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Rundreise des Statthalters Lucius Petilius Rufus
08-24-2023, 07:17 PM,
Beitrag #1
Rundreise des Statthalters Lucius Petilius Rufus
Lucius Petilius Rufus saß auf seinem Pferd.


Endlich waren die wochenlangen Vorbereitungen abgeschlossen und es konnte losgehen. Vor ihm marschierte die Vorhut auf, eine militärische Eskorte, die ihr zügiges Vorankommen sichern sollte. Dann folgten diverse Wagen, teils Reisewagen, teils solche, die Güter transportieren konnten. Erfahrungsgemäß überschlugen sich die Städte gerne mit Geschenken an den Statthalter, um im Gegenzug andere Vorzüge wie Marktrechte, eigene Steuerkassen oder weiteres zu erhalten. Rufus hatte sich dazu entschlossen, den größten Teil der Reise auf dem Pferderücken zu verbringen. Er war lange genug Legat einer Legion in Germania gewesen und die Kutsche war wesentlich anfälliger für Angriffe. Außerdem war es darin warm und stickig, während er hier draußen an der frischen Luft war. Und während der Reise war er auch nicht anders als jeder andere Reiter der Legion gekleidet, was es einem Attentäter mit Bogen unmöglich machen würde, ihn zu identifizieren. Jeglicher Angriff würde also eher den Sklaven treffen, der in der Kutsche saß und dort in überaus teure Roben gekleidet reisen durfte, um eben dieses falsche Bild zu verstärken.
Abschließend kam noch eine Abordnung diverser Söhne, deren Vätern Rufus noch diverse Gefallen schuldig war und die deshalb nun in seinem Kielwasser mitgezogen wurden, auf dass sie irgendwas über die Verwaltung einer Provinz lernten und vielleicht den ein oder anderen Posten dabei übernehmen würden. Das, plus eine Abordnung an Sklaven und kleineren Beamten, die für den reibungslosen Ablauf sorgten, plus noch mehr Militär, und die Reisegesellschaft war komplett.


Rufus sah eine Weile zu, wie der Zug an ihm vorüber reiste. Um ihn herum waren nur die vertrauenswürdigen Equites Singulares, die nur ihm allein und dem Kaiser in Rom verpflichtet waren und sonst nichts und niemandem. Er warf einen letzten Blick zurück zum Statthalterpalast von Londinium, wo seine Frau noch mit stoischer Mine stand, umringt von ihren Sklavinnen, die alle freilich fleißig um die Wette schluchzten, während sie wie der Fels in der Brandung dastand und auf seine tatsächliche Abreise wartete. Ein letztes Nicken in ihre Richtung, mehr öffentliche Zuneigungsbekundung würde es nicht geben, und er drückte seinem Pferd leicht die Fersen in die Flanken, um sich dem Zug anzuschließen. Er und seine Männer ritten in leichtem Galopp an der langsamen Kolonne vorbei und sortierten sich schließlich im vordersten Drittel ein.
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08-30-2023, 04:05 PM,
Beitrag #2
RE: Rundreise des Statthalters Lucius Petilius Rufus
Lucius Petilius Rufus lachte noch ein letztes Mal in Richtung der großen Basilica und den dort feiernden Menschen, ehe er durch den Türdurchgang ging, um sich zurückzuziehen.

Erst hier fiel die aufgesetzte Fröhlichkeit von ihm ab und er atmete einmal durch. Sofort waren Sklaven um ihn herum, um ihm aus der Toga zu helfen und ihm bequemere Schuhe an die Füße anzulegen, während er ein wenig weiter in sein persönliches Reich dieses Aufenthaltes schritt und die ganzen Stadthonoratioren hinter sich ließ. Wobei Stadt etwas viel gesagt war, denn eines hatte Rufus auf seiner Rundreise schon verstanden: Die Ortschaften in Britannia waren klein. Alle wollten sie die Rechte eines Muncipiums erwerben, aber kaum eine Stadt war auch nur annähernd gewachsen genug, um das zu verdienen. Noviomagus als Hafenstadt hatte schon eine gewisse Größe erreicht, und die Geschenke der Stadtoberen waren großzügig gewesen und zeugten vom Wohlstand der Stadt. Aber dennoch war sie verglichen mit Städten des Kontinents klein. Daran änderte auch der Palast hier nichts, der dem König der Regni, mit römischem Namen Tiberius Claudius Cogidubnus, gehörte, dessen Gast Rufus dort gewesen war. Und wie alle Könige wollte Tiberius Claudius Cogidubnus natürlich die Bestätigung seiner Macht durch Rom und das Recht, einen Nachfolger zu bestimmen. Aber gerade letzteres konnte Rufus nicht gewähren, denn die Stadt und alles Land rundherum gehörte Rom und würde nach dem Tod des Königs planmäßig gänzlich an den römischen Kaiser gehen. Vespasianus hatte Einwände gegen Vasallenkönige. Ein Grund mehr, freundlich aufzutreten und so die Gräben nicht zu groß werden zu lassen, aber dennoch Roms Macht deutlich zu zeigen. Etwas, das die etwa zwanzig Equites singulares im Raum draußen formidabel erledigten, zusammen mit den etwa zweihundert Männern vor der Stadt.

Trotzdem war Rufus sehr froh, wenn er morgen weiterreisen konnte. Er entledigte sich gerade seiner Ringe und sonstiger Schmuckstücke, als einer der Schreiber vor ihm auftauchte und ihn ansah, als hätte er ein dringendes Bedürfnis. Rufus seufzte.
“Was?“ fragte er einfach.
“Ein Bote kam mit einem Bericht aus Iscalis.“ “Ah, der Militärbericht zu dem Deserteur?“ Rufus wartete schon darauf. Wenn in den Legionen ungewöhnliche Dinge stattfanden, war es wichtig, informiert zu bleiben. “Ähm, nein, es ist von der zivilen Verwaltung dort.“
Rufus legte kurz die Stirn in falten. Was wollte die Zivilverwaltung jetzt von ihm? Da der Schreiber vor ihm aufgedreht war, als müsste er dringend auf die besetzte Latrine, war es wohl etwas wichtigeres. “Muss ich dir alles aus der Nase ziehen?“ fragte er also streng, da er auf diese ineffektive Art der Kommunikation keinen gesteigerten wert legte.
“Verzeihung, Statthalter. Der Princeps Officii Tiberius Furius Saturninus hat einen Bericht geschrieben, dass es am Regierungsjubiläum des Kaisers zu einem Zwischenfall in der Stadt gekommen ist. Es gab wohl einen schweren Fall von Brandstiftung, der einen, nun, aufrührerischen Hintergrund vermuten lässt.“ Der Schreiber zückte den Bericht und hielt ihn dem Statthalter zum Lesen hin. Dieser nahm ihn entgegen und überflog die sehr, sehr, sehr ausführliche Beschreibung, ließ sich aber nichts von seinen Gedankengängen hierzu anmerken. Anschließend gab er die Tafeln zurück.
“Unsere Reise wird etwas umgeplant. Weniger Zeit in den kleinen Ortschaften von jetzt an, dafür bleiben wir in Iscalis mindestens zwei Wochen. Schreibe ihnen, so dass eine adäquate Unterkunft bereitsteht. Offensichtlich wird im Westen etwas kaiserliche Autorität verlangt.“
Zwei Deserteure waren ein Ärgernis. Zwei Deserteure und solche Umtriebe innerhalb von vier Wochen war etwas anderes. Ein Vorfall war Zufall. Zwei waren verdächtig. Drei wären ein Muster. Rufus war entschlossen, dass die Sache sich nicht zu einem Muster entwickelte.
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09-08-2023, 07:56 PM,
Beitrag #3
RE: Rundreise des Statthalters Lucius Petilius Rufus
Lucius Petilius Rufus war müde.

Heute regnete es fast den ganzen Tag schon, weshalb die Reise sich verzögerte. Über aufgeschwemmte Straßen zu reiten, mit mehreren beladenen Kutschen, machte noch weniger Spaß als zu trockenen Zeiten. Daher war die Reisegesellschaft nun doch mehr als einen Tag in Isca Dumnoniorum geblieben und hatte sich teilweise auf die Häuser der hiesigen Dumnorer verteilt. Wie die meisten Städte in Britannia waren auch hier noch die alten Clansstrukturen erhalten. Während in Novomagnus die Regni herrschten und in Cavella die Atrebates heimisch gewesen waren, hatten hier die Domnorer ihre alte Festung zur Stadt ausgebaut und begannen so nach und nach, die Stadt römischer zu gestalten. So gab es hier wenigstens schon ein etwas größeres Badehaus und auch einen römischen Tempel und nicht nur keltische. Ein Anfang, wie Rufus feststellte, aber noch ein langer Weg, bis die Provinz wirklich römisch war.

So zur Wartezeit verdonnert hatte er wieder Zeit für Verwaltungsaufgaben. Und so waren auch heute wieder diverse Sklaven um ihn herum, während er den kleinen Lederball in seinen Händen knetete und immer wieder warf.
“Hier ist noch der Bericht von der Legio II Augusta aus Iscalis“, meinte der Schreiber und verzichtete auf eine Zusammenfassung, sondern reichte ihn einfach weiter. Rufus fand das auffällig, als er den Bericht zu lesen begann, merkte er aber auch, warum sein Schreiber nichts gesagt hatte. Er zog die Stirn kraus. Es gab so viele fragezeichen, die ihm dabei ins Auge sprangen.
Warum war in Iscalis eine Horde Kelten unterwegs, ohne dass jemand im Vorfeld etwas gemerkt haben wollte? Warum war ein römischer Tribun nur mit zwei Legionären unterwegs? Und warum betrat er als erster einen Raum?! Lehrten die die jungen Männer nichts mehr über Führung und Taktik?
“Schick einen Boten, noch heute durch den Regen. Ich will, dass alles für einen etwas längeren Aufenthalt in Iscalis vorbereitet wird.“
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01-22-2024, 04:29 PM,
Beitrag #4
RE: Rundreise des Statthalters Lucius Petilius Rufus
Lucius Petilius Rufus war sehr müde.

Nachdem der Aufenthalt in Iscalis mehrere Tage in Anspruch genommen hatte und reichlich unerquicklich war, war er weitergereist auf seiner ursprünglich geplanten Route. Zur Gewährleistung der Ordnung insbesondere der Legion hatte Rufus ganze fünf Contubernien seiner Equites Singulares zurückgelassen, die darüber wachen sollten, dass seine Befehle auch ausgeführt wurden und jeglicher Ungehorsam und jede Disziplinlosigkeit im Keim erstickt würde, bis Rufus weitere Maßnahmen durchführen konnte. Die wichtigste hierfür würde zweifellos sein, einen verlässlichen Mann aus Rom anzufordern, der die Rolle des Legaten ausfüllen konnte, ohne dass dies ein Mann sein würde, der ihm die Rolle als LAPP streitig machen könnte. Ein Iulius Agricola wäre sicher ein großer Gewinn für die Moral, aber in dem Fall sah Rufus sich selbst wieder nach Rom zurückbeordert. Also musste er überlegen, wen er anfordern sollte.

Die Reise führte also wie geplant wieder nordwärts durch die Gebiete der Dobunni bis Venonis, dann westlich durch die Cornovii bis nach Mamucium und zur Legio XX Valeria Victrix. Die war mal ein ganz anderer Haufen als die Legio II! Das machte Mut! Aber die Männer hier waren auch nicht gelangweilt, sondern bereiteten sich auf den Frühling und damit die weitere Befriedung der Provinz nach Norden hin vor.
Dann ging es Richtung Osten und zur Legio IX Hispania. Auch hier war wenig zu beanstanden, auch wenn die Stadt Eboracum, nun, noch sehr viel Ausbaupotential besaß. Sehr viel Ausbaupotential. Schließlich ging es zurück Richtung Süden nach Lindum und  Durobrivae in das Land der Catuvellauni, die ebenfalls keine nennenswerten Sehenswürdigkeiten ihr eigen nennen konnten. Einen Haufen Geschenke und Versprechungen und sogar eine angetragene Stadtpatenschaft später näherte man sich schließlich auch Camulodunum, der letzten station, bevor es endlich, endlich wieder nach Londinium gehen sollte. Die Reise, die auf vier Monate veranschlagt worden war, hatte letztendlich dann sechs Monate gedauert, und Rufus wollte nichts lieber, als zu sehen, wie seine Ehefrau den Statthalterpalast zu einem wohnlichen Ort gemacht hatte und endlich wieder die Vorzüge eines gut geführten Haushaltes zu genießen.
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