegte sie, wie sie sich alleine durchschlagen konnte, in einem Land, das von Fremden besetzt war, deren Sprache sie kaum sprach. Sie würde sich an die Einheimischen halten müssen. In der Hoffnung, dass sie ihr helfen würden.
Auch der vierte Tag nach ihrem Zusammentreffen verging, ohne das Louarn aufgetaucht war. Niamh hatte sich damit abgelenkt, indem sie Bordüren webte und verschiedene Stoffe verräumte. Sie hatte sich dabei hauptsächlich im Hintergrund aufgehalten, um nicht einem Kunden in die Hände zu laufen. Jedoch achtete sie auf jeden einzelnen Kunden, der den Laden betrat.
Der fünfte Tag schien so zu verlaufen, wie bereits die anderen Tage zuvor. Modestus kümmerte sich um die Kundschaft und Niamh webte oder verräumte Stoffe. Erwan hielt sich wie immer in seinem Tablinum auf und kam nur selten in den Laden.
Der Vormittag war bereits schon sehr fortgeschritten, als ein weiterer Kunde den Laden betrat. Nianh sah von ihrer Handarbeit auf und erkannte einen großen stattlichen Mann mit roten langen Haaren. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Das musste er sein. Nein, das war er! Louarn! Sie sprang auf, doch bevor sie sich auf ihn stürzen wollte, mahnte sie sich selbst zur Zurückhaltung. Modestus durfte keinen Verdacht schöpfen! 
Angemessenen Schrittes ging sie auf ihn zu und sprach ihn in seiner Sprache an. Ihr Herz wollte Sprunge machen und ein freundliches Lächeln formte sich um ihre Lippen. "Sei gegrüßt! Kann ich dir helfen?" Nun strahlte sie, als sie direkt vor ihm stand. "Ich wusste, dass du kommen würdest! Ich wusste es! Den Göttern sei Dank!" Vorsichtig schaute sie sich nach Modestus um, der allerdings gerade mit einer Bestellung beschäftigt war. "Du musst mir helfen! Bitte!" flehte sie ihn an. Er war ihre einzige Hoffnung!
[Bild: 1_29_07_23_5_35_37.png]
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02-11-2023, 12:29 PM,
Beitrag #8
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Im ersten Moment sah ich nur einen älteren Kerl, der auch gleich Anstalten machte. Ich überlegte mir schon, was ich ihm sagen sollte und ob es wohl Ärger für Niamh geben konnte, wenn ich einfach nach ihr fragte. Genau wegen dieser Situation hatte ich lange gezögert, überhaupt zukommen. Naja, deshalb, und wegen dem anderen. Ich holte grade Luft, als dann doch der kleine Rotschopf auf mich zukam – und so tat, als würde sie mich nicht kennen. Meine Stirn zog sich kraus, da ich nicht gleich verstand, was das sollte. So lang war ich ja jetzt schließlich auch nicht weg gewesen, aber wenn ich so wenig Eindruck hinterlassen hatte, dass sie sich nicht einmal mehr nach läppischen fünf Tagen an mich erinnerte, dann hatte ich mir wohl ziemlich viel eingebildet. “Haia...“ grüßte ich etwas lahm zurück, als sie auch schon, weitaus leiser, auf mich einredete und sich aufklärte, wieso sie sich so komisch verhielt. Ich kapierte sofort und räusperte mich kurz. “Ähm, ich bin auf der Suche nach einem Geschenk für ein Mädchen, das ich sehr gerne habe. Vielleicht kannst du mir helfen, etwas zu finden, was ihr gefallen könnte“, sagte ich so laut, dass der Kerl im Hintergrund es mitbekommen würde, aber nicht so laut, dass es auffällig wäre. So aber hatten wir beide eine Ausrede, warum sie bei mir blieb und er nicht das Gespräch übernahm. Immerhin war sie ja ein Mädchen, da musste sie ja wissen, was denen so gefiel.
Sehr viel leiser versuchte ich sie dann erst einmal zu beruhigen. “Natürlich helfe ich dir. Aber du musst mir erst einmal sagen, was hier los ist. Dieser Erwan? Er ist nicht dein Vater, richtig? Hält er dich gefangen?“ Das erschien mir jetzt doch sehr naheliegend, wenn sie sich so bemühte, keinen Verdacht zu erregen und gleichzeitig so eine Verzweiflung aus ihrer Stimme sprach.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
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02-12-2023, 10:49 AM,
Beitrag #9
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Göttern sei Dank, er spielte mein Spiel mit und verhielt sich so, wie es ein ganz normaler Kunde tun würde. Doch als ich mich ihm offenbart hatte und ihn um Hilfe gebeten hatte, versicherte er mir helfen zu wollen. Aber natürlich wollte er nun auch die Wahrheit wissen, denn es war ja sonnenklar, dass etwas mit meiner Gesichte nicht gestimmt hatte.
"Aber natürlich kann ich dir helfen! Ein Geschenk für ein Mädchen. Wie wäre es mit diesem feinen Wollstoff? Er ist aus ganz dünnen Fäden gewebt. Daraus könnte sie sich ein hübsches Sommerkleid nähen. Wir hätten ihn auch in verschiedenen Farben hier," antwortete ich demonstrativ etwas laut und deutlicher und warf dabei Modestus immer mal wieder einen flüchtigen Blick zu. Doch der schien tatsächlich in seiner Aufgabe vertieft zu sein. Als ich Louarn schließlich den Stoff zeigte, trat ich noch etwas näher zu ihm und senkte dann wieder meine Stimme.
"Nein, Erwan ist nicht mein Vater und er ist auch nicht mit mir verwandt. Er hat mir bei meiner Flucht aus Éire geholfen und mich auf seinem Schiff mitgenommen. Ich war ganz allein und er hat mir angeboten, mit ihm zu kommen, weil ich doch völlig fremd war und die Sprache der Rómhánaigh nicht spreche. Dafür war ich ihm auch wirklich sehr dankbar. Aber an dem Tag, an dem wir uns getroffen haben, wurden mir die Augen geöffnet!" Zur sicherheit wandte ich mich noch einmal nach Modestus um, bevor ich weiter sprach. "Er sagt zwar, ich sei für ihn wie eine Tochter. Aber deshalb will er auch über mich bestimmen. Er sagte, ich dürfe dich nicht mehr sehen und er will für mich einen passenden Mann finden, den ich dann heiraten soll. Am liebsten wäre ihm ein Rómhánach! Aber das will ich auf gar keinen Fall!" Am liebsten hätte ich einen Mann wie Louarn gewollt. Einen hübschen starken Mann, der mir Lieder vorsang und der alles für mich tun würde, weil er mich liebte und nicht weil ich die vermeintliches Tochter des Tuchhändlers Erwan war!
"Ich muss hier unbedingt weg. Aber ich weiß nicht, wohin, denn außer dir kenne ich ja hier niemand." Allerdings ahnte ich auch, was Erwan tun würde, wenn er herausfand, dass ich weg war. Er würde sich denken können, dass vielleicht Louarn hinter meinem Verschwinden stecken könnte.
[Bild: 1_29_07_23_5_35_37.png]
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02-12-2023, 12:37 PM,
Beitrag #10
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Falco hatte gehört das Erwan, der Tuchhändler wieder zurück war in Iscalis. Die beiden kannten sich natürlich und hatten schon so manches gutes Geschäft gemacht.
Das große Lager des Handelshauses war gut bestückt, doch guten Stoff konnte man immer gebrauchen und Erwan hatte den besten einheimischen Stoff aller Händler Britannias.

Frisch rasiert und in warmen Gewändern gekleidet, mache sich Falco, nach seinem täglichen Termenbesuch, auf zu dem Tuchgeschäft.
Wie erwartet war Modestus, der gute Geist des Ladens, anwesend und auch ein junger Kunde.
Ein einheimischer junger Mann, recht ansehnlich und sein rotes Haar war zu einem Zopf geflochten.
Zuerst achtete Falko nicht auf ihn, doch dann sah er vor ihm ein junges Mädchen, das er noch nie hier gesehen hatte.
Beide unterhielten sich und es sah fast schon so aus, als ob sie ihn bedienen würde?
Hatte Erwan sich eine neue Sklavin geleistet? Obwohl, wie eine Sklavin sah das Mädchen nicht aus, eher wie eine junge römische Frau.
Ihre Kleidung war zwar einfach aber auch aus sehr gutem Stoff und ihre Frisur war so kompliziert, dass sie sie sicher nicht alleine zustande gebracht hatte.
Jetzt wurde er aber neugierig, wer war die junge Frau?
Soweit er wusste hatte Erwin keine Tochter oder Frau, hatte er vielleicht in der Fremde sich eine Braut gesucht und geheiratet? Doch sicher würde er die nicht mit fremden Einheimischen reden lassen, nein das war es sicher nicht.
Beide sprachen nicht Latein, irgendwie kam es ihm bekannt vor, doch es war viel zu leise und er wollte jetzt auch nicht so neugierig erscheinen das er sich beiden noch etwas näherte um zu lauschen.
„Salvete“ grüßte er erstmal, das Geheimnis um das…sehr hübsche Mädchen, würde sich schon noch aufklären.
Dem jungen Mädchen lächelte er aufrichtig und freundlich zu und verneigte sich leicht als Gruß vor Ihr, doch dann wendete er sich an den Verwalter.
„Modestus, mein Freund ich habe gehört das dein Herr wieder zurück ist, meinst du er hat etwas Zeit für mich damit wir über die Geschäfte reden können?“
[Bild: 3_15_08_22_9_36_30.png]

Honoratior von Iscalis
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