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Die alte Schmiede am Dorfrand - Druckversion

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RE: Die alte Schmiede am Dorfrand - Liciniana Aglaia - 05-03-2023

Er löste sich von mir nach einem letzten Kuss und stand auf. Ich folgte, aber etwas langsamer als er. Meine Knie fühlten sich wackelig an und in meinem Unterkörper war ein süßer Schmerz als kleine Erinnerung an die letzte Stunde. Das, und ich musste mir Stroh aus den Haaren ziehen. Irgendwann war die Decke so weit verrutscht gewesen, dass sie nicht mehr alles abgehalten hatte. Aber immerhin war es frisches Stroh, was ich durchaus anerkennend bemerkte.
Ich suchte mein Kleid und die Fibeln und meinen Gürtel und versuchte, mich wieder in einen halbwegs repräsentablen Zustand zu versetzen. “Nächstes Mal mach ich wirklich einen Zopf“, murmelte ich zu mir selbst so vor mich hin, während ich versuchte, die Haarnadeln so neu zu stecken, dass meine Frisur wenigstens einigermaßen wiederhergestellt würde. Aber wahrscheinlich war das eher Schadensbegrenzung als wirklich etwas anderes.
Unter meinen Bemühungen sah ich zu ihm rüber. “Du hast einen Hasen gefangen? Selber?“ fragte ich noch einmal verwundert und musste etwas lachen. Oh ja, Owain war wirklich wild und ungezähmt. In Rom wurden Hasen höchstens an den Floralia gefangen, wenn sie aus der Arena nicht abhauen konnten und die schiere Menge an Menschen sie eben irgendwann in die Enge getrieben hatte. Aber sicherlich nicht auf freiem Feld.

Owain reichte mir etwas Honiggebäck, und ich biss direkt aus seiner Hand ab und grinste ihn frech an. “Es ist lecker. Will ich wissen, was du dafür im Tausch gegeben hast?“ fragte ich neckend. Denn das Gebäck war wirklich gut und Owain ein gutaussehender Mann. Und vielleicht war ich doch ein ganz klitzekleines bisschen eifersüchtig, wenn ich daran dachte, dass auch andere Frauen ihn haben wollten. Aber solange er mir gehörte – und cih meinte nicht als Sklave – sollte er flirten, mit wem er wollte. Es wäre schon sehr scheinheilig von mir, wenn ich ihm das verübeln würde. Solange es beim flirten blieb.

Schließlich war ich soweit, dass ich auch nach draußen gehen konnte, wo es langsam dunkel wurde. Owain löschte noch das Feuer, und ich ging noch einmal zu dem Muli, um es ein wenig zu kraulen. Dann schloss ich mich Owain an, der nun mit dem Hasen hantierte. Als er mit einem Ruck das Fell abzog, verzog ich kurz den Mund. Unter dem Fell sah der Hase irgendwie bemitleidenswert aus. Ein dünnes Wesen aus rosa Fleisch. “Opfert ihr den Göttern keine lebenden Tiere, oder hast du ihn schon geopfert?“ fragte ich neugierig. Ich wusste wirklich so gar nichts über Owains Götter. Ich wusste nicht einmal, ob der Hase ein Opfer war, oder einfach nur unser Abendessen. Oder ganz was anderes, wovon ich offenbar keine Ahnung hatte.


RE: Die alte Schmiede am Dorfrand - Licinianus Owain - 05-03-2023

Ich sah sie etwas verwundert an, als sie mich fragte, ob ich den Hasen selbst gefangen hätte. „Ja! Ich habe mit Speer erlegt.“ antwortete ich, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. Eine der Speerspitzen, die im Bettkasten versteckt gewesen waren, hatte ich nicht eingeschmolzen. Stattdessen hatte ich sie an einer Stange befestigt. So wie es für sie vorgesehen war. Damit war ich am Morgen auf die Jagd gegangen. Natürlich musste man wissen, wie man sich am besten anschlich, damit der Hase nicht einfach davon  hoppelte. Aber da ich schon unzählige Hasen und Kaninchen erfolgreich gejagt hatte, wusste ich, was zu tun war. Ich fragte mich jetzt wirklich, wie das die Römer machten.


Ja, inzwischen hatte ich es tatsächlich geschafft, dass Aglaia mir aus der Hand aß. Sie biss das Honiggebäck direkt ab und grinste frech. Ich freute mich, dass es ihr schmeckte und es gefiel mir auch, als sie fragte, was ich dafür im Tausch gegeben hätte. "Eine Gürtelschnalle und geflickte Kessel," antwortete ich grinsend und aß nun den zweiten Keks selbst. Hmm, der war wirklich gut. Kein Wunder, dass sie gefragt hatte!


Aglaia kam mit nach draußen. Während ich im Haus das Feuer ausmachte ging sie zu dem Maultier und kraulte es etwas. Ich würde morgen noch einen Unterstand für das Tier bauen müssen. Heute Nacht würde es hier vor dem Haus bleiben müssen. Aber mit etwas Glück würde es heute Nacht trocken bleiben und Gesellschaft haben.
Der Hase hatte mit einem Ruck sein Fell verloren. Aglaia hatte es sich nicht nehmen lassen, zuzuschauen. Ob sie auch weiter so standhaft war, wenn ich nun die Innereien herausnahm? Doch zuvor fragte sie mich, ob ich den Hasen geopfert habe.
"Nein, kein Opfer. Ist für Essen. Für Opfer man braucht Druide und heiligen Ort. Aber keine Druiden mehr da. Sie sind alle tot." Dass dies nicht ganz stimmte, musste sie nicht wissen. Denn im Untergrund gab es immer noch Druiden und Priesterinnen, die gelegentlich in die Dörfer kamen. "Wenn ich Opfer machen könnte, dann ich opfere Waffe von Feind oder wertvolle Schmuck. Bevor man opfert, man macht Waffe oder Schmuck kaputt. Dann wirft man in Brunnen oder Quelle oder See. Dort, wo heilige Ort ist," erklärte ich. Dann öffnete ich den Bauchraum des Hasen und entfernte die Innereien.


RE: Die alte Schmiede am Dorfrand - Liciniana Aglaia - 05-04-2023

Mit einem Speer? Ich war einen Moment so perplex, dass ich gar nicht wusste, was ich dazu sagen sollte. Ebensowenig wie zu den Dingen, die er schon tat. Ich hatte irgendwie naiv angenommen, er könne nur Schmuck herstellen, aber natürlich, wenn ich so darüber nachdachte, konnte er auch andere Schmiedearbeiten wohl machen. Und er würde vielleicht nicht drei tage gebraucht haben, um aus meinem Armreifen eine Bulla herzustellen, auch wenn die sehr schön geworden war.

Ich war ihm also nach draußen gefolgt und hörte ihm zu, was er über seine Religion erzählte. “Das heißt, nur die Druiden dürfen opfern? Ihr selber könnt nicht mit euren Göttern reden und sie um etwas bitten?“ fragte ich noch einmal nach, weil das so ganz anders war als das, wie ich es kannte. Ja, die Römer und auch die Griechen hatten natürlich auch Priester, die einem dabei halfen, die Rituale richtig zu vollziehen. Und einige gab es, die auch nur von diesen Priestern begangen wurden. Aber im Grunde konnte jeder an jedem Ort zu den Göttern beten. Ein Kultbild als irdische Verbindung zu den Göttern und ein Altar, mehr brauchte es nicht. Und letzterer konnte auch durchaus eine einfache Variante, die man mit sich auf Reisen mitnahm, sein. Und auch erstere waren manchmal nicht mehr als ein gemaltes Bild.
Trotzdem rieb ich mir unruhig über die Oberarme, da mich das von vorhin nicht losließ. Ich wollte nicht klingen wie eine nörgelnde Ehefrau, aber ich war mir nicht sicher, ob Owain wusste, wie viel Ärger ein Speer ihm machen könnte. Und ich fragte mich, wo er ihn herhatte. “Owen, wegen des Speers?“ fing ich etwas unsicher an und kam näher zu ihm, während er den Hasen ausnahm. Lecker. “Wo hast du den her? Sklaven dürfen keine Waffen haben, weißt du? Ich meine, du bist Schmied, da könnte man das noch begründen, aber… „ Ich ließ den Rest unausgesprochen. Er hatte am eigenen Leib erfahren, was alles passieren konnte, wenn man sich nicht an die Gesetze Roms hielt. Wobei ich keine Ahnung hatte, ob es das war, oder was er getan hatte. Auch das war etwas, das ich ihn erst noch fragen musste.


RE: Die alte Schmiede am Dorfrand - Licinianus Owain - 05-04-2023

Sie schien darüber überrascht zu sein, wie schnell ich mich hier eingerichtet hatte. Aber es war auch alles sehr schnell gegangen und mir kam es so vor, als hätten die Leute von Cheddar die ganze Zeit auf einen neuen Schmied gewartet. Dabei war ich nicht der Einzige auf weiter Flur. In Iscalis gab es auch einen, so viel ich wusste. Für mich war es wie die Rückkehr in mein altes Leben. Mit einigen Abstrichen natürlich.
 
Draußen hatte sie aufmerksam zugehört, als ich ihr von unserem Glauben erzählt hatte. Sie schien noch mehr darüber erfahren zu wollen. "Ja, das ist Problem! Es gibt keine Druiden mehr. Nun wir müssen beten und opfern ohne Druide. Aber ist nicht so gut, wie mit Druide." Die Druiden wussten alles über die Götter. Sie konnten Ratschläge in fast allen Lebenslagen geben und noch vieles mehr. Es war wirklich ein Jammer!


Inzwischen hatte ich den Hasen so weit, dass er demnächst auf einen Spieß gesteckt werden konnte. Die Innereien würde ich später noch wegbringen, damit der Geruch nicht noch unliebsame Tiere anlockte. Aglaia schien das alles nicht viel auszumachen. Ich glaubte, sie freute sich sogar auf den Hasenbraten. Als ich nun die Hinter- und Vorderläufe des Hasen zusammen band und ihn auf eine Stange schob, fragte sie mich nach dem Speer. Ich dachte mir erst nichts dabei, denn ein Speer war doch nichts Verwerfliches, dachte ich. 
"Ich habe Speerspitze in Haus gefunden und sie auf Stange gebunden, um zu jagen." erklärte ich und zuckte mit den Schultern. Aber als sie dann sagte. ich dürfe keinen Speer besitzen, weil ich ein Sklave war, verstand ich die Welt nicht mehr. "Aber wie soll ich jagen, ohne Speer?" fragte ich sie. "Und was ist mit Dolch?"  Wenn ich auch den nicht haben durfte, was sollte ich dann machen? Aber ja, ich verstand schon. Die verdammten Römer verstanden keinen Spaß, wenn sich einer von uns nicht an ihre Regeln hielt. Alles würde an sie zurückfallen. Sie würde am Ende den Ärger bekommen.
Ich legte den Hasen zur Seite und ging ins Haus zurück. Kurze Zeit später kam ich mit dem Speer und einem Lappen wieder heraus.  Dann fackelte ich nicht lange und zerbrach die Holzstange. Dann löste ich die Spitze und wickelte sie in den Lappen ein. Aglaia sollte sich nicht daran verletzen, wenn ich ihr nun die Speerspitze übergab. "Hier, nimm sie bitte."  Ich ließ mir nichts anmerken, was ich gerade fühlte und wie enttäuscht ich war, denn ich wollte nicht das Fest verderben. Außerdem konnte Aglaia am wenigsten etwas dafür.


RE: Die alte Schmiede am Dorfrand - Liciniana Aglaia - 05-05-2023

Ich war nicht sicher, ob ich traurig darüber sein sollte, dass es keine Druiden hier gab. Ich kannte ja nur die Geschichten, aber die waren allesamt durchsetzt von Blut und Gewalt. Und so lange war auch Boudiccas Aufstand gegen Rom noch nicht her, und was da alles passiert war, wollte ich lieber nicht zu genau wissen. Die Erzählungen waren grausam genug. Nicht einmal die kleinen Kinder sollen sie verschont haben.
Aber nein, heute war alles anders. Hier waren keine Druiden und auch keine Gefahr, und ich würde mit Owain einfach einen schönen Abend haben. Vielversprechend angefangen hatte er ja auch schon, wenngleich er einen kleinen Knick bekommen hatte durch das momentane Thema. Dass da einfach so eine Speerspitze noch im Haus herumgelegen haben soll, gefiel mir nicht. Wer wusste, was da noch so herumlag? Wobei Owain jetzt ja geputzt hatte und sicher die meisten Geheimnisse schon entdeckt haben würde. Ich hoffte es zumindest, dass jetzt keine bösen Überraschungen mehr kämen.

Ich schaute bedauernd zu ihm, als er mich fragte, wie er so jagen sollte. Ich hasste es, die Überbringerin von scheinbar schlechten Nachrichten zu sein. “Du musst nicht unbedingt jagen. Ich kann auf dem Markt ja alles kaufen“, meinte ich entschuldigend. “Kommt drauf an, wie groß der Dolch ist. Wenn er klein genug ist, um als Werkzeug für die Zubereitung von Essen oder so durchzugehen, sollte das kein Problem sein. Aber du solltest ihn trotzdem nicht offen mit dir herumtragen.“
Ich seufzte noch einmal. Es tat mir ja auch leid, dass Owain gerade so vor Augen geführt bekam, dass er nicht frei war. Für mich war er das, in jeder Beziehung, die etwas zählte. Aber für alle anderen war es besser, wenn er Sklave war, auch wenn das hieß, dass einige Dinge nicht gingen.

Als er ging, hatte ich schon Angst, wieder etwas falsches gesagt zu haben. Ein kurzer Anflug von Panik, den ich nicht unterdrücken konnte und den ich nicht wollte. Die Wahrheit war wohl, dass ich genauso an ihn gebunden war, wie er an mich, und allein die Möglichkeit, dass er diese Verbindung jetzt doch trennen würde, verursachte mir Bauchschmerzen. Aber er kam gleich wieder, mit dem Speer, den er auch gleich vor meinen Augen zerbrach. Ich schaute verständnislos, bis er mir die umwickelte Spitze überreichte. Ich schaute kurz auf die eingewickelte Waffe, dann umarmte ich ihn ganz fest.
“Ich werde fragen, ob ich eine Genehmigung bekommen kann. Für dich. Hier in der Provinz ist es ja sicher auch anders, als in Rom, und hier gibt es wilde Tiere… Ich werde schauen, was möglich ist. Ich verspreche es“, sagte ich und drückte ihn noch einmal. Ich wollte so sehr, dass er glücklich war.
Nur langsam löste ich mich von ihm und setzte mich wieder, wie wir vorhin gewesen waren neben dem toten Hasen. Irgendwie war die Stimmung jetzt komisch, fand ich, aber da mussten wir wohl beide durch. Das Leben war nun einmal nicht einfach. Ich schaute zu Owain und sammelte noch einmal meinen Mut zusammen. “Möchtest du mir erzählen, was passiert ist? Damals, meine ich“ fragte ich ihn und meinte damit, wie er zum Sklaven wurde. Er musste es mir nicht erzählen, er durfte auch nein sagen. Aber ich glaubte, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, es vielleicht zu erfahren.


RE: Die alte Schmiede am Dorfrand - Licinianus Owain - 05-05-2023

Ich wollte wütend schnauben, beherrschte mich aber dann doch, als Aglaia allen Ernstes meinte, ich müsse ja nichts jagen, weil ich es ja auf dem Markt kaufen konnte. Dennoch konnte man deutlich sehen, wie es mir gerade ging, denn meine Augen funkelten vor Wut. Wenn ich jetzt auch noch den Dolch abgeben sollte, dann konnte ich nicht einmal ein gebratenes Stück Fleisch schneiden! Ich zeigte ihn ihr, mit dem ich gerade noch den Hasen ausgenommen hatte. Eigentlich war er nicht besonders groß. Aber natürlich hatte er eine scharfe Klinge. Ich versuchte ihr dabei nicht in die Augen zu schauen, denn ich war so wütend und fühlte mich so hilflos. Noch schlimmer war es, Aglaias Mitleid, das in ihren Worten mitschwang, zu ertragen.
Als ich dann ohne Vorwarnung im Haus verschwand, konnte ich so etwas wie Panik in ihren Augen sehen. Glaubte sie etwa wirklich, ich wolle sie jetzt einfach verlassen? Womöglich auch noch ganz von ihr weg gehen? Gab sie denn nichts auf mein Versprechen, immer bei ihr zu bleiben? Nein, ich versuchte mich nicht noch mehr in meine Wut hineinzusteigern, sonst würde das Fest sein Ende finden, bevor wir erst richtig angefangen hatten, es zu feiern.
Als ich zurückkam, den Speer vor ihren Augen zerbrach und ihr schließlich die eingepackte Speerspitze übergab, umarmte sie mich fest. Ich brauchte einen Moment, bis auch ich meine Arme um sie schlug. Sie sagte dann, sie wolle nach einer Genehmigung fragen, damit ich einen Speer besitzen durfte. Diese verdammten Römer! Wahrscheinlich stellten sie auch noch Genehmigungen aus, damit man am Rand ihrer Straßen scheißen durfte, ohne gleich verhaftet zu werden! Sie drückte mich noch einmal. Wir bleiben eine Weile so stehen und hielten einander fest, bis sie sich wieder langsam von mir löste und sich setzte.
Bevor auch ich mich setzen konnte, musste ich noch das Feuer anzünden. Dafür nahm ich ein Ledersäckchen, in dem sich Zunder, ein Feuerstein und ein Schlagriemen befand. Zwei oder drei Versuche brauchte ich, bis sich das Stückchen Zunder an dem Funken entzündete und ich damit und den Holzscheite in der Feuerstelle ein Feuer entfachen konnte.  Bis es soweit war und ich den Hasen übers Feuer halten konnte, dauerte es noch ein bisschen. Daher setzte ich mich zu ihr. Zunächst schwiegen wir uns an. Aber dann fragte sie mich, was damals passiert sei. Ich dachte mir, dass irgendwann diese Frage käme. Natürlich nicht unbedingt an Beltane.
Ich atmete einmal tief durch, bevor ich, nach Worten suchend, mit ruhiger Stimme begann. "Römische Soldaten haben mein Dorf lange nicht beachtet. Wir dachten, wir Glück haben. Aber dann sie kamen und sie sagen, wir müssen hier weg. Von da an, wir haben uns gewehrt. Die jungen Krieger und auch ich. Wir haben gekämpft gegen sie aber wir haben kein Chance gegen sie. Sie kamen zurück in Dorf und zerstören alles." Wieder musste ich tief durchatmen, bevor ich in der Lage war, weiter zu sprechen. "Töten Alte, nehmen Frauen, Kinder und Männer mit als Sklaven. Ganz kleine Kinder nicht. Sie zurückbleiben."


RE: Die alte Schmiede am Dorfrand - Liciniana Aglaia - 05-06-2023

Er setzte sich zu mir, auch wenn ich seine Stimmung fast schon greifen konnte, und fing an, zu erzählen. Die römischen Soldaten hatten das Dorf erst vertreiben wollen, warum auch immer, und als die Bewohner sich weigerten, also alles nieder gemacht. Wahrscheinlich wäre die Version von römischer Seite etwas anders aus, aber ich glaubte ihm, dass er es so empfunden hatte. Ich lehnte mich leicht zur Seite, so dass ich meinen Kopf an seine Schulter anlehnen konnte, und schaute zu ihm auf. Eine ganze Weile lang sagte ich nichts, ehe ich mich noch ein wenig näher setzte, um ihn umarmen zu können. Ich wusste nicht, ob er meinen Trost wollte, aber er bekam ihn trotzdem.
“Es tut mir leid“, sagte ich leise. “Das war Unrecht.“ Und das war es auch. Normalerweise lief es auch nicht so. Glaubte ich zumindest. Ich kannte ja nur die andere Seite, da aber durchaus einige Offiziere und Befehlshaber, die auch gerne erzählten. Und die meisten bemühten sich, Konflikte gar nicht erst aufkommen zu lassen. Oft behielten unterworfene Völker ihre Könige und Fürsten, die sie regierten. Viele Städte und Dörfer erhielten gleich zu beginn verschiedene Rechte, um ihnen die Eingliederung in das Reich leicht zu machen. Auch wenn die römische Armee groß war, war das Soldatenleben eher weniger von Kämpfen geprägt. Manche Legionen bauten nur Straßen und Aquädukte und kämpften in zwanzig Jahren vielleicht ein Mal. Wenn nicht gerade Bürgerkrieg war. Naja, und der war erst gewesen. Ich glaubte nicht, dass Kaiser Vespasian dieses Verhalten gutheißen würde in seinen nördlichen Provinzen. Aber ich wusste es einfach nicht.
Und deshalb saß ich einfach da, neben Owain, und hielt ihn ein wenig tröstend Fest, während ich meinen Kopf an ihn legte. Ein Wunder, dass er nicht uns alle hasste. Ich hoffte zumindest, dass er mich wirklich liebte und nicht hasste. Ich wünschte es mir. "Wir sind nicht alle so“, flüsterte ich und hoffte, dass er mir glaubte.


RE: Die alte Schmiede am Dorfrand - Licinianus Owain - 05-07-2023

"Ja, das war es!" antwortete ich mit belegter Stimme. Sie hatte sich noch etwas näher zu mir gesetzt.Aber ich konnte sie in diesem Moment nicht anschauen. Stattdessen blickte ich in die auflodernden Flammen des Feuers, das ich angezündet hatte. "Seit ich denken kann, wir leisten Römer Widerstand." fuhr ich verbittert fort. "Bisher wir konnten uns wehren. Aber sie kommen immer näher. Bald sie haben alles! Ich war kleiner Junge von vier oder fünf Jahre, als sie Druiden getötet haben. Bald ist alles, was wir waren, weg!" 
Sie hatte ihren Arm um mich gelegt und hielt mich nun fest, als wolle sie mich trösten. Es fühlte sich auch gut an und verhinderte wohl, daa ich nicht noch tiefer hinab glitt in den Abgrund der Verbitterung. Das wollte ich auch gar nicht. Schließlich sollte das doch ein fröhliches Fest sein. Doch ich saß hier und kämpfte mit meinen Tränen, war verbittert und wütend und voller Trauer. Als sie mir dann zuflüsterte, sie seien nicht alle so, sah ich sie dann doch an. "Ja," antwortete ich ihr und küsste sie sanft. 
Eigentlich wäre jetzt der passende Moment gewesen, um endlich das Thema zu wechseln. Doch es stand da immer noch etwas im Raum, was mich beschäftigte. Die letzten Tage, seit ich die Kisten mit den Waffen entdeckt hatte, quälte mich die Frage, ob ich ihr das verheimlichen durfte. In den letzten Tagen hatte ich ja fast alles weggeschafft, was in den Kisten gewesen war. Entweder hatte ich die Waffen eingeschmolzen oder sie draußen im Wald versteckt. Nur drei oder vier Schwerter, mit denen man nicht mehr viel anfangen konnte, weil sie stumpf verbogen waren und schon an manchen Stellen Rost angesetzt hatten, waren noch da. In den nächsten Tagen wollte ich auch sie einschmelzen, um daraus andere Gegenstände herzustellen.
"Aglaia, ich habe noch andere Sachen gefunden, hier in Haus.", begann ich schließlich, nachdem ich mich von ihr gelöst hatte. "Unten in Bettkasten. Vier Kisten mit Schwertern, Pfeil-  und Speerspitzen. Davon ist auch diese gewesen." Ich deutete auf die eingewickelte Speerspitze, die ich ihr zuvor gegeben hatte. "Alter Schmied muss sie gemacht haben. Ich habe davon einiges eingeschmolzen für Aufträge von Leute aus Dorf. Drei oder vier kaputte Schwerter sind noch da, zum einschmelzen. Rest ich habe versteckt, in Wald. Deshalb ich konnte nicht kommen zu dir." 


RE: Die alte Schmiede am Dorfrand - Liciniana Aglaia - 05-07-2023

Ich hörte ihm zu, wie er weitersprach. Widerstand. Sich wehren. Ich hätte einige Dinge sagen können, aber ich hielt erst einmal den Mund. Ich glaubte, er wollte sich erstmal einfach alles von der Seele reden und nicht darüber diskutieren, ob es auch andere Wege gegeben hätte als den Kampf. Denn ich glaubte schon, dass es die gab. Immerhin waren die Britannier nicht die ersten Kelten im römischen Imperium. Die Alpenstämme waren schon lange Teil des Reiches, dann die Raetier, und schließlich die Gallier. Was die Hispanier waren, war ich mir grade nicht sicher. Aber wohl eher Karthager als Kelten. Gleichgültig. Es gab viele Völker im römischen Reich, und die meisten hatten einen friedlichen Weg miteinander gefunden. Zumindest glaubte ich das, aber ich war auch zum ersten Mal wirklich in einer Provinz, und Rom war eine ganz eigene, ganz andere Welt.
Und so hielt ich ihn einfach tröstend und verschob die Diskussion auf eine andere Zeit. Ich wollte ihm einfach nur nah sein, damit das Fest, das für ihn doch so wichtig war, nicht ganz in Trübsinn versinken würde.

Allerdings war das nicht so einfach, als Owain auf einmal sagte, er hätte Waffen gefunden. Und nicht ein oder zwei, sondern vier Kisten voll, die er im Wald versteckt habe.

Scheiße.

Einen langen Moment lang war nur dieser eine Gedanke in meinem Kopf, während ich Owain wohl anstarrte und mein Gesicht wohl meine Gedanken ziemlich präzise widerspiegeln würde. Erst nach einigen Schockmomenten fing ich mich und löste mich auch soweit von Owain, dass ich ihn richtig anschauen konnte.
“Das müssen wir melden“, meinte ich in einem Anflug von leichter Panik. Waffen, und gleich viele Waffen, in einer nicht ganz befriedeten Provinz, kurz nach einem Bürgerkrieg und während hier eine Legion stationiert war, das war eine Katastrophe!. Wir konnten so viel Ärger deshalb bekommen! Dieser Tribun Iulius würde doch nur auf eine Chance warten, um mich dranzukriegen, und wenn das über Owain passierte, wäre es ihm sicherlich nur recht. Mist!
Ich überlegte laut. “Direkt zur Legio können wir nicht gehen. Dieser ekelhafte Iulius würde uns festnehmen. Jetzt sind aber nur noch ein paar kaputte Waffen da?“ vergewisserte ich mich noch einmal. Da konnte ich mich rausreden, immerhin war Owain Schmied und da ein wenig Schmiedegut zu haben, war in jedem Fall plausibel. Aber nicht vier Kisten voll.
“Ich werde morgen zu Furius Saturninus gehen. Der hat zwar eigentlich damit nichts am Hut, aber er ist Beamter, und sicherlich kann er es so hinbiegen, dass wir dadurch keinen Ärger bekommen.“ Ja, ja das war ein Plan. Wenn wir es von uns aus meldeten, dann konnte auch erst gar kein Verdacht aufkommen, dass wir etwas damit zu tun hätten. “Die Waffen sind aber so im Wald, dass da nicht der nächste Jäger gleich darüberstolpert, oder?“ wollte ich dann auch noch wissen. Denn ja, das konnte uns direkt in den Tartaros bringen, wenn die falschen Leute das herausfanden und uns böses wollten.


RE: Die alte Schmiede am Dorfrand - Licinianus Owain - 05-08-2023

Mit meinem Geständnis hatte ich ihr einen Mordsschrecken eingejagt. Ganz geschockt starrte sie mich an und dachte scheinbar nach, was sie jetzt tun oder sagen sollte. Dann löste sie sich von mir und schaute mich forschend an. ob sie herausfinden wollte, wie ich über diese Waffen dachte? Natürlich hatte ich sie fortschaffen müssen. Aber nicht, um sie den Römern zuk übergeben! Aber genau das wollte sie! Ihre Stimme klang panisch, als sie meinte, wir müssten das melden. Dann überlegte sie laut, wem sie es melden wollte. Nein, ich hatte nicht vor auch nur eine Waffe an die Römer zu übergeben! Diese Waffen waren für den Widerstand bestimmt und für nichts anderes! Doch das behielt ich vorerst für mich. Ich würde morgen früh mit ihr reden müssen und sie davon überzeugen, dass es ein Fehler war, die Waffen zu melden.

"Ja, nur noch vier kaputte Schwerter," antwortete ich ihr. "Drinnen in Haus in Kiste bei Werkzeug." Sie nannte dann einen Namen von irgendeinem Römer, der ein Beamter war. Ihm wollte sie es melden. Zum Glück hatte sie nicht vor, direkt zu einem vom Militär zu gehen. Schließlich wollte sie noch wissen, wie gut die Waffen im Wald versteckt waren. 
"Keine Sorge, Ich habe Waffen gut versteckt. Niemand finden!" Sie musste nicht wissen, dass ich sie in einer Höhle versteckt hatte. "Bitte, vertrau mir!" Nun nahm ich sie in den Arm, um sie zu beruhigen. Dieser Abend war viel zu schade, um sich Sorgen zu machen. 

Inzwischen war der Hase auch schon fast fertig. Es duftete zumindest lecker. "Essen gleich fertig!"
Ich war kurz im Haus verschwunden und brachte das Brot, den Met und Geschirr heraus. Es sollte uns an nichts fehlen! "Hier probiere mal!" Ich reichte ihr einen Becher mit Met. Wahrscheinlich kannte sie gar keinen Honigwein. Die Römer tranken meistens ja lieber ihren verdünnten Wein oder Essigwasser.
Dann holte ich den Hasen vom Feuer und begann ihn zu zerteilen. Auf beide Teller legte ich etwas Fleisch und reichte ihr einen. Hoffentlich schmeckte ihr das. Gegen die Kochkünste ihrer Köchin konnte ich natürlich nichts ausrichten.