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Normale Version: Das Triclinium - der Speisesaal
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Philus hatte nie gern Toga getragen. War auch bisher selten nötig gewesen, doch zu einem solch offiziellen Anlass hatte er sich dazu getreten, entsprechend aufzutreten. Schließlich hatte ihn ein wichtiger Mann eingeladen und er hatte noch überhaupt keine Ahnung, was ihn erwartete. Sicher ging es um geschäftliche Dinge.
Oh, am liebsten hätte er die Geschäfte hier alle verkauft und wäre in den warmen Süden zurückgekehrt. Doch die Existenz, die sein Bruder hier aufgebaut hatte, war einfach zu beeindruckend und er brachte es nicht über sich.

Der Ianitor hatte den jungen Gast eingelassen und nun fand er sich im Triclinium von Furius Saturninus ein, das ganz ungeschäftsmäßig hergerichtet war. Eher, als stünde ihm eine Nacht voller Spiel und Spaß bevor.
Damit hatte Philus nicht gerechnet und auch die Kleiderwahl des Gastgebers weckte die Eifersucht in ihm. Wie viel lieber hätte auch er sich leichter angezogen.
"Salve, verehrter Furius Saturninus", grüßte Philus mit einem respektvollen Kopfnicken, das seine Nervosität nicht ganz verbarg. "Oh je, ich fürchte, ich habe mich bei meinem Aufzug gründlich verschätzt. Es sieht alles ganz großartig aus! Ich danke dir vielmals für die Einladung."
Saturninus hatte erst gedacht, dass Philus die Toga um seine Sittenstrenge zu demonstrieren, angelegt hatte, nun merkte er aber, dass sich sein Gast lediglich über den Anlass der Einladung  nicht ganz im Klaren gewesen war. 
Dem Furius lag jedoch viel daran, dass sich der junge Mann in seinem Hause zwanglos fühlen konnte. Er lächelte ihm freundlich zu:
"Willkommen edler Nautius Philus bei mir zuhause. Die Toga ist das Ehrengewand des römischen Bürgers und damit immer angemessen", sagte er und umfasste zur Begrüßung die Unterarme des Besuchers:
"Wenn du es jedoch legerer wünschst, so hilft dir mein Safar gerne, sie abzulegen", er deutete auf den iudäischen Sklaven:
[Bild: Friseur-1.png]Safar

"Wir sind heute abend ganz ungezwungen unter uns. Ich wollte dich als Nachbar und neuen Patrizier in Iscalis willkommen heißen und natürlich interessieren mich deine Pläne, die du für dein Hiersein hast. Später wird noch nette weibliche Gesellschaft dazukommen. 
Aber sei unbesorgt, wenn sie dich in deiner Untertunika sehen sollten. Sie sind nicht von Stand und auch eher...nun leger"

Mittlerweile hatten die furischen Sklaven Hausschuhe gebracht, dem Gast die Hände gewaschen und warteten auf seine Wünsche.

" Wünschst Du Wasser, Wein oder heißen Mulsum, Herr?", zählte Safar die Getränke auf. Der warme Gewürzwein war bei dem britannisch- kühlen Wetter besonders beliebt. 

Saturninus wies auf die Ehrenkline, die in der Mitte stand und einen schönen Ausblick in den Garten bot, wenn man die Trennwand zurückschob. Jetzt hatte man Aussicht auf verschiedene Wandgemälde, die alle etwas mit Tusculum, dem Heimatort der Gens Furia, zu tun hatten:
"Bitte nimm doch Platz"
Philus war erleichtert und erfreut über die Gastfreundlichkeit des Furiers. Er hatte sich schon vorgestellt, es mit einem verstaubten Politiker zu tun zu bekommen, doch Saturninus wirkte wie jemand, der wusste, wie man Spaß haben konnte. Auch, wenn Philus durch die Ankündigung der weiblichen Gesellschaft etwas verlegen dreinblickte. Er war im großelterlichen Haushalt aufgewachsen. Er war nun nicht prüde oder so, aber dort hatten docheher Sitte und Ordnung geherrscht.
"So ein Aufwand bloß für mich, das wäre doch nicht nötig gewesen", freute sich Philus, der in die Runde sah. Das Essen sah verführerisch aus und die Sklaven freundlich und tüchtig. Ja, er fühlte sich willkommen. "Ich danke dir für den Empfang, zu einem Wein sage ich nicht Nein."

Etwas verlegen nahm er auf der Kline in der Mitte Platz, ließ sich jedoch zuvor tatsächlich aus der Toga helfen und dankte dem hilfsbereiten Safar mit einem Nicken. Er war solch eine Aufmerksamkeit nicht gewohnt und es war ihm ein wenig unangenehm, derart im Rampenlicht zu stehen.
Dennoch, in leichterer Kleidung war ihm schon viel wohler zumute und widmete sich seinem Gastgeber.
Erneut dankte er dem Furier für den warmen Empfang.
"Was jedoch meine Pläne angeht, so muss ich dich leider enttäuschen, fürchte ich", seufzte er beschämt. "Ich hatte nie viel Kontakt zu meinem Bruder, bis er zuletzt verstarb und weiß selber noch nicht, welche Geschäfte ich offenbar nun alle führe. Das ist alles so vollkommen neu für mich... Ich hatte eigentlich nicht vor, lange in der Stadt zu verweilen, doch den Hausstand und sämtliche Unternehmungen hier aufzulösen, erscheint mir unnötig und kompliziert. Dazu scheint alles zu gut zu funktionieren."
Und der Familienname hatte sich auch schon etabliert.
"Und außerdem, naja, hat es mich gejuckt, das Land meiner Vorfahren mütterlicherseits zu sehen. Es ist so wild und schön, wie es mir beschrieben wurde."
Mit einer angemessenen Verspätung, die aber noch als charmant gelten würde und nicht als unhöflich, kamen schließlich auch ich und Kiki bei der Villa Furia an. Ich fühlte mich seltsam zwiegespalten, schob es aber darauf, dass ich nervös war, weil ich doch das erste Mal die Villa betreten würde. Vor wenigen Wochen hatte Saturninus mich noch erst besser kennenlernen wollen, und nun lud er mich zu einer Cena. Gut, mich und Kiki, die einen Vertrauensvorschuss so genoss, von dem ich hoffte, dass sie diesen als eben solchen zu würdigen wusste.

Wir beide hatten uns in die feine Seide gehüllt, die Saturninus uns geschickt hatte. Beste Qualität, soweit ich das beurteilen konnte, und uns auf unsere Körper geschneidert nach römischer Mode. Oh, einfach war es nicht gewesen, eine Näherin aufzutreiben, die Seide nähen konnte und obendrein noch verstand, was ich meinte, als ich ihr meine Vorstellung kundtat. Aber nun steckte ich in einem blauen Hauch von Nichts, gehalten von zwei Fibeln an den schultern und einem dünnen Goldband, das um meine Taillie über Kreuz ging und unter der Brust in einem dünnen Band gehalten wurde, während Kiki ein ähnliches Kleid in cremegelber Farbe hatte, aber gehalten von einem beeindruckenden Gürtel mit grünen Steinen um ihre Hüften. Beiden Kleidern gemein war, dass sie zur Seite hin in Art eines Chitons offen waren, so dass jeweils das rechte Bein beim Gehen aus dem Stoff herausblitzte, während der fließende Stoff um unsere Waden wogte.

Wir wechselten im Eingangsbereich schnell auf eigens mitgebrachte Haus-Sandalae, die hoch am Bein geschnürt wurden in einem anmutigen Zickzack-Muster, ehe wir uns von einem Sklaven durch das Haus führen ließen. Kiki kicherte mädchenhaft aufgeregt, und auch ich lächelte, als wir uns dem Triclinum schließlich näherten und es betraten.
Saturninus und sein Gast waren natürlich schon da – die Verspätung also wohl bemessen – und machten es sich gerade, wie es aussah, bequem.
“Ich hoffe, wir kommen nicht zu spät?“ begrüßte ich mit meinem besten Lächeln und ging auf Saturninus zu, um ihn, wenn er mich ließe, mit einem Kuss zu begrüßen. “Kennst du schon meine Schwester Kiki?“, stellte ich ihm dann natürlich auch die Nubierin vor, die ihn ebenso strahlend anlächelte und den anhimmelnden Blick sehr gut beherrschte, wie ich bemerkte.

Aber natürlich konnte ich den Gast nicht unbeachtet lassen, insbesondere, da Saturninus ja gesagt hatte, dass er zwei von uns hier haben wollte, um den Gast zu unterhalten. Ich wandte mich also lächelnd dem jungen Mann zu, als ich kurz stutzte und blinzelte. “Ich kenne dich“, meinte ich und überlegte kurz. “Du warst auch auf dem Markt, nicht wahr? Nichts sagen, nichts verraten…. Nautius, richtig?“ Ja, in meinem Job merkte man sich besser Namen und Gesichter. Das brachte diverse Vorteile. Auch wenn der junge Mann sich auf dem Markt eher mit Claudia Sabina unterhalten hatte, wenn ich mich recht erinnerte.
"Das Land deiner Vorfahren mütterlicherseits?", wiederholte Saturninus, der bei sich dachte, dass Philus Mutter eben eine Römerin aus der Provinz gewesen war. Allerdings waren die Römer erst seit Kaiser Claudius und Plautius wirklich im Land, so dass man bei gerade einmal siebzehn Jahren schwer von "Land der Vorfahren" sprechen konnte:
"Nun ja, Familie ist wichtig. Offen gesagt wusste ich gar nicht, dass Nautius", hier bezog er sich auf den älteren Bruder, der obwohl durchaus wehrhaft, durch die Hand eines betrunkenen Kelten so ein unrühmliches Ende gefunden hatte: "... noch einen jüngeren Bruder hat.
Wenn Du dich orientiert hast und etwas von der Provinzialverwaltung benötigst, komm ruhig immer zu mir. Ich werde bei den Wachen anordnen, dass sie Dich gleich durchlassen" 


Sein Gedankengang wurde durch Aglaias und Kikis Ankunft unterbrochen, wenn auch auf die anmutigste Art. Die beiden Hetären schwebten herein wie Göttinnen der Schönheit, die eine in Blau gewandet, die andere in Cremefarben. Ihre Kleidung war aus Seide und äußerst raffiniert geschnitten, und Saturninus bemerkte mit Wohlwollen den erleichterten Zugang zu den taktischen Stellen:
"Aglaia, liebe Freundin, sei uns mehr als willkommen", rief er aus. Er bemerkte, dass das schwarze Mädchen ihm einen bewundernden Blick schenkte. Das tat er auch, und er fragte sich, ob sich ihre Haut, die wirkte wie ganz dunkle Seide, eher kühl oder warm anfühlen würde. Er konnte nichts für diese Gedanken - die beiden Hetären versprühten förmlich Sinnlichkeit wie Parfüm, welches bei den blutigen Kämpfen über die Zuschauer in der Arena versprüht wurde:
"Aber natürlich, du musst Kiki sein! Sei auch willkommen", er wandte sich mit einem strahlenden Lächeln an Philus:
"Habe ich dir zu viel versprochen? Das sind Aglaia und Kiki"
Aglaia, die eine geübte Unterhaltungskünstlerin zu sein schien, suchte auch gleich das Gespräch mit dem Gast. Beschweren würde sich keine der beiden Hetären, der junge wohlgestaltete Adlige sah mit seinem blonden Haar und hellen Augen gut aus, und er war höflich.

Da Aglaia den Namen von Philus zu erraten wünschte, stellte er ihn jedoch nicht vor.

Sebastos und Safar stürzten beinahe gleichzeitig auf die Hetären zu und fragten nach ihren Wünschen. Ihre Gesichter leuchteten vor Eifer, was Saturninus Mundwinkel vergnügt zucken ließ. Er war viel zu gut gelaunt, um die beiden Sklaven zu maßregeln:
"Wie wollen wir zu Tisch legen?", fragte er: "Es gibt noch eine freie Kline. Die Grazien können sie sich teilen oder je eine teilt die Kline mit einem von uns", er schaute Philus an:

"Das entscheide mein Gastfreund", sagte er.
"Ja, meine Mutter - oder eher meine Großmutter - stammt von den Kelten ab. Ich muss zugeben, ich war neugierig, die Heimat dieses Volkes kennenzulernen. Aber ich glaube, der warme Süden war mir lieber."
Doch es ließ sich nicht bestreiten, dass die raue Schönheit Britanniens ihm auf seltsame Art gefiel.

Ins Detail ging diese Unterhaltung jedoch nicht, denn die von Furius arrangierte "Abendbegleitung" war eingetroffen und Philus war von dem Anblick so überrascht, dass ihm fast die Kinnlade runterfiel.
Die beiden Hetären sahen wirklich exquisit aus. Er fand Furius' verruchte Art des Vergnügens sehr interessant, zumal es so etwas bei seiner Stief-Großmutter nicht gegeben hätte. Der junge Mann war in dieser Hinsicht eindeutig noch nicht verdorben, dafür wirkte er nun aber auch reichlich verlegen.
"Ich... grüße euch", sagte auch er zurückhaltend, errötete jedoch und nickte erfreut, als sich die Dunkelhaarige namens Aglaia an seinen Namen erinnerte.
"D-Das ist richtig. Schön, dass du dich erinnerst!", sagte er und räusperte sich. Die Aussicht mit einer der Grazien auf einer Kline zu liegen, fand er erregend, gleichzeitig wollte er nicht so anmaßend sein. Oder wurde das gerade erwartet, weil es unhöflich gewesen wäre? Hach, wäre er doch nur öfter bei solchen Anlässen gewesen.
"Ich weiß nicht... Eine teilen klingt doch ganz gut, oder? Sie sind groß genug...", sagte er mit einem Schulterzucken, ehe er sich wieder an den Furier wandte.
"Weißt du, es wundert mich nicht, dass mein Bruder mich nie erwähnt hat. Wir hatten auch keinen Kontakt mehr, schon Jahre nicht. Er war auch nur mein Halbbruder und ich fürchte, es wäre ihm gar nicht recht, mich als Erben seines Vermögens zu sehen..."
[Bild: kikinxiu6.png]

Kiki nahm die Erwiderung ihres Blickes als Einladung und ging zu Furius Saturninus, während ich mich mit dem schüchternen Nautius Philus unterhielt. Und natürlich nutzte sie die Chance auch gleich, um mit ihm ein wenig auf Tuchfühlung zu gehen, so dass sie sich direkt zu ihm stellte und wie beiläufig ihn am Arm berührte. “Aglaia hat mir schon so viel von dir erzählt. Es freut mich sehr, dich kennen zu lernen, und danke für die Einladung. Dein Haus ist wirklich herrlich. Man merkt sofort, dass man im Haus eines Patriziers ist. Ich hoffe, du führst mich später noch herum“, fing sie auch gleich an, mit ihm ein wenig zu flirten.
Ich schaute kurz zu ihr. Eifersüchtig war ich nicht, aber ich ließ mir nicht gerne Kunden ausspannen, wie sie wusste, bedachte sie und vor allen Dingen Furius Saturninus aber mit einem Lächeln. Heute Abend wäre das wohl in Ordnung und im Sinne einer neuen Erfahrung oder wie auch immer, wenn er aber ein unauffälliges oder auch nicht ganz so unauffälliges Zeichen geben würde, dass er lieber mich an seiner Seite wüsste oder eifersüchtig auf den Nautier zu werden drohte, konnte Kiki sich schon einmal darauf gefasst machen, gleich Plätze zu tauschen.

Ich lächelte also Nautius wieder an und hoffte, dass noch irgendwer seinen Cognomen erwähnen würde, den ich nicht mehr wusste, und strich ihm einmal leicht über den Arm. Männer mochten es, berührt zu werden, und anständige römische Mädchen berührten sie nie von sich aus. Aber zum Glück war ich kein anständiges, römisches Mädchen. “Natürlich erinnere ich mich an dich“, meinte ich flötend und wartete auf seine Entscheidung. “Ich hoffe, du meinst die Kline“, neckte ich ihn ein wenig, als er meinte, teilen klänge gut, indem ich mich leicht zu ihm beugte und leise in sein Ohr flüsterte. Auch sowas mochten Männer gerne, kleine Geheimnisse und Zweideutigkeit, auch wenn Nautius noch sehr unerfahren schien, was das ganze Spiel anging und ich vorsichtig sein musste, um ihn nicht zu erschrecken.
Ich schaute wieder zu Saturninus, denn er war Gastgeber und sollte anzeigen, welche von uns nun wo hin sollte, denn ich würde sicher nicht meine Aufmerksamkeit dem Nautius schenken, wenn ich ihn damit verärgern würde. Immerhin hatte ich vor, ihn mir noch lange gewogen zu halten, auch wenn ich nichts dagegen hätte, den blonden Jüngling hier etwas zu umgarnen. Ich mochte blonde Männer. Und der hier war niedlich in seiner schüchternen Unerfahrenheit.
Nautius Philus war also keltischer Abstammung, und nun da Saturninus über diesen Makel der Geburt bei dem jungen Patrizier informiert war, vermeinte er, gewisse keltische Anzeichen zu entdecken: Die klaren fast blauen Augen, die Körpergröße und der zweifellos gut gebaute Leib - diese Barbaren hatten fast alle gute Körper. Aber er schalt sich selbst wegen seiner Vorurteile: Hätte er nichts gewusst, hätte er garnichts entdeckt. Auch der Divus Caesar Augustus, der erste Kaiser Roms, war blond gewesen und hatte das auf seine Abstammung von Venus zurückgeführt.

"Die Herkunft deiner Großmutter  ist sehr ...interessant. Hat sie dir denn ihre Sprache gelehrt? Das wäre nützlich bei Kontakt mit den wilden Stämmen. Manchmal glaube ich, dass es nur zu Streit zwischen uns und den Britanniern kommt, weil wir uns gegenseitig nicht so recht verstehen, und ein Römer deines Ranges, der ihre Sprache und Gewohnheiten beherrscht, kommt vielleicht im Guten weiter  - wo wir gleich mit dem Gladius dreinschlagen" , er lächelte anerkennend:

"War der hiesige Nautius dein einziger Bruder? Ich selber habe leider keine noch lebenden Geschwister. Ich habe es mir jedoch immer schön vorgestellt, noch Brüder zu haben.  Ich kann es also nicht beurteilen, aber ich kann mir vorstellen, dass man bei einem so großen Altersunterschied zuweilen nichts miteinander anzufangen weiß"
Es mochte noch andere Gründe für die Abneigung des älteren Nautius geben, dachte Saturninus. Blondes Haar und helle Augen beispielsweise. Jedoch wollte er nicht nachbohren, um den Gastfreund nicht in Verlegenheit zu bringen. 

Kiki aber irritierte ihn, obwohl sie aussah wie eine aus schwarzem Basalt gehauene Aphrodite. Sie versuchte für seinen Geschmack zu sehr, zu gefallen. Das was bei Aglaia natürlich und selbstverständlich wirkte, war bei ihr...irgendwie quietschig. 
Er war sich sicher: Hätte ihm Aglaia ein Kompliment über sein Haus gemacht, hätte sie eine bestimmte Statue oder einen interessanten Blickwinkel der Inszenierung herausgehoben. Hach, es ging halt nichts über Griechinnen.

Nicht, dass Saturninus auf Nautius Philus eifersüchtig gewesen wäre. Es war lange her, dass er sechzehn Jahre alt und wegen der Nichtbeachtung durch eine ebenso schöne wie geschäftstüchtige Hetäre in Trübsinn verfallen war. Jetzt war er ein römischer Mann, der mit Liciana Aglaia eine zwar angenehme, aber doch unsentimentale Beziehung unterhielt.

Er tat so, als wäre es ihm gleich, welche der Damen mit ihm ginge,  doch er reichte Aglaia die Hand. Nur wer ihn kannte, bemerkte, wie seine Augen sich verdunkelten:

"Es wäre mir eine Freude, mit dir zu speisen, Aglaia", sagte er wie zufällig und führte sie zu seiner Liege. Ganz gezielt dagegen winkte er Spiros heran. Der junge Sklave war ein lieber Junge, jedoch definitiv noch in dem Alter, in dem man sich nichts aus Mädchen machte:
"Das ist Spiros, und er ist heute Abend ganz für deine Bedienung da", sagte er:
"Aglaia spielt übrigens Lyra ,und von Kiki habe ich gehört, dass sie eine gute Flötenbläserin ist. Vielleicht bekommen wir nachher ja eine Kostprobe zu hören"

Er platzierte sich so, dass sich Aglaia sich zu ihrer Rechten weiter mit Philus unterhalten konnte, falls sie das wünschten. Wenn seine Freundin später ihre Gunst Nautius Philus schenken wollte, hätte er nichts dagegen. Vielleicht würde der Junge sie sogar zur Dauerfreundin nehmen und aushalten. Saturninus verstand durchaus, dass Aglaia sehen musste, wo sie blieb. Er wünschte ihr wirklich nur Gutes.


Andere Sklaven brachten eine große Silberplatte mit hartgekochten Eiern, frischem Spargel und Wachteln, was man alles bequem aus der Hand essen konnte. Die anwesenden Serviersklaven machten sich daran, je nach Wunsch für jeden Silberteller zu füllen und legten große silberbestickte Servietten und Fingerschalen daneben.
Philus war doch etwas dem Charme der hübschen Aglaia verfallen, die ihn mit solch subtilen Äußerungen und Berührungen schon etwas in Verlegenheit brachte. Er war ja wirklich nicht naiv oder so… aber er war bislang auch nicht oft rausgekommen.
Dann jedoch machte sein Gastgeber klar, dass diese hier offenbar vergeben war. Philus fand es schade, aber er wusste es besser, als deswegen einen Aufstand zu proben, wo ihm der Furier doch einen so herzlichen Empfang bereitete.
Stattdessen also beantwortete er dessen Frage.
„Weitere Brüder oder Schwestern habe ich nicht, ebensowenig andere Verwandte außer meinen Großeltern“, sagte er. Philus schämte sich ein wenig, doch er fühlte sich wegen des Verlusts seines Bruders nicht wie ein trauernder Bruder es musste. Der Ältere hatte sich Jahre nicht blicken lassen und ihn alles andere als herzlich behandelt. Es hatte nie eine Liebe zwischen ihnen geherrscht und er war mit der Trauer um seine Eltern alleingelassen worden. Und doch fühlte sich Philus noch nicht bereit für die Bürde, einen Haushalt zu führen, geschweige denn einen mit diesem großen Namen. Er hätte nie gedacht, dass es mal dazu käme und wünschte sich, dies alles möge noch seinem Bruder gehören und er könne wieder zurück in die warme Heimat, zu seinen Freunden und seinen Großeltern.

Nun musste sich Kiki wohl zu ihm setzen und weil Philus eben Philus war, wollte er es ihr nett machen, obwohl sie eher Interesse an Saturninus gezeigt hatte.
„Schau nur, die Eier. Die sehen köstlich aus. Und die Vögel erst. Furius, das Essen sieht herrlich aus. Für mich hättest du dir doch nicht solche Mühe machen müssen.“
Mit zwei Fingern ergriff er eines der Eier und reichte es an die dunkle Schönheit. Er war kein Gemüsefreund, doch er würde den Spargel zumindest probieren. Saturninus zuliebe.
„Sag, kanntest du meinen Bruder gut? Er schien ja sehr gut vernetzt zu sein und seine Geschäfte breit zu streuen. Ich hatte gehofft, dass mir vielleicht jemand helfen oder mir etwas über ihn erzählen kann… Ich schätze, ich sollte mich schnell um einen fähigen Majordomus kümmern…

Oh, um aber nochmal auf meine Großmutter zurückzukommen – bitte verzeih, dass ich es übergangen habe – ich spreche in der Tat die Keltensprache. Wenn du Hilfe bei der Übersetzung brauchst, kann ich vielleicht helfen, auch wenn ich mich natürlich noch nie viel mit echten Kelten unterhalten habe und nicht jeden Akzent einwandfrei spreche. Ob das aber immer eine Erleichterung schaffen wird, ich bin nicht sicher. Ich hörte, dieses Volk tut sich einfach schwer damit, die Zivilisation zu verstehen und zu akzeptieren.“ Er überging geflissentlich die Tatsache, dass die Kelten vielleicht auch verärgert sein mochten, weil man ihre Priester und Krieger tötete, die Frauen vergewaltigte und ihre Dörfer verwüstete.
Die großmutter von dem Nautius war Keltin? Nun, das war mal eine interessante Neuigkeit. Sie musste wohl die Tochter irgendeines Fürsten gewesen sein, die ehrenhalber in den Stand einer Römerin gesetzt worden war, so dass eine gültige Ehe zustande gekommen war. Trotzdem würde das wohl für die meisten, strengen Patrizier heißen, dass der nautische Stammbaum nun, nunja, befleckt war. Die Patrizier waren immerhin deshalb Patrizier, weil sie die ältesten, römischen Familien darstellten. Diejenigen mit Senatstradition, die die römischen Werte am meisten verkörpern sollten und daher den meisten Regeln unterworfen waren. Keltisches, also feindliches Blut, war da… nunja, ein Makel eben.
Ich nahm Saturninus Hand, als dieser sie mir anbot, und schenkte ihm ein Lächeln. Es wäre interessant, zu wissen, was er davon hielt. Natürlich nicht jetzt, vor dem Gast, aber wenn wir wieder einmal unter uns waren und wir ein Thema brauchten, um uns zu unterhalten. Über nichts redete es sich so leicht, wie über andere Leute.
“Und mir ist es eine Freude, dir eine Freude zu machen“, antwortete ich also möglichst charmant, während er mich zu seiner Kline geleitete, wo ich neben ihm Platz nahm und dem jungen Spiros ein aufmunterndes Lächeln schenkte. Man könnte meinen, der Furius sei ein wenig eifersüchtig, wenn er mir einen Sklaven als Mundschenk zur Seite gesellte, der kaum über die Kline gucken konnte. Noch etwas, was ich mir merken und damit kokettieren wollte. Aber erst einmal streifte mein Arm wie zufällig den seinen, als ich nach meinem Becher griff und mir stark verdünnten Wein einschenken ließ. Ich betrachtete die aufgefahrenen Speisen und lehnte mich flüsternd zu Saturninus: “Asparagus? Hast du heute noch etwas vor?“ neckte ich ihn ganz leise und lächelnd. Immerhin galt Spargel als starkes Aphrodisiakum. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte oder schüchtern wäre. Aber diese Vorlage war zu gut, um sie nicht zu nutzen und hoffentlich auch sein Blut so ein klein wenig in Wallung zu bringen.

[Bild: kikinxiu6.png]
Kiki unterdessen hatte den Wink auch verstanden. Auch sie war zu professionell, um nun zu schmollen, weil Saturninus eine andere bevorzugte, sondern sie wandte sich strahlend lächelnd nun dem anderen Gast zu. “Oh, ja, meine Kunst an der Flöte ist schon bald legendär“, stimmte sie beiläufig Saturninus zu und bei ihr klang diese Zweideutigkeit seltsam unschuldig, als wüsste sie gar nicht, wie man das so interpretieren könnte.
Sie kletterte zu Philus auf die Kline und lächelte ihn freundlich an. “Salve, ich bin Kiki“, sagte sie noch einmal lächelnd, obwohl sie ja schon vorgestellt worden war, und grinste freudig, als er ihre Aufmerksamkeit auf die Eier lenken wollte. Er reichte ihr sogar eines.
Wahrscheinlich wär es feiner gewesen, es mit den Fingern zu nehmen, aber Kiki war etwas spielerisch drauf und der junge Mann so herrlich schüchtern, dass sie sich hinreißen ließ und direkt einen Bissen nahm, während er ihr das Ei noch hinhielt. Ihre Lippen und Zähne berührten dabei nur ganz leicht seine Finger, und sie schaffte es sogar, fast schüchtern zu erröten, während sie kaute und schluckte. “Sehr lecker“, meinte sie mit gekonnt verlegenem und bewunderndem Blick, während sie auslotete, wie weit sie wohl gehen konnte, um noch als verführerisch und charmant zu gelten und den jungen Mann nicht ganz zu überfordern.
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