Niamhs Flucht - In einem anderen Land, in einem anderen Leben
Wie Diebe in der Nacht hatten sich die beiden jungen Frauen aus dem Rundhaus geschlichen und waren dann im Dunkel der Nacht verschwunden. „Lauft immer gen Osten, zur Küste hin. Aber seid stets auf der Hut! Diarmait hat überall seine Leute! In Laírge besteigt ihr ein Schiff, das euch nach Inis Prydein* bringt. Dort seid ihr in Sicherheit. Aber nehmt euch vor den Rómhánaigh** in Acht!“ hatte der alte Fionn ihnen gesagt. Fionn war der treue Diener von Niamhs Vater Conchobar , der bis zu dessen Tod und darüber hinaus loyal zu seinem Herrn gestanden hatte. Es war daher eine Selbstverständlichkeit, dass er nun auch seiner Tochter und deren Dienerin Gwen half. Spätestens Morgen würde auch er seinem Herrn in die Anderswelt folgen.
Die ganze Nacht waren sie gelaufen und hatten sich immer wieder verstecken müssen. Als der Morgen endlich graute, lag Laírge vor ihnen und an Horizont glitzerten die ersten Sonnenstrahlen auf der Oberfläche des Meeres.
Das Dorf bestand aus wenigen einfachen Hütten, in denen hauptsächlich Fischer lebten. Das Besondere an Laírge war sein natürlicher Hafen, der es Schiffen und Booten erlaubte, an Land zu gehen und von hier aus weiter ins Landesinnere zu reisen. Hauptsächlich Händler nutzten ihn, die von Britannien kamen. Sie verkauften hier ihre Waren aus dem fernen Imperium oder tauschten ihre Waren gegen Wollstoffe, Metallwaren aber auch Sklaven.
Die beiden Frauen hielten sich den ganzen Tag im Verborgenen. Die Frau eines Fischers hatte ihnen Unterschlupf gewährt und hatte sie mit Essen versorgt. Zu guter Letzt hatte sie ihnen neue Kleider gegeben, denn in den feinen Gewändern, die sie trugen wären sie sofort aufgefallen. Nun sahen sie wie einfache Bäuerinnen aus. Niemand würde ihnen viel Beachtung schenken. Schließlich hielten Diarmaits Männer Ausschau nach der Tochter eines Adligen.
Ein Tag später erreichte tatsächlich ein Schiff aus dem Osten den Hafen. Man sagte, es würde bereits am Tag darauf wieder nach Britannien zurückkehren. Das war die Chance, um von hier wegzukommen. Am Abend begaben sich die beiden Frauen zum Hafen, um sich nach einem Reisenden oder einem Händler umzusehen, der sie mitnehmen konnte. Schließlich traf sie auf Erwan, einen gallischer Händler, der schon viele Jahre mit den Menschen Hibernias Handel trieb. Er versprach den beiden jungen Frauen, sie am nächsten Morgen mitzunehmen.
Unglücklicherweise hatten auch Diarmaits Männer davon erfahren, wo sich Niamh aufhielt. Am nächsten Morgen lauerten sie den beiden auf, als sie dem Weg zum Hafen waren. „Lauf!“ hatte Gwen ihr zugeraunt, bevor sie sich den Häschern entgegenstellte. „Ich bin die, die ihr sucht! Niamh Ní Conchobar***! Lasst ab von meiner Dienerin!“ Fassungslos sah Niamh zu ihrer Dienerin. Sie wollte nicht ohne sie gehen! Sie konnte nicht! Doch, sie musste! Dies war die letzte Gelegenheit zu entkommen. Niamh rannte so schnell sie konnte. Die Tränen rannen über ihre Wangen. Sie drehte sich nicht noch einmal um. So musste sie nicht mitansehen, wie die Männer Gwenn töteten.
Nach drei Tagen brachte das Schiff den gallischen Händler und auch Niamh an die Küste Britannias.
* Insel der Briten
** Römer
*** Niamh Tochter von Conchobar (sprich: Conhu-err)
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