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Einfach nur weg
12-14-2024, 08:41 PM,
Beitrag #11
RE: Einfach nur weg
“Lugh hat mich mit einem harten Kopf gesegnet“, meinte ich nur, als sie den Göttern für meine Genesung danken wollte. Aber ehrlich, ich hatte schon öfter was abgekriegt. Und mir war immer noch recht schwummerig. Aber ich musste nicht kotzen, und das war schonmal gut. Ich hoffte doch schwer, dass das nach einer Nacht mit Kopfweh wieder besser sein würde.

Ich bemerkte nur kurz ihre blanken Waden. Das würde kalt werden, wir würden in spätestens einer halben stunde etwas laufen müssen, damit die Beine nicht blau wurden. Hatten Frauen keine vernünftigen Strümpfe oder irgendwas? Naja, Catia zumindest nicht. Nur sehr weiße, schlanke Waden, die im Takt gegen mein Bein schlugen, und die sicher auch weiter oben so milchweiß und…. Iomainth! Ich sollte mir einen eigenen Schläger mal besorgen, schön aus Esche. Ich könnte den Griff mit dünnen Lederstreifen umwickeln für einen besseren Griff. Dann rutschte er nicht so leicht herum, wenn ich schwitzige Hände hatte.

Wir näherten uns ihrer Gruppe und, äh, sie überrumpelte mich. Anders kann ich es nicht sagen, aber sie wollte, dass wir an denen vorbei ritten und nicht anhielten, damit sie sich wieder anschließen konnte. Ich wollte gerade schon nachfragen, als wir auch schon so nah waren, dass die Frauen uns ansprachen. Naja, eher Catia, die sich gerade aufrichtete wie eine Prinzessin und sich huldvoll von ihnen verabschiedete, während ich im Grunde nur langsam das Pferd im Schritt an ihnen vorbeigehen ließ, ohne irgendwie groß was zu sagen.
Ich grübelte ehrlich noch eine Weile und sah auch noch einmal über die Schulter zurück zu der Vierergruppe mit dem wagen, ehe ich meine Sprache wiederfand und versuchte, zu ignorieren, dass Catia sich gerade bei mir einkuschelte. “Ähm…. Dir ist klar, dass es ein weiter Weg bis nach Iscalis ist und wir einmal übernachten müssen? Auf freiem Feld? Zusammen?“ Vielleicht hatte sie ja gedacht, dass wir jetzt eine stunde traben würden und wären dann da, aber nö, so nah war es wirklich nicht. Mit dem wagen, den die Reisegruppe mitführte, der jedes Schlagloch wie einen Wall erklimmen musste, hätte es vermutlich auch zwei Tage gebraucht.
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Falke
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12-16-2024, 03:06 PM,
Beitrag #12
RE: Einfach nur weg
Catia, jäh aus süßen Träumen gerissen, hob den Kopf ganz leicht: "Ich weiß nicht, wie weit es noch bis Iscalis ist. Doch ich habe schon einmal draußen übernachten müssen, und das macht mir nix. Die Wölfe lassen uns in Ruhe, sobald wir aus dem Wald fort sind", antwortete sie. 
Der Winter war noch nicht weit fortgeschritten, und es lag kein Schnee. Raubtiere wagten sich nur, wenn sie großen Hunger hatten, dorthin,  wo Menschen lebten. 
Und vor Louarn fürchtete sie sich nicht. Nicht weil sie dachte, sie könne einen Mann wie ihn, der groß und stark war, im Kampf besiegen.  Ihr Messer hatte sie bisher nur zum Brotschneiden benutzt. 
Doch fing sie an, ihm zu vertrauen.
Er hielt sie nämlich gerade nur so fest, dass sie nicht vom Pferd herunterfallen konnte. Das merkte sie genau.  Männer, die andere Absichten hatten, zwickten einem in die Hüfte oder betatschten einem den Po.
Und Louarn kommandierte sie auch nicht herum wie es Meduil gemacht hatte und vor der Reisegefährtin schon Onkel Renan. Er redete freundlich mit ihr und schien dankbar fürs Retten und alles andere.

Am liebsten wollte Catia immer und immer so weiterreiten. Sie bekam zwar fröstelige Waden und ihr Hintern begann, leicht zu drücken, aber diese Nachteile wurden durch die Vorzüge mehr als aufgewogen. 
 
"Vielleicht können wir auch um Gastfreundschaft bitten und man lässt uns im Heu übernachten. Ich kann für ein Lager bezahlen"

Sie hatte Geld - ganze fünf Sesterze, die ihr Regat hinterlassen hatte nämlich. Aber sie war wie gesagt bisher damit sparsam umgegangen. Sie hatte nicht gewusst, wie lange es reichen musste. Doch vielleicht würde sie in Iscalis eine Arbeit finden, also konnte sie etwas großzügiger sein. 

"Die Castra Legionis der zweiten Legion Augusta...", diesen Namen hatte Catia auswendig gelernt und ein wenig stolperte sie darüber: ..."liegt doch direkt bei Iscalis, nicht wahr? Meduils Vater meinte, ich würde das Lager leicht finden. Dort muss ich nämlich eigentlich hin"
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12-16-2024, 04:12 PM,
Beitrag #13
RE: Einfach nur weg
Ich machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber ich schloss ihn wieder. Auch beim zweiten Versuch wollten aus meinen Gedanken nicht wirklich Worte werden. “Du bist noch nie gereist, oder?“ kam schließlich doch heraus, denn anders konnte ich ihre Unbekümmertheit nicht erklären. Abgesehen davon, dass sie wirklich glaubte, Wölfe würden nur im Wald wohnen und jagen. Aber sie hatte sich bei mir einfach eingeladen, obwohl ich nie gesagt hatte, dass ich sie überhaupt mitnehmen würde, geschweige denn, dass ich sie nach Iscalis bringen würde. Sie hatte nicht einmal ansatzweise sowas wie gefragt, sondern ging irgendwie einfach davon aus, dass ich das machen würde. Und dass es nachts auf freiem Feld nicht saukalt werden würde oder so. Ich guckte nochmal auf ihr Bündel, aber nope, ich bezweifelte, dass da ein Zelt drin Platz hatte. Und ich hatte definitiv keins. Definitiv reiste sie nicht oft.

Als sie dann noch meinte, wir könnten irgendwo einkehren, war es dann bestätigt, denn sie hatte wirklich überhaupt keine Ahnung von der Gegend hier. “Ich bezweifle, dass ein Dachs Bezahlung akzeptiert“, meinte ich vor mich hingrinsend und musste dann trotz aller Mühen doch leicht lachen. “Tut mir leid, aber du wärst wirklich besser bei deiner Reisegruppe geblieben. Zwischen hier und Cheddar ist nichts außer Wald, Wiesen und ein paar Sumpflöcher. Und sobald wir aus dem Wald raus sind, wird es windig und deutlich kühler. In dem Wagen hättest du es sicher bequemer und trockener gehabt.“

So langsam lichtete der Wald sich auch und zeigte die Ebene, von der ich gesprochen hatte, die langsam zum von hier nicht zu sehenden Fluss abfiel. Jetzt im Winter war es eine relativ graubraune Fläche, die schon von hier aus eher feucht aussah.

“Nicht ganz ein Tagesmarsch zu Fuß von der Stadt entfernt. Mit einem Pferd ein paar Stunden. Aber was willst du da? Frauen dürfen da nicht hinein“ beantwortete ich ihre Frage nach der Castra und hoffte, dass meinem Ton nicht allzu deutlich die Abneigung zu diesem Ort anzuhören war. Wobei, eigentlich doch, sie sollte ruhig wissen, dass ich das für eine blöde Idee hielt und mich fragte, was sie ausgerechnet da wollte.
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Falke
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12-17-2024, 11:48 AM,
Beitrag #14
RE: Einfach nur weg
"Ich bin das erste Mal von Zuhause weg", erwidete Catia zögerlich und zog ihre Augenbrauen zusammen. Noch mehr runzelte sie aber ihre Stirn, als Louarn ihr sagte, dass sie besser in ihrer Reisegruppe geblieben wäre. Sie hatte ihm doch erklärt, dass sie für sie wie eine Dienstmagd gewesen war, um für ihren Schutz zu bezahlen. Man hätte sie hinter dem Wagen hermarschieren lassen. 
War sie Louarn etwa lästig? Das Blut schoss Catia in den Kopf vor Scham. Sie drängte sich ungern auf. Doch was hatte sie erwartet? Mit ihm ewig in den Sonnenuntergang zu reiten? Sie sagte sich, dass sie absolut nichts über Louarns Leben wusste. An ihrer eigenen Haartracht konnte man ablesen, dass sie eine unverheiratete Frau war, doch bei Männern war das nicht so eindeutig. Vielleicht warteten zuhause schon seine Ehefrau und mindestens fünf Kinder auf ihn. Sie hatte ihn gerettet, und er hatte sie ein Stück mitgenommen. Er war sehr nett gewesen. Sie wollte also nicht unhöflich sein und lästig fallen. Außerdem musste sie ein bisschen lachen, als sie sich vorstellte, dass sie beide bei einem Dachs anklopften.
 Die Ebene sah von hier oben unwirtlich aus. Doch was sich Catia in den Kopf gesetzt hatte, würde sie tun, auch wenn sie nur ein Schultertuch besaß, durch das der Wind pfiff.
"Halte bitte einmal einen Moment das Pferd an. Ich zeige dir etwas"
Sie wartete, bis sie den Sattel loslassen konnte und nestelte dann aus ihrem Halsausschnitt ein Amulett. Es stellte einen etwas unförmigen Wildschweinkopf dar und war vergoldet oder vielleicht sogar tatsächlich  aus Gold. Ganz am Rande war ein Zahnabdruck zu sehen. Vermutlich hatte sich bereits jemand über den Metallwert vergewissern wollen. 
In den Kopf war quer hineingeritzt : APER
Catia streichelte über jeden Buchstaben: " Da steht Aper", sagte sie zufrieden: "So heißt mein Vater. Er dient bei den Adlern in jener Castra, und ich muss ihn sprechen"
Ihre schwarzen Augen funkelten, aber sie lächelte:
"Danke fürs Mitnehmen, Louarn. Ich denke, dass ich in der Ebene alleine klar komme. Ich wünsche dir das beste Leben, das du haben kannst - und ich hoffe, dass dir der Kopf nicht mehr weh tut"
fast hob sie ihre Hand, wie um seine Wange zu streicheln, dann ließ sie sie sinken.
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12-17-2024, 05:06 PM,
Beitrag #15
RE: Einfach nur weg
Wusste ich doch, dass das ihre erste Reise war! Warum auch immer Leute dachten, im Winter zu reisen wäre eine tolle Idee, und mehr noch, dass das alles wenig Vorbereitung brauchte. Naja, nachdem sie dann halb erfroren irgendwo im Straßengraben lagen, dachten die meisten doch mehr darüber nach. Wenn sie überlebten.

Catia wollte, dass wir anhalten, also hielt ich an und half ihr vom Pferd runter. Wir sollten sowieso ein wenig zu Fuß gehen, damit ihre Beine nicht erfroren. Das war das nächste, was die Leute dachten: Wenn man ein Pferd hatte, würde das reisen einfacher. Nicht wirklich, und die wenigsten dachten daran, wie verdammt kalt es wurde, wenn man einfach nur irgendwo rumsaß und sich wenig bewegte.
Sie kramte an ihrem hals und beförderte schließlich eine vergoldete Kette zutage. Warum auch immer sie mir die zeigte. Ich könnte ja auch ein Räuber sein. Aber sie fing an, zu erklären, und das kam mir so verdammt bekannt vor. Alun hatte auch unbedingt in die blöde Castra gewollt, um seinen Vater zu finden. Und umzubringen. Ich schaute Catia ein wenig skeptisch an. Wie eine Mörderin sah sie nicht aus.
Andererseits sah ich wohl auch nicht so aus, und trotzdem hatte ich…

“In der Castra sind mehrere tausend Männer. Selbst wenn sie dich vorlassen, dass du mit jemandem sprechen kannst, heißt das nicht, dass du ihn findest. Und wie sicher bist du denn, dass er überhaupt noch da ist?“ Wenn dieser Aper ihr Vater war, dann war er jetzt… alt. Keine Ahnung, wie alt, aber wohl alt. Alte römische Soldaten bekamen ein Stück Land irgendwo und gingen dann dorthin. Ich wollte es ihr ja nicht gleich ausreden, aber besonders hohe Erfolgschancen sah ich da jetzt auch nicht.

Und dann wollte sie sich auch noch verabschieden und jetzt selber weitergehen. Falls irgendjemand die Frauen verstand, sollte er bitte herkommen und sich viel Zeit nehmen, mir das ganze Mal zu erklären, denn ich verstand gar nichts. So wirklich gar nichts.
“Jetzt warte doch mal!“ sagte ich also, als sie wegstapfen wollte. Ich konnte sie ja wohl echt schlecht ganz allein hier mitten auf der Ebene lassen, wo sie meinte, dass Wölfe in der Nähe waren und sie nicht mal ein Zelt hatte. Da hätte ich sie auch gleich erstechen können, das würde schneller gehen. “Du weißt doch gar nicht, wo du lang musst und es wird wirklich kalt werden. Du wirst erfrieren oder zumindest krank werden“, meinte ich und stapfte also mit meinem Braunen am Zügel hinter und neben ihr her.
“Und du willst wirklich nach Iscalis, um deinen Vater zu finden. Warum…?" versuchte ich sie also davon abzulenken, dass ich neben ihr herlief. Vielleicht vergaß sie dann, dass sie allein durch die Wildnis stapfen wollte.
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Falke
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12-19-2024, 11:12 AM,
Beitrag #16
RE: Einfach nur weg
Catia war kurz stehen geblieben. So ein bisschen unschlüssig sah sie aus, als wolle sie weglaufen oder bleiben und das alles gleichzeitig, als Louarn: Warte mal! sagte.
Er stand da neben seinem Pferd und war ein so ansehnlicher Mann, dass sie schluckte, als sie ihn wieder ansah. Er war viel ansehnlicher als Angus damals bei Beltane, der einen langen dünnen Hals hatte und sich später nicht getraut hatte...
Louarn mit dem langen Haar und der edlen Gestalt war bestimmt kein Bauernjunge  - er glich nicht den jungen Männer aus ihrem Dorf, sondern eher einem Helden aus einer alten Geschichte, Fürst Gwydion und wie sie alle geheißen hatten. Aber die alten Geschichten waren schon längst vorbei und vielleicht niemals wahr gewesen, und Louarn sagte noch immer nicht wirklich, dass er gerne mit ihr weiterreisen wollte. Stattdessen stapfte er neben ihr her, als sie weiterging - und das, obwohl er doch ein Pferd zum Reiten hatte:
" Ich muss ihm sagen, dass meine Mutter im letzten Frühjahr gestorben ist. Und mein Onkel will mich an einen uralten Mann verheiraten", jetzt ballte Catia die Fäuste:
"An einen siechen Mann, der jemanden braucht, der ihn wäscht und füttert. Mein Onkel meinte, dass man mich dort gut behandeln würde. Ich bekomme keine Mitgift, Louarn. Und ich bin nicht so eine blendende Schönheit, dass Männer darüber hinwegsehen und trotzdem einen Brautpreis bezahlen würden. Doch verschachern wie eine Kuh lasse ich mich auch nicht. Mein Vater hätte doch da ein Wort mitzureden, oder?"
Catia wischte sich über die Augen. Dabei fielen gleich zwei der "Warzen" ab, was sie nicht bemerkte:
"Ich weiß nur seinen Namen: Aper. Und dieses Amulett hat er meiner Mutter Regat geschenkt. Und ich weiß, dass seine Legion die Zweite Augusta hieß. Meine Mutter hat stets davon gesprochen, dass Vater eines Tages zurückkommen würde, um uns für immer zu sich zu holen, wenn er vom Kaiser in Rom sein Land zum Lohn bekommen hat.  Aber jetzt ist sie tot, und er wird zu spät kommen", sie lächelte traurig:
"Nur ich bin noch da"
Vor ihnen lag der Abstieg, der Weg wurde schlechter und die Dämmerung kroch heran. Vielleicht war es wirklich besser, das Pferd zu führen, damit es sich nicht die Beine brach. 
Catia gähnte einige Male, sie war rechtschaffend müde. Es graute ihr davor, alleine im Wald schlafen zu müssen. Sie hatte es einmal getan und nicht schlafen können, so sehr hatte sie auf jedes Geräusch gelauscht. Und am Morgen hatte sie sich wie gerädert gefühlt. 
Noch war keine menschliche Ansiedlung oder irgendwo Rauch zu sehen, Louarn hatte recht behalten damit, dass sie hier höchstens einen Dachs um Obdach bitten konnten. 
Ob er bitte bei ihr bleiben würde? Wie fragte man, als sei es bedeutungslos, um den Anderen nicht unter Druck zu setzen, obwohl man es ersehnte? Catia war empfindlich darin, das Gefühl zu haben, sich aufzudrängen. Ihr Onkel hatte ihr zu oft gesagt, dass seine Schwester ihm mit ihr eine Last aufgebürdet hatte.
"Ein Feuer würde ein wenig wärmen. Ich kann Feuer machen, ich habe einen Feuerstein dabei. Sollten wir uns ein wenig ausruhen?", fragte sie und versuchte beiläufig zu klingen.
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12-19-2024, 05:28 PM,
Beitrag #17
RE: Einfach nur weg
Ich hatte sie offenbar erfolgreich abgelenkt, denn sie sagte nichts dazu, dass ich mit ihr mitging. Stattdessen erzählte sie mir. Sehr viel. Quasi ihr ganzes Leben. Auch wenn sie das vielleicht nicht so bemerkte oder es ihre Absicht war, aber jetzt wusste ich nicht nur, dass ihr Vater ein römischer Legionär und sie somit ein Mischling wie ich war, sondern auch, dass ihre Mutter wohl geglaubt hatte, dass der Vater zurückkehren würde. Offenbar hatte sie ihn geliebt. Anders wie bei mir. Und ich wollte ja nicht sagen, dass damals alle Legionäre vergewaltigende Scheißkerle waren. Aber es waren eben Legionäre gewesen, die damals in Mona vergewaltigt hatten. Und die Boudicca ausgepeitscht und ihre beiden Töchter Rücken an Rücken gefesselt und dann vergewaltigt hatten. Und selbst, wenn Catias Vater da nicht mitgemacht hatte, er hatte auch nichts dagegen getan. Aber das sollte ich jetzt vielleicht besser nicht sagen. Ich sagte also stattdessen erstmal “Ähm...“
Und sie erzählte mir, dass sie heiraten sollte, irgendeinen alten Mann. Klang eher so, als sollte sie verkauft werden. Das hatte bei uns Kelten durchaus auch Tradition, wenngleich meistens eher die besonders hübschen Mädchen als Nebenfrau auf dem Markt verkauft wurden und dann irgendeinem Fürsten eben als Bettwärmer dienten und mit dem Brautgeld die restliche Familie dann versorgt war. War nicht unbedingt schön für die Frauen, gab ich sicherlich zu, aber die Welt war eben hart. Und wenn man die Wahl zwischen Verhungern oder ein Familienmitglied opfern hatte, naja, dann lebten die meisten Familien halt doch recht gerne. Ich machte also noch einmal “Ähm….“ und überlegte, was ich sinniges dazu sagen sollte. Vielleicht auch besser nichts, denn sie war jetzt schon kurz davor, zu heulen und wischte sich die Augen.
“Ich glaube nicht, dass er da viel zu sagen hat. In der Castra dürfen wie gesagt keine Frauen sein, also könntest du auch dann nicht bei ihm wohnen, wenn er das wollte“, gab ich also nur zu bedenken und trottete weiterhin neben ihr her. “Aber das heißt ja nicht, dass du dich deshalb verkaufen lassen musst. Ich mein, du bist ja jetzt auch weggegangen. Wenn du in Iscalis eine Arbeit findest, dann kannst du machen, was du willst. Wenn du dein eigenes Geld hast, kann dir ja niemand was vorschreiben.“ Das sah ich zumindest als wesentlich wahrscheinlicher möglich an, als dass ihr Vater da in der Castra war und tatsächlich irgendwas für sie tun wollte. Wenn er das gewollt hätte, dann wäre Catias Mutter doch sicher in der Nähe des Lagers geblieben und hätte da ein Haus und würde vom Vater besucht werden und bekäme sein Geld und so. War ja nicht so, als gäbe es da nicht genug Frauen, die deshalb in Iscalis wohnten. Aber mit ihrem eigenen Geld konnte sie tun und lassen, was sie wollte.

Wir gingen eine Weile, und irgendwas an ihr war anders, aber ich konnte nicht den Finger drauf legen. Ich hätte schwören können, dass links neben ihrem Auge eine Warze gewesen war, aber ganz offensichtlich war da keine. Ziemlich seltsam.
Sie sagte schließlich was von einem Feuer, und ich sah mich um. “Wir sollten noch ein Stück weiter gehen und weiter von der Straße weg. Ich weiß glaub ich eine Stelle, wo es ein bisschen windgeschützt ist und wo uns Straßenräuber nicht schon von weitem sehen.“ Denn nicht alle Leute waren nett, und nah an der Straße war die Chance, überfallen zu werden, am größten.

Ich lenkte uns also ein wenig querfeld ein und über zwei Hügel. So langsam wurde es wirklich dunkel und ungemütlich, und ich musste langsamer als sonst machen, damit sie nicht irgendwo in einen Kaninchenbau hineintrat und sich den Fuß dabei brach oder so etwas. Nachts herumlaufen war ziemlich bescheiden, mit Pferd zweimal, und mit einer ungeübten Frau an der Seite dann dreifach.
Aber wir kamen schließlich zu einem abfallenden Hügel mit ein paar Findlingen darauf, die den Wind ein wenig brachen. Inzwischen war es schon ziemlich duster, aber hier waren wir vor Blicken recht gut geschützt und das Wetter heute war diesig genug, dass der Rauch von einem feuer nicht endlos weit gesehen werden würde.
“Hier ist gut. Ich hab Brennholz in der Satteltasche. Hol du es raus, ich bereite die Feuerstelle vor.“ Dass sie an meine Sachen gehen würde, machte mir nichts. Sie würde ein Schwert finden und meine zweite Axt – die andere trug ich am Gürtel – und noch ein Hemd und etwas Dörrfleisch und Trockenfrüchte. Nichts irgendwie verräterisches oder so.
Ich buddelte mit den Händen in der Erde also ein Loch aus, in das das Feuerholz dann kommen sollte. So würde man auch keinen Feuerschein von außen sehen, und wir konnten uns trotzdem ein wenig aufwärmen. So wirklich warm würde es zwar nicht werden, aber ein bisschen vielleicht. Ansonsten… würde ich wohl viel an Iomainth denken müssen, weil um es warm zu haben, sollten wir beieinander liegen und uns gegenseitig wärmen. Ich sollte vielleicht vorher nochmal austreten gehen.
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Falke
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12-20-2024, 04:15 PM,
Beitrag #18
RE: Einfach nur weg
Catia hörte Louarn zu, der zwei Mal Ähem sagte und dann, dass sie ja ihr eigenes Geld verdienen und niemand ihr reinreden könnte. Sie nickte:
"Aber mein Vater muss nicht Soldat bleiben, wenn er älter ist. Und dann kriegt er ein Stück Land vom Kaiser. Vielleicht will er da ein Haus bauen und kann dann eine Tochter brauchen, die ihm den Haushalt führt", ihre Stimme klang hoffnungsvoll. 
Dann hatte sie ihr Amulett wieder weggesteckt und ging jetzt hinter Louarn her, der führte, denn der Weg lief nun wieder querfeldein und stieg an und fiel ab. Sie überquerten zwei Hügel. Auf der Anhöhe blieb Catia stehen. Ihr rotes Haar leuchtete in der Winterdämmerung, ihre Augen waren fast schwarz. Mit einer schnellen Bewegung fuhr sie sich über ihr Gesicht und entfernte hastig die grauschwarzen Placken. Ein wenig verfärbt war ihr Gesicht da noch, wo sie gesessen hatten:
"Schau, Louarn. Ich bin nicht entstellt. Das habe ich mir nur ausgedacht, damit mir niemand etwas antut. Dir zeige ich aber die Wahrheit, weil ich es gar nicht mag, nette Leute anzulügen", sie lachte, als sei ihr eine große Überraschung gelungen und drehte sich einmal um sich selbst, dass ihre Zöpfe flogen.
Dann schaute sie zu den Findlingen hin: "Du kennst dich aber gut aus hier in der Gegend. Das ist ein guter Rastplatz. Bist du dir jedoch sicher, dass das hier kein Elfenland ist? Es sieht ein wenig so aus. Lass uns schnell ein Feuer anmachen, damit sie sehen, dass wir Eisen dabei haben"
Catia holte ihr Feuerspiel aus ihren Sachen und winkte Louarn damit zu. Dann streichelte sie das Pferd, nannte es "Liebe" und "Süße" und kramte in den Satteltaschen. Als erstes fand sie ein eingewickeltes Schwert. Catia pfiff kurz durch die Zähne , als sie erkannte, was es war, und sie legte es behutsam hinter sich auf einen der Findlinge.
Das zweite war eine Axt, die der anderen Waffe folgte. Auf ihr Feuereisen war Louarn wirklich nicht angewiesen, wenn er Elfen abschrecken wollte. Erst nach den Waffen stieß Catia auf Dörrfleisch und Trockenfrüchte. Auch die legte sie daneben, aber so, dass das Pferd nicht dran kam. 
Mit dem Feuerholz belud sie sich und klemmte es unter ihr Kinn. Dann ging sie zu Louarn, der auf dem Boden kniete und mit beiden Händen eine Grube aushob:
"Ein Schwert hat nicht jeder. Du bist tatsächlich kein ...Pferdeknecht oder Handwerker, oder?", fragte sie. Er hatte ja nur gesagt, dass er in Iscalis arbeitete. 
"Bist du ein Krieger? Ware jemand hinter dir her, hat dich gejagt und du bist deshalb gestürzt?"

Catia schichtete das Feuerholz in die Grube. Darauf kam etwas getrockneter Baumschwamm als Zunder. Noch kniend schaute sie zu Louarn:
"Dieses Feuer wird gehegt wie ein Herdfeuer. Dann ist es wohl richtig, dass die Frau es anmacht", sprach sie nachdenklich:
"Wir haben Fleisch, Früchte, Emmer ohne Spelzen und Wasser. Welch reich gedeckter Tisch...", ein wenig lächelte sie nun in sich hinein  und zog ihr Schultertuch fester.
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12-20-2024, 05:51 PM,
Beitrag #19
RE: Einfach nur weg
Ich hielt wohlweislich die Klappe, als sie weiterhin von ihrem Vater schwärmte. Wenn es ihr den Mut gab, weiter zu laufen, dann musste ich jetzt nicht heute das Arschloch sein, das alles kaputt machte. Auch wenn ich wirklich nicht glaubte, dass ihr Wunsch in Erfüllung gehen würde. Römer funktionierten nicht so. Selbst die netten nicht. Wenn ihr Vater sich für sie interessiert hätte, hätte er schon längst Kontakt aufgenommen. Also war er entweder tot, oder aber wollte schlicht keine keltische Tochter haben. Warum auch sich ein Kind ans Bein binden, das nicht mal ein Sohn war? Nein, ich glaubte da wirklich nicht an ein glückliches Ende und verkniff mir auch die Bemerkung, dass sie also einen alten Mann nicht heiraten wollte, einen anderen alten Mann aber schon versorgen wollte. Nope, alles wenig nette Sachen, die ich nicht sagte, nur dachte.

Und dann passierte etwas sehr komisches, und ich verstand gleich mehrere Sachen gar nicht. Catia wischte sich über die Stirn und die Warzen fielen runter und hinterließen nur ein paar Flecken, und sie verkündete, dass sie gar nicht entstellt sei. WARUM? Warum verkleidete sie sich erst, nur um dann einem wildfremden Kerl zu offenbaren, dass es eine Verkleidung war?! Warum erzählte sie mir das?! Ich schaute sie wohl an wie eine Kuh bei Donner, denn ich verstand wirklich überhaupt nicht, was grade passierte und warum sie das machte.
“Ich bin aber nicht nett“, sagte ich vielleicht etwas schroff und deutlich überfordert zu ihrer Vorstellung und stapfte einfach verwirrt weiter zu unserem Rastplatz. Aber ernsthaft, ich verstand das überhaupt gar nicht. Nach fünf Tagen, einer gemeinsamen Jagd und vielleicht etwas Sex hätte ich es verstanden, aber einfach so nach ein paar Stunden Fußmarsch? Ich verstand die Frau nicht.

Sie fragte, ob das hier Feenland sei, während ich das Loch für das Feuer aushob, und ich lachte leicht und schüttelte den Kopf. “Alles Land gehört den Fey. Aber sie haben nichts dagegen, wenn hier jemand schläft“, meinte ich nur, und ja, ich hatte hier schon früher mal geschlafen. Allerdings taten mir die Feen und Kobolde auch vielleicht nichts, weil ich zumindest formal Druide war. Keine Ahnung, aber ich glaubte einfach nicht, dass sie Catia etwas tun würden, auch wenn sie seltsam war.
Und sie wühlte auch deutlich mehr in meinen Sachen, als ich gedacht hatte, und packte alles aus. Weshalb ich, als das Loch fertig war, wieder zu meinem Pferd ging und alles wieder verräumte, wo es hingehörte. “Es war niemand hinter mir her.“ Niemand lebendiges zumindest. Nur meine eigenen Gedanken. “Und ich diene niemandem, falls das die Frage war“, ergänzte ich noch, ohne jetzt genau zu sagen, ob ich Krieger oder Pferdeknecht war. Im Grunde genommen war ich gar nichts so wirklich.

Sie machte Feuer und meinte, die paar Streifen Trockenfleisch und Dörrobst wären ein festessen. Offenbar hatte sie noch Getreide dabei, von dem ich nichts hatte. Ich hätte mehr mitnehmen sollen, denn die Stute hatte Hunger und stupste mich dementsprechend auch an. “Ich weiß, Brauner“, sagte ich und streichelte sie beruhigend. “Morgen gibt es Hafer, versprochen“, sagte ich und suchte mein Messer raus, um ihr die Hufe auszukratzen, damit sich keine Steine in den Hufen festtraten. “Mein Brauner würde sich über ein bisschen Getreide freuen, ich hab keins mehr dabei. Falls du eine Hand voll erübrigen kannst.“ Das wäre zwar auch viel zu wenig für ein Pferd, aber immerhin mehr als die kargen Grashalme hier in der Umgebung.

Ich war dann auch mit den Hufen fertig und klopfte meiner Stute nochmal aufmunternd auf die Flanke, ehe ich zu Catia rüberschaute. So wirklich schlau aus ihr wurde ich wirklich, wirklich, wirklich nicht. Aber dass ihr etwas kalt war, sah ich. Ein unruhiges Gefühl machte sich in mir breit.
“Iss ruhig ein bisschen was. Ich… leg noch ein paar Schlingen aus, vielleicht haben wir dann für Morgen ein Kaninchen.“ Außerdem brauchte ich ein paar Augenblicke für mich allein, um den Kopf klar zu kriegen.
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Falke
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