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[Tablinum] Claudia Sabina bittet um einen Termin
09-03-2024, 05:27 PM,
Beitrag #1
[Tablinum] Claudia Sabina bittet um einen Termin
Leander war nun nicht unbedingt davon begeistert gewesen, als Hector ihm eröffnet hatte, dass er an seinem freien Tag einen Termin für ihn ausgemacht hatte. Eigentlich hatte Hector keine Termine für ihn zu schließen, wo käme man denn da hin? Schon, als Leander nur Sklave und Maiordomus war, hätte Hector diese Befugnis nicht gehabt. Aber jetzt, wo er der erbe von allem hier war, erst recht nicht.
Nachdem Hector aber erklärt hatte, dass dieser Termin eine dringliche Angelegenheit von Claudia Sabina wäre und er der Oberschicht der Stadt wohl schlecht eine Absage hätte erteilen können, verstand Leander den Gedankengang und beließ es bei einer eindringlichen Ermahnung, fortan die Grenzen besser zu wahren und nicht die Kompetenzen zu überschreiten. Er wollte nicht schwach wirken in seiner neuen Position, sonst tanzten ihm bald alle auf der Nase herum, aber in diesem speziellen Fall war es hoffentlich gerechtfertigt.


Und so saß er an seinem freien Tag vormittags im Tablinum des Hauses und wartete, während er nebenbei die Rechnungsbücher von Seneca durchging. Eine Pflicht, die letztendlich ihm nützen würde, aber dennoch einen erstaunlichen Teil seiner Zeit fraß, denn obwohl er schon seit Jahren die Buchhaltung erledigte, fanden Senecas Töchter – seine Schwestern de jure – immer neue kreative möglichkeiten, das Geld ihres Vaters auszugeben, und Seneca tat nicht wirklich etwas dagegen.
Überhaupt tat er in letzter Zeit sehr wenig. Im Moment schlief er in der Bibliothek und sein rasselnder Atem war bisweilen zu hören, wenn ihn ein Hustenanfall plagte. Leander hatte zwei Sklavinnen abgestellt, über ihn zu wachen, aber es war nicht zu erwarten, dass er heute wesentlich mehr tun würde als in den letzten Wochen. Tatsache war, mit Caius Plautius Seneca ging es dem Ende zu, und Leander musste nun wirklich eine Braut finden. Der Plan, sich eine auf dem Markt zu kaufen, war noch immer nicht vom Tisch und würde von ihm wohl bald umgesetzt werden, wenn sich sonst wirklich keine annehmbare Alternative auftat.


Claudia Sabina würde wohl keine solche Alternative sein, weshalb Leander Gedanken in diese Richtung für die nächste stunde verbannte und sich erst einmal auf seine Bücher zu konzentrieren versuchte und auf welches Anliegen auch immer Claudia Sabina haben mochte, wenn sie einträfe.
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09-06-2024, 04:02 PM,
Beitrag #2
RE: [Tablinum] Claudia Sabina bittet um einen Termin
Ich hatte mir fast so viel Gedanken gemacht über meine Kleidung wie damals, als Cato meinen Vormund um meine Hand bat. Nur die Vorfreude und der Wunsch, einem geliebten Mann gefallen zu wollen,  fehlten diesmal. Keinesfalls wollte ich heute wie ein dummes Kücken erscheinen, sondern lieber wie eine erwachsene Matrona. Ich war ahnungslos, aber nicht dumm. Es war nicht meine Schuld, dass mein Vormund und mein Mann gemeint hatten, mich von allem fernhalten zu müssen.

Ich trug also ein helles Gewand, darüber eine dunkelblaue Stola und Schmuck aus Gold und schwarzem Onyx, und ich war sorgfältig geschminkt: Helle Haut, rote Lippen, die Augenbrauen mit Ruß nachgezogen. Meine Haare hatte ich vorne in Löckchen legen und verstärken lassen, denn obwohl ich keinesfalls an Haarausfall litt, reichte mein eigenes Haar nicht für all die Pracht. Ich hatte auch Parfüm aufgelegt, allerdings nicht zu reichlich: Der Anwalt sollte denken können und nicht benebelt werden. Meine hübschen dunkelblau gefärbten Schuhe gingen mir bis zu den Knöcheln und waren ganz weich. Da fiel es hoffentlich nicht so auf, dass ich bereits ein wenig watschelte.
Alles war so, wie es sein musste, auch wenn ich auf Grund meiner Frisur den Kopf nicht gut drehen konnte. Doch die Damen des Kaiserhaus waren genau auf diese Weise frisiert, und ich legte Wert auf Mode.
Ich hatte Agamedes als meinen Sekretär mitgenommen, obwohl das nicht seine Aufgabe war, doch er schlug es mir nicht ab. Er war bemerkenswert uneitel. Er grüßte den Ianitor freundlich (der soweit ich verstanden hatte, auch eine Art Sekretär war und den Termin vergeben hatte) und dann ließen wir uns in das Tablinum der Casa Plautia führen. 
Agamedes hatte meine Unterlagen dabei, darunter eine Abschrift meines Ehevertrags, der damals am Hochzeitstag im Tablinum ausgestellt worden war.

Der Sohn des Hausherren: Plautius Leander, ich nahm an, dass er es war, weil Plautius Seneca nachdem was man hörte, schon steinalt war, und dieser Mann dagegen mittleren Alters, arbeitete konzentriert an irgendwelchen Papieren, wie sich das für einen Anwalt gehörte.

" Salve werter Rechtsgelehrter Plautius Leander. Ich danke Dir, dass Du mich so schnell empfangen konntest", sagte ich.
[Bild: 3_15_08_22_9_35_15.png]
Vormund (Tutor):  Manius Claudius Menecrates
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09-06-2024, 09:09 PM,
Beitrag #3
RE: [Tablinum] Claudia Sabina bittet um einen Termin
Als der Gast erschien, erhob Leander sich und legte die Schriftstücke beiseite, um die Dame zu begrüßen. Einen Moment überlegte er, ob er nicht besser eine Toga hätte anziehen sollen, verwarf diesen Gedanken aber sogleich. Dies hier war kein Gerichtssaal und er war in seinem eigenen Zuhause und nicht auf Bittgesuch. Und es entsprach durchaus den örtlichen Gepflogenheiten, sich nicht andauernd in dieses sperrige Gewand zu werfen, sondern praktische Alltagskleidung anzuziehen. Auch Seneca hatte sich noch nie groß Gedanken um sein Erscheinungsbild gemacht und mitunter hatte Leander insistieren müssen, dass er zu wichtigen Terminen doch dementsprechend gekleidet war.
Hier und jetzt konnte also Leander nicht mit dem Putz seines Gastes mithalten und hatte es auch nicht vor, blickte ihr aber freundlich entgegen und wies mit einer einladenden Geste auf einen bequemen Korbsessel, in den sie sich hoffentlich trotz ihrer Stola setzen konnte. “Es ist mir eine Ehre, dich im Haus meines Vaters zu empfangen, Claudia Sabina, wenngleich ich nicht weiß, was mir diese Ehre denn verschafft?“ fragte er also nach dem Grund für die eile dieses Termins.
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09-09-2024, 01:19 PM,
Beitrag #4
RE: [Tablinum] Claudia Sabina bittet um einen Termin
"Es war eher der Ruf deines Vaters als der deine, werter Plautius Leander", gab ich zu: "Obwohl ich damit keinesfalls sagen will, dass dein Ruf schlecht ist"
Ich nahm auf der äußersten Korbsesselkante Platz - nicht weil ich auf dem Sprung, sondern weil mein Gewand heute so voluminös war:
"Warum ich gekommen bin? Ich habe ein Problem privater Natur, dass aber auch rechtliche Konsequenzen hat.  Da ich annehme, dass du weniger Zeit hast als ich, falle ich gleich mit der Tür ins Haus: Ich werde mich von meinem jetzigen Ehemann Marcus Iulius Cato scheiden lassen"

Ich sagte nicht: Ich möchte. Ich wollte, und ich würde es tun. Dennoch war es seltsam, das gegenüber eines Fremden laut auszusprechen:

" Ich möchte jedoch meine Mitgift nicht verlieren. Es ist mein Geld - selbst wenn es mir rechtlich nicht zusteht. Ich werde es brauchen. Welche Begründung muss ich liefern, dass ich meinem Mann nichts davon überlassen muss? Und überhaupt, um mich schnellmöglich von ihm zu trennen?"

Ich holte tief Luft. Ich merkte selbst, dass mir die Worte durcheinander gerieten. Ich verknotete meine Hände in meinem Schoß.
Es war bestimmt ein Fehler, hergekommen zu sein. Auch der Plautius war ein Mann. Eine Krähe hackte der anderen kein Auge aus. Die Männer hielten zusammen. Zumal ich offensichtlich schwanger war mit einem Kind von Iulius:

"Agamades, zeige dem ehrenwerten Herr Rechtsgelehrten die Abschrift des Ehevertrages"
Mein Hauslehrer rollte die Schriftrolle aus.

In diesem Vertrag wurde die Mitgift quittiert und der Unterhalt der Braut während der Ehe und die Rückgabe der Mitgift im Falle einer Scheidung geregelt. Für den Unterhalt der Braut hatte der zukünftige Ehemann gemäß seiner Möglichkeiten zu sorgen. Mein Vormund sicherte allerdings vertraglich eine jährliche Zahlung aus den Ländereien meines Vaters von zehntausend Sesterzen zu, da ich sie selbst nicht erben durfte, obwohl ich sein einziges Kind war.
Ich hatte Schmuck von Cato bekommen, den ich sehr gerne mochte.  Die eigentliche Mitgift hatte einen Geldwert von 1500 Denaren, dazu  kamen verschiedene Kombinationen von Kleidung, die einen Wert von je 140 bis 400 Drachmen hatte. Und ich hatte eigenen Schmuck, den ich an meine Töchter weitergegeben hätte, sowohl Mäntel, Möbel, Statuen, Lampen, kostbares Glas, Gefäße und alle meine Möbel.
Im Falle, dass er sich etwa wegen Unfruchtbarkeit scheiden lassen würde,  musste mir Cato meine Mitgift je nach Wunsch in Naturalien oder den Geldwert zurückgeben.

" Und was würde mit unseren gemeinsamen Projekten geschehen: Der Fertigstellung des Sabinatheaters ? Und dem Hochzeitsgeschenk der Furier, einer wertvollen Statue des Ganymed? Gibt es etwas, was du mir raten kannst?"

Die Möglichkeit, dass ich mich scheiden ließ, war gar nicht aufgeführt. Weder mein sittenstrenger Vormund, noch mein Gatte hatten anscheinend mit solch Affront gerechnet.*



*Sim off: Mir fiel beim Schreiben auf, dass der Ehevertrag Cato- Sabina nie ausformuliert wurde.  Daher hier eine grobe Zusammenfassung des Inhaltes

[Bild: 3_15_08_22_9_35_15.png]
Vormund (Tutor):  Manius Claudius Menecrates
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09-09-2024, 04:32 PM,
Beitrag #5
RE: [Tablinum] Claudia Sabina bittet um einen Termin
Leander setzte sich der jungen Frau gegenüber und hörte zu. Eine Scheidung war also der Grund ihres Erscheinens, auch wenn Leander gerade nicht wusste, was daran so kompliziert sein sollte. Ehen wurden andauernd geschieden und in den meisten Fällen reichte eine einfache Scheidungsformel vor Zeugen ausgesprochen dazu auch aus.
Üblicherweise hätte Leander die Auskunft, dass eine junge Frau sich scheiden lassen wollte, für eigene Zwecke zumindest in Erwägung gezogen, aber in diesem Fall war er nicht vermessen genug, darüber länger nachzudenken als unbedingt erforderlich. Vermutlich aß die junge Frau jeden Tag fünf von einem persönlichen Koch für sie zubereitete Mahlzeiten und erbrach die Hälfte davon wieder, um schlank zu bleiben, oder ähnlicher patrizischer Unfug.

Leander nahm die dicke Schriftrolle entgegen. Eheverträge waren immer recht umfangreich, insbesondere unter vermögenden Partnern.
“Da du weiterhin eine Claudia geblieben bist und keine Iulia geworden bist, nehme ich an, dass kein Gewaltenübergang an deinen Mann vonstatten ging? Dies ist schonmal gut, da es viele unangenehme Einzelheiten erheblich verkürzt. Die Ehe wurde per Usum geschlossen?“ fragte er noch einmal nach. Natürlich würde das auch irgendwo in diesem Vertrag stehen, aber die wichtigsten Informationen ohne zu suchen zu bekommen hatte Vorteile.

Nachdem er sich also über die groben Dinge hatte informieren lassen, warf er erst einmal einen Blick in den vertrag. Letztendlich war die Ehe nur ein bindender Vertrag, und an die darin verhandelten Formen musste man sich nur halten, um für alle Eventualitäten wie Scheidung oder Tod gewappnet zu sein.
Nachdem Leander also den Vertrag eine Weile studierte und eine Sklavin der Claudia so lange etwas zu trinken und Häppchen anbot, atmete er einmal durch und überlegte kurz, ehe er zum Antworten kam.

“Nun, Claudia, im Grunde ist es ganz einfach. Du sprichst die Scheidungsformel, nimmst deine Sachen und gehst zurück zu deinem Vormund. Niemand kann dich zum Erhalt einer Ehe zwingen. Wie glücklich dein Vormund darüber ist, wirst du selbst besser einschätzen können als ich.

In seiner Weisheit hat seinerzeit Divus Augustus bestimmt, dass Vermögen zwischen Ehegatten nicht vermischt werden dürfen. Bezüglich deiner Dos ist dies also ganz einfach so geregelt, dass sie dir selbstverständlich übergeben werden muss, abzüglich dem gesetzlichen Sechstel, sofern das Kind lebend geboren wird. PDie Dinge, die unvertretbar sind – meistens also Schmuck, Grundstücke und dergleichen – müssen als Original zurückgegeben werden. Die Dinge, die vertretbar sind, als ein adäquater Ersatz, üblicherweise Geld. Die betrifft vor allen Dingen Viehbestände. Sind unvertretbare Gegenstände einer Wertminderung unterlegen, müsste er Schadenersatz leisten, sofern er vorsätzlich oder fahrlässig diese Wertminderung zu vertreten hat. Dies beträfe beispielsweise die Missbewirtschaftung von Grundstücken.

Sofern du erwartest,, dass es hierbei Probleme geben könnte, steht dir der Rechtsweg natürlich offen und du kannst beim Praetor – das heißt, hier in der Provinz bei kleinen Werten bei den Duumvirn, bei großen Werten, die ich hier annehmen würde, beim Legatus Augusti pro Praetore – Klage einreichen als actio rei uxoriae. Ein Richter hat bei derlei Klagen großzügigen Spielraum, um das zu bemessen, was recht und billig dabei ist.“


Leander atmete noch einmal durch und sah die Claudia dann mit der ruhigen Art eines Anwaltes an. “Es steht mir nicht zu, dich irgendwie zu beurteilen, aber um dich zu beraten, muss ich wissen, aus welchem Grund du die Ehe scheiden willst und ob dein Mann dir deshalb eine mindere Moral, Unsittlichkeit oder fehlende Bemühungen für die Ehe vorwerfen kann. Dass eine Frau die Scheidung anstrebt, noch dazu eine Schwangere, ist eher ungewöhnlich. Daher fürchte ich, muss ich die Hintergründe dieser Entscheidung hinterfragen, um dich wirklich umfassend beraten zu können.“
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09-11-2024, 03:21 PM,
Beitrag #6
RE: [Tablinum] Claudia Sabina bittet um einen Termin
Ich starrte Plautius Leander an, als wäre plötzlich der Pharos von Alexandria hier in iscalis aufgetaucht - wie ein Weltwunder. Es war also einfach. Es war also soo einfach. Ich musste nur mein persönliches Habe nehmen und gehen....
"Was muss ich als Formel sagen?", fragte ich, denn ich wollte alles ganz richtig machen. Es war meine erste Scheidung. 
Meine Mitgift musste mein Ex mir ganz zurückgeben. Über irgendwelche Abnutzung ging ich hinweg, sollte er etwas abgenutzt haben, sei es darum. Vielleicht konnte ich einen Teil davon gegen das Theatergrundstück eintauschen, das wollte ich gerne haben. Mich würde er jedoch nicht länger abnutzen. Und wenn Cato wütend wurde und mir mein Eigentum nicht zurückgeben würde, konnte ich Klage bei Petilius Rufus einlegen. Hach, was war das schön.
"Wie war das mit dem Sechstel und dem Kind?", fragte ich noch einmal nach, und instinktiv legte ich meine Arme schützend um meinen Bauch. Der arme kleine Iulius in mir drin würde doch hoffentlich lebendig auf die Welt kommen. Auch wenn ich den Vater nicht mehr liebte, hätte ich meinem Kind nie etwas Schlechtes gewünscht:
"Weshalb soll ich ihm von meiner Mitgift abgeben, wenn ich ein Kind gebäre?"
Wie gesagt, ich wollte nichts falsch machen. Den Gedanken an meinen Vormund schob ich weit weg. Er war gerade nicht da, und ich würde ihn vor vollendete Tatsachen stellen. 
Und dann fragte mich der Anwalt nach dem Grund der Trennung. Ich schluckte:
"Wenn du noch keine Gerüchte gehört hast, so lebst du wahrhaft nur für dein Amt, werter Plautius Leander", antwortete ich:
"Es ist stadtbekannt, dass mein Ehemann in der Tribunenvilla in der Castra offen mit seiner Geliebten lebt. Keine Sklavin, kein Mädchen niedrigen Standes ist sie, sondern eine keltische Fürstin. Er behandelt sie vor allen wie seine Ehefrau"
Sogar seinen Sklaven - zumindest Nefertem -  tat ich Leid, so sehr brüskierte er mich. Mitleid von Sklaven mir, einer Claudia. Und ich hatte mich die ganze Zeit nicht beschwert, auch nicht meinem Vormund gegenüber. Ich war vor dem Charakter meines Ex gewarnt worden, hatte das aber nicht sehen wollen.
[Bild: 3_15_08_22_9_35_15.png]
Vormund (Tutor):  Manius Claudius Menecrates
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09-11-2024, 06:38 PM,
Beitrag #7
RE: [Tablinum] Claudia Sabina bittet um einen Termin
Natürlich hatte Leander auch Gerüchte gehört, aber es lag nicht an ihm, deren Wahrheit zu beurteilen und vor allen Dingen war so etwas nicht unbedingt ein Grund für eine Scheidung, wenn die Ehe weiterhin für beide Parteien vorteilhaft war. Allerdings war sie das für Claudia Sabina damit wohl nicht mehr.

“Das Kind wird in jedem Fall beim Vater bleiben, es untersteht seiner Patria Potestas. Das sechstel der Mitgift ist für seinen Unterhalt gedacht, da dein Mann zur Versorgung dieses Kindes ja auch erhöhte Ausgaben nun hat“, erläuterte Leander ruhig und sachlich.

“Du brauchst sieben Zeugen für deine Scheidung, die römische Bürger sein müssen und musst danach das Haus endgültig verlassen. Eine Scheidung, bei der die Frau nach wenigen Tagen zurückkehrt, wird als im Zorn ausgesprochen betrachtet und ist ungültig. Als Formel müsstest du die Worte sprechen tuas res tibi agito.“ Was wörtlich soviel hieß wie mach deine Sachen allein und etwas feiner klang als kümmere dich ab sofort selbst um deinen… Kram.
“Deine Sachen, sofern sie nicht Teil der Mitgift sind, müssen daraufhin aus dem Haus geschafft werden. Den Rest, der deine Mitgift ist, muss von deinem Ehemann binnen drei Jahren herausgegeben werden. Wenn du aufgrund der Umstände Klage einreichst, kann man ihm geringe moralische Verfehlungen vorwerfen, so dass die Herausgabe der Mitgift innerhalb von sechs Monaten erfolgen muss. Wäre die andere Frau schon verheiratet mit einem anderen, könntest du wegen adulterium deines Mannes auf einer sofortigen Herausgabe bestehen, aber ich gehe davon aus, dass dies nicht der Fall ist.“

Leander ließ die Informationen erst einmal einen Moment bei seiner Klientin sacken, ehe er fortfuhr. “Wenn es dir wirklich ernst mit der Scheidung ist, würde ich dir raten, sie noch vor deiner Reise auszusprechen. In dem Fall unterstreicht deine Wegreise die Ernsthaftigkeit deiner Absicht und wenn du in Londinium bist, kannst du schon einmal die Verhandlung deiner Mitgiftklage beantragen. Üblicherweise dauert es bis zu einem Gerichtstermin ein paar Monate, und wenn du ihn nicht brauchst, weil dein Mann von sich aus die Mitgift zurückgibt, kannst du den Termin mit einem einfachen Rücktritt von der Klage wieder stornieren.
Das hätte auch den Vorteil… Nun, dass dein Kind direkt nach der Geburt von dir getrennt würde und du es nicht sehen musst, wenn du es nicht wünscht. Vielen Frauen fällt der Abschied von ihrem Kind schwer und aus Liebe zu einem Kind blieb schon so manche Ehe erhalten, die andernfalls von der Frau geschieden worden wäre.“

Eigentlich hatte Leander seine Einschätzung von einem anderen Lebensbereich: Feldsklavinnen, die Kinder bekamen, wurden häufig direkt nach der Geburt von diesen getrennt. Manche Schriftsteller rieten sogar eindringlich zu diesem Vorgehen, da sich so die Trauer und Erholungszeit der Sklavin wohl erheblich verkürzte, ehe sie weiterarbeiten konnte, während Frauen, die eine Bindung zu ihrem Säugling hatten, oft monatelang weinten und wüteten, bis sie entweder aufgaben oder zerbrachen. Leander war sehr froh, dass er nie zur Feldarbeit gezwungen gewesen war.
“Du musst deinem Mann auch nicht unbedingt direkt gegenüber treten, die Entscheidung kann auch schriftlich mitgeteilt werden, mit der Unterschrift der Zeugen auf dem Scheidungsbrief. Er muss ihm nur zugehen, so dass er Kenntnis davon erlangt.“
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09-12-2024, 04:39 PM,
Beitrag #8
RE: [Tablinum] Claudia Sabina bittet um einen Termin
Nein, es war doch nicht einfach. Alles hatte einen Preis im Leben. Und dieser Preis war Klein - Iulius:
"Du meinst, ich muss ihn seinem Vater gleich übergeben, wenn er geboren wird, werter Plautius Leander?", fragte ich. 
Gleichzeitig dachte ich, dass Cloelia, auch wenn sie keine gute Mutter gewesen war, mich zumindest nicht alleine zurückgelassen hatte. Ich war im Haus ihres zweiten Ehemannes aufgewachsen, betreut von Sklavinnen. Ich hatte zuerst Griechisch gesprochen und dann ein wenig Aegyptisch. Und dann erst viel später Latein.
Ich hatte Cloelia vor meinem zehnten Lebensjahr selten gesehen. Sie interessierte sich erst für mich, als ich ins verlobungsfähige Alter kam. 
Doch Klein - Iulius würde mich überhaupt nicht sehen. Man würde ihn von mir fernhalten. Was würde ich sein für ihn? Nicht einmal eine Erinnerung....
Meine Euphorie verschwand. Und dennoch war es der Schritt, den ich gehen wollte:
"Ein Brief, den ein Bote in die Castra bringt. Eine Formel und die Unterschrift von sieben römischen Bürgern. Wir haben Klienten, das bekomme ich hin", wiederholte ich:
"Dann nehme ich meine persönlichen Sachen und gehe. Das mit dem Gerichtstermin werde ich in Londinium erledigen, so wie du mir rätst. 
Aber was kann mein Mann mit einem Säugling anfangen? Er ist immer bei der Legion. Meinst du nicht, dass man in mir wenigstens so lange lassen kann, bis er verständiger wird?", meine Frage klang bange. Ich merkte selbst, dass ich mich gegenüber einem Rechtsgelehrten lächerlich machte. Ein wenig errötete ich. Bestimmt hielt mich Plautius Leander jetzt für eine dumme Pute:
"Entschuldige, dass ist natürlich keine Frage, die man seinem Anwalt stellt", ich lächelte jetzt und atmete durch, so dass die Farbe in meinem Gesicht hoffentlich verblasste:
"Ich habe für einen Moment die Fassung verloren, doch diese Schwäche ist vorüber. Ich bin dir zu Dank verpflichtet. Da ich keine Ahnung von den Gepflogenheiten bei Rechtsgelehrten habe, bitte ich dich darum, mir dein Honorar zu nennen, werter Plautius Leander"

Noch etwas fiel mir ein: Bran, der Sklave. Er hatte Angst vor Cato. Ich hatte versprochen, ihn zu beschützen. Aber jetzt konnte ich ihn nicht mitnehmen. Er war Teil der Mitgift. Hier waren die Anweisungen des Anwalts ganz klar gewesen.
[Bild: 3_15_08_22_9_35_15.png]
Vormund (Tutor):  Manius Claudius Menecrates
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09-12-2024, 08:15 PM,
Beitrag #9
RE: [Tablinum] Claudia Sabina bittet um einen Termin
“Du musst das Kind nach der Scheidung übergeben, sobald das möglich ist. Wenn du dich also vor dessen Geburt scheidest, muss das Kind direkt nach der Geburt übergeben werden. Die Tradition würde allerdings ebenfalls verlangen, dass er das Kind sofort nach der Geburt zu sehen bekommt, wenn du mit ihm verheiratet wärst“, präzisierte Leander also noch einmal und sah schon, wie es in Claudia Sabina arbeitete. Einen Moment schien sie in ihrem Entschluss zu schwanken, aber Leander schrieb das ihrem Alter noch mehr als ihrem Geschlecht zu. Junge Menschen waren oft unsicher in ihren Entscheidungen. Aber sie schien weiterhin gewillt, die Sache durchzuziehen.
“Das gute an Anwälten ist, dass man ihnen jede Frage stellen darf. Das schlechte an ihnen ist, dass einem die Antworten meistens nicht gefallen“, meinte Leander ruhig schmunzelnd, als sie meinte, ihre Frage sei nichts für einen Anwalt. “Und ich will annehmen, dass er das Kind einer Amme anvertrauen wird oder mitsamt der Amme zu Verwandten schicken wird. Kinder gehören ihrem Vater, daran lässt sich nichts ändern. Dein Mann kann natürlich freiwillig beschließen, das Kind in deiner Obhut zu lassen, aber es gibt keine Möglichkeit, es von ihm zu verlangen.“ Das war schon so Sitte, bevor Rom gegründet worden war. Selbst König Priamos hatte damals seinen Sohn Paris ausgesetzt, weil ihm prophezeit worden war, dass der junge Paris einst den Untergang Trojas einleiten würde. Daran konnte auch kein Anwalt etwas ändern.

Anscheinend hatte sie alles erfahren, was sie wissen wollte, und machte sich zum Aufbruch bereit.
“Da dies nur eine kurze Beratung war, werde ich dir nicht mehr als einhundert Sesterzen in Rechnung stellen. Solltest du in weiteren Fällen einen Anwalt benötigen, vertraue ich darauf, dass du dich an meine Dienste erinnern wirst und mich für weitere Dienste in Betracht ziehst. Dann zu üblichen Honoraren, die dir sicherlich dein Ratgeber“ – damit meinte Leander den anwesenden Sklaven – “im Vertrauen mitteilen kann.“
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09-14-2024, 06:46 PM,
Beitrag #10
RE: [Tablinum] Claudia Sabina bittet um einen Termin
Über den Witz mit den Anwälten musste ich lachen:
"Eine ehrliche Antwort ist doch die beste Antwort. Schmeicheleien würden mir leider nicht weiterhelfen, werter Rechtsgelehrter Plautius Leander", antwortete ich. Es war besser, sehenden Auges zu wissen, was auf mich zukam.
Hundert Sesterze Honorar waren bestimmt auch nicht teuer für solch einen guten Anwalt. Agamedes hatte mir gesagt, dass früher in Rom wie in Griechenland die Rechtsvertretung ein reiner Freundschaftsdienst gewesen war. Aber ich hatte keine Freunde in Iscalis, die mich gegen meinen Mann vertreten und sich womöglich seine Feindschaft zugezogen hätten. Ich war daher froh, nicht auf Freunde angewiesen zu sein. 
Ich überließ das Bezahlen Agamedes, der getreulich und halblaut XXV Denare abzählte, sie dann aber wieder in ein Tuch schlug, bevor er sie an Plautius Leander übergab. 
"Ich werde nicht nur an dich denken, wenn ich einen Anwalt brauche, sondern dich auch all meinen Bekannten und Freundinnen empfehlen", sicherte ich zu:
"Vale bene, werter Plautius Leander. Und nochmals Danke"
Wenn mein Beispiel Schule machen sollte, würde Plautius Leander sicherlich der bekannteste Scheidungsanwalt von Iscalis werden. 
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[Bild: 3_15_08_22_9_35_15.png]
Vormund (Tutor):  Manius Claudius Menecrates
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