Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg - Druckversion +- Forum (https://adlerchronik.de) +-- Forum: Die Chroniken (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=1) +--- Forum: Provinz Britannia (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=8) +--- Thema: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg (/showthread.php?tid=697) |
RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg - Alun - 05-25-2024 Nachdem ich etwas gegessen hatte, wollte ich eigentlich nur noch schlafen. Auch wenn das in einem Raum mit so vielen Menschen, von denen ich die meisten gar nicht kannte, schier unmöglich war. Die einen schnarchten bereits, während sich die anderen noch lauthals amüsierten und gar nicht ans Schlafen denken konnten. Unglücklicherweise schien auch Fintan zu der letzteren Sorte zu gehören. Selbst nach eineinhalb Wochen anstrengender Reise, konnte er es immer noch nicht lassen, uns den letzten Nerv zu rauben. Als er sich erhob, um wie er sagte, seine Enthaltsamkeit nachzuholen, genügte nur ein kleiner Blick auf Louarns Gesicht, der wahrscheinlich in diesem Moment dasselbe wie ich dachte. Fintan würde sich wahrscheinlich nie ändern. Er würde immer der nervende Junge bleiben, der er schon immer gewesen war. Selbst dann, wenn es bereits wehtat, setzte er noch einen oben drauf! Trotz allem versuchte ich, zu schlafen. Ich versuchte, das Schnarchen und das Gelächter der anderen auszublenden. Ja, sogar meine finsteren Gedanken, die mich schon die ganze Zeit über verfolgt hatten, versuchte ich zur Seite zu schieben. Aber ich fand einfach keinen Schlaf! Vielleicht lag es an der schlechten Luft hier drinnen, die vom Geruch feuchter, schmutziger Kleidung und diversen menschlichen Ausdünstungen geschwängert war. Auch jetzt wieder fragte ich mich, ob ich nicht einfach schon zu verweichlicht war, weil ich inzwischen schon ein halber Römer war. Ach, verdammt! Ich stand auf, streifte meine Tunika wieder über und zog meine Paenula an, denn draußen würde es inzwischen sehr frisch sein. Als ich aus der Herberge hinaustrat, schlug mir die kalte, frische Luft entgegen und meine Müdigkeit war vorerst einmal verflogen. Zum Glück regnete es gerade nicht, sodass ich mir ein wenig die Beine vertreten konnte. Dieses Kaff wirkte um diese Zeit wie ausgestorben. Lediglich ein paar Katzen, die ich allerdings nicht sehen konnte, hatten miteinander Streit und schrien und knurrten bedrohlich. Als ich eine Runde gedreht hatte und es mich langsam zu frieren begann, lief ich hinüber zum Stall. Ich wollte nach den Pferden sehen, denn im Moment zog mich noch nichts zurück in den Gemeinschaftsschlafsaal der Herberge. Im Stall schien alles ruhig zu sein. Wesentlich ruhiger als in der Herberge! Ich überlegte schon, ob ich heute Nacht nicht hier schlafen sollte. Aber das wäre wahrscheinlich nicht so passend gewesen. Gerade als ich mich wieder zum Gehen umwandte, glaubte ich ein Geräusch zu hören, das sich wie ein Schluchzen angehört hatte. Ich wandte mich wieder um, ging noch ein paar Schritte weiter hinein in den Stall. "Ist da jemand?" fragte ich in die Dunkelheit. "Bist du das, Fin?" Wieso ich ausgerechnet nach meinem Bruder Fintan fragte, konnte ich nicht erklären. Doch ich hatte so eine Ahnung, dass er es sein könnte. Offenbar waren seine Bemühungen, eine Ehe zu ruinieren, fehlgeschlagen. RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg - Fintan - 05-25-2024 Erschrocken hob Fin den Blick. Wie viel Zeit war vergangen? Hastig machte er sich daran, die sieben Brotkrumen einzusammeln, die er in einem Kreis angeordnet hatte. Dämliches Spiel. Dämlicher Fintan! Götter, was das wieder sollte! Was sollte er machen? Als der Ruf ertönte, erstarrte er vor Schreck. Verstecken? Abhauen? Alles leugnen? Eine tragische Liebesgeschichte erfinden? Geisteskrankheit vortäuschen? Alun umbringen? Tun, als sei es ein Witz? Das Brot als Ablenkung benutzen? Den Stall in Brand stecken? Alles gute Ideen. "I-Ich... uh... ja... Ja, ich bin hier", sagte er und mühte sich, Atem und Stimme schnell wieder unter Kontrolle zu kriegen. In der Dunkelheit wischte er sich mehrfach über das Gesicht und wusste doch, dass das hier völlig merkwürdig aussah. Augenblicklich bekam er den Drang, sich zu rechtfertigen. "Ich, äh... hab nur nen... echt fiesen... Korb kassiert. Mehrere, tatsächlich. Ich glaub, mich hat jede Frau des Dorfs geohrfeigt und dann noch ihren Mann auf mich gehetzt, autsch! Hehe..." RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg - Alun - 05-25-2024 Mein Gefühl hatte mich nicht getäuscht. Tatsächlich war es Fintan, der sich hier irgendwo im Stall verkrochen hatte und nun überrascht und ziemlich verlegen wirkte. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass noch einer auf die Idee kam, um nach den Pferden zu schauen oder sich hier ein ruhiges Plätzchen zu suchen. Meine Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt, und ich bewegte mich in die Richtung, aus der seine Stimme erklang. Er hatte sich natürlich in der hintersten Ecke versteckt und begann nun zu stammeln, dass sein Plan fehlgeschlagen sei und ihm die Frauen dieses Städtchens allesamt einen Korb gegeben hätten. Doch irgendetwas ließ mich spüren, dass das nicht die ganze Wahrheit war und es einen anderen Grund geben musste, warum er hier war. "Na, so ein Pech aber auch!", entgegnete ich ihm, als ich endlich bei ihm ankam. "So, und jetzt erzähl mir, was wirklich los ist." Meine Stimme war sanft, denn ich wusste, wie wohltuend es sein konnte, wenn jemand einfach nur da war und zuhörte. Ich setzte mich neben ihn und legte ihm freundschaftlich meinen Arm um die Schulter. RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg - Fintan - 05-25-2024 Fintan war erstarrt. Er war es nicht gewohnt, dass einer seiner Brüder seine Gesellschaft suchte. Außer Dunduvan. Und der war nicht mehr da. Ihr Anführer hatte ihn hin und wieder aufgesucht, wenn er etwas gebraucht hatte. Und auch wenn er streng gewesen war, hatte er ihn nie verurteilt - und sogar seine Späße leidvoll ertragen, solange er Ergebnisse geliefert hatte. Er vermisste ihn schrecklich. Doch geredet hatten sie nicht darüber. Es war, als sei einer, der regelmäßig zum Essen gekommen war, einfach nicht mehr aufgetaucht. Und niemand erwähnte ihn mehr. "Nichts! Nichts, ehrlich! Siehst du? Alles in Ordnung!", rief Fintan, der unter Aluns Arm etwas zusammengesackt war. Er sah dem Bruder ins Gesicht, breit grinsend. Mit seinen weit aufgerissenen Augen, die zu schreien schienen, hatte es etwas Verstörendes. Es war das Gesicht, was er damals gemacht hatte, als seine Mutter gegangen war. Was sollte jemand tun, der stark und frohen Mutes sein will, obwohl doch seine ganze Seele schreit? Nein, er musste sich zusammenreißen. Wer sonst sollte die anderen davon abhalten, zu verzweifeln, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen? Wer sonst sie aufheitern oder von trüben Gedanken abhalten? "Ich bin nur... etwas müde. Das ist alles, ich schwörs! Und feile an ein paar neuen Tricks. Warts ab was Lou für ein Gesicht macht, wenn ich seine Hosen verschwinden lasse, hehehe! He..." Ein Zittern stahl sich in sein falsches Lachen, das atemlos klang und hohl. Und hysterisch, ganz als ob Mauern einbrachen und vorsichtig aufgeschichtete Fassaden völlig in sich zusammenfielen. Bis das Gerüst des stümperhaft zusammengezimmerten Gebäudes nackt und verwundbar im Wind stand, wo es bald umgepustet würde. Es war einfach gewesen, sich zu belügen, als er seinen Brüdern nur alle paar Tage mal ein paar Minuten über den Weg gelaufen war. Doch jetzt? "Haha... ha... Er rastet bestimmt voll aus, oder...?" RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg - Anwen - 05-25-2024 Wahrscheinlich war Anwen diejenige, der die Strapazen der Reise am wenigsten ausmachten. Sie war es gewohnt, unter freiem Himmel zu schlafen, lange Strecken zu wandern und auch einige Tage lang ohne Essen auszukommen. Dennoch war auch sie froh, dass sich die Reisegesellschaft einen oder sogar zwei Tage Ruhe gönnen würde. Einzig allein der Ort, an dem sie das tun würden, störte sie. Louarn hatte sich dafür ausgerechnet eine Römersiedlung ausgesucht, in der es wahrscheinlich von Römern nur so wimmelte! Allein schon die Straße und die steinerne Brücke, die sie in diese Stadt führten, waren ihr sehr suspekt! Noch schlimmer war dieses viereckige Konstrukt aus Stein, in der sie übernachten sollten. Anwen roch an ihrer Kleidung und rümpfte die Nase. Nicht nur ihre Kleidung, auch ihr ganzer Körper hätte ein ausgiebiges Bad gutgetan. Doch nie im Leben hätte sie das römische Badehaus betreten! Also blieb nur der Fluss als Alternative. Sicher gab es am Ufer eine Stelle, an der sie sich und ihre Kleider waschen konnte Doch unter den Augen dieser Römer war daran nicht zu denken. Sie traute keinem dieser Eindringlinge, denn bisher hatte sie nur schlechte Erfahrungen im Umgang mit Römern gemacht. Zunächst dachte sie daran, einen der jungen Männer zu fragen, ob er zu ihrem Schutz mit ihr ging. Doch alle sahen sehr müde und geschafft aus. Dann verschwand irgendwann Fintan und danach auch noch Alun. So beschloss sie, alleine zu gehen. Natürlich würde sie nicht unbewaffnet gehen, denn sie hatte wie immer ihr Messer dabei, das sie in ihrem Beutel versteckt hielt, um sich gegebenenfalls zu verteidigen. RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg - Alun - 05-25-2024 (05-25-2024, 02:49 PM)Fintan schrieb: Fintan war erstarrt. Er war es nicht gewohnt, dass einer seiner Brüder seine Gesellschaft suchte. Außer Dunduvan. Und der war nicht mehr da. Ihr Anführer hatte ihn hin und wieder aufgesucht, wenn er etwas gebraucht hatte. Und auch wenn er streng gewesen war, hatte er ihn nie verurteilt - und sogar seine Späße leidvoll ertragen, solange er Ergebnisse geliefert hatte. Er vermisste ihn schrecklich. Doch geredet hatten sie nicht darüber. Es war, als sei einer, der regelmäßig zum Essen gekommen war, einfach nicht mehr aufgetaucht. Und niemand erwähnte ihn mehr. Ich beobachtete Fintan eine Weile, sah sein breites Grinsen auf seinem Gesicht, das jedoch nicht seine Augen erreichte. Es war nur der Versuch, die bröckelnde Fassade aufrechtzuerhalten. Stattdessen aber hatte es den Anschein, als sacke er nun unter der Last meines Armes zusammen und ich überlegte ernsthaft, ob ich meinen Arm wieder zurücknehmen sollte. Doch ich beließ ihn vorerst dort, denn ich wollte ihm helfen. So wie mir Louarn oft schon geholfen hatte, wenn es mir beschissen ging. Was nun folgte, waren weitere neue Ausreden, die eines gemein hatten: Sie lenkten von der Wahrheit ab! Es sei alles in Ordnung und er sei doch nur müde und schließlich begann er davon zu plappern, Louarns Hose verschwinden zu lassen. Aber alles an ihm, seine Augen, seine Stimme, sein Zittern und die abgedrehte Art, wie er zu lachen versuchte, verriet mir, dass gar nichts in Ordnung. "Fintan, du musst dich nicht vor mir verstellen. Ich sehe und höre, dass es dir nicht gut geht," erwiderte ich sanft. "Sag mir einfach, was dich bedrückt." Ich musste gestehen, dass mir Fintan nie so nah wie Louarn gewesen war. Für uns alle war er immer nur der Quatschkopf gewesen, der nicht, aber auch wirklich gar nichts ernst nahm. Wenn ich wegen meiner Mutter und meinem ganzen verkorksten Leben niedergeschlagen war, kam er nur mit dummen Sprüchen und blöden Witzen daher, die mich dann wütend machten. Ich hatte ihn nie trauern oder grübeln gesehen. Scheinbar interessierte es ihn nicht die Bohne, was mit unseren Müttern passiert war. Doch nun in diesem Augenblick begann ich zu begreifen, dass die seine Art war, mit allem, was passiert war, fertig zu werden. Er zog alles in Lächerliche, bis es wehtat – weil es wehtat! Nun sah ich, wie verletzlich er tatsächlich war, mein Bruder! RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg - Fintan - 05-25-2024 Es platzte aus Fintan heraus noch ehe er Zeit gefunden hatte, sich etwas einfallen zu lassen. "Ich verstelle mich nicht!", rief er und in seiner Stimme fand sich so wenig Witz wie auf der öden Oberfläche eines lange toten Schlachtfelds. "Ich BIN so! Ich MUSS so sein! Verstehst du? Ich MUSS!" ~~~
Fintans Füße berührten kaum den Boden. Wie ein Schatten, so lautlos war er. Er war es schon immer gewesen. Konnte Dinge verschwinden lassen wie ein Zauberer. Sogar sich selbst. Vielleicht wollte ihn der Katt-Bart deshalb unterrichten? Die Stimmen aus dem Wohnraum waren kaum zu überhören. Seine Mama war sonst nie so laut. Also schlich er um die Hütte herum, die nicht groß war, und lauschte. Es war bereits dunkel, was nicht ungewöhnlich war. Er blieb häufig bis nach Sonnenuntergang draußen, auch wenn seine Mama das nicht gut fand. "... eiß nicht, was du dir einbildest, Doireann! Wenn sie dich nur hören könnten!" "Es reicht. Du kommst nicht in mein Haus und machst mir Vorschriften zu meinem Kind!" "DEIN Haus? DEIN Kind? Es gab eine Zeit, da war dein Haus auch unser Haus, erinnerst du dich? Und DEIN Kind hättest du nicht, wäre nicht dieser Köter gewesen!" "Wie könnte ich das vergessen? Du erinnerst mich ja ständig daran. Und daran, dass ich meinen Sohn ebenso hassen sollte, wie du den deinen." "Er ist nicht dein Sohn, Doireann! Er ist ein Römer! Römische Brut. Und sein Sinn und Zweck ist einzig und allein, die Sünde seiner Geburt wiedergutzumachen. Ich sorge dafür, dass Odhran das weiß. Ich bringe ihm bei, was sein Sinn ist. Kannst du dasselbe von dir behaupten?" "Sie zu erziehen und sie zu verachten, sind zwei verschiedene Dinge, Orla!" Götter, die Mama war aber wütend! "Sie haben nicht darum gebeten, geboren zu werden! Ebensowenig wie du oder ich! Ich werde meinen Sohn niemals so hassen wie du den deinen! Denkst du, er spürt es nicht? Was bringst du ihm damit über das Leben bei?" "Eben das. Dass es hart ist. Dass es unfair ist. Dass er gehasst wird, und das zurecht. Und du tätest besser daran, dem deinen keine Hoffnungen zu machen. Handle nicht entgegen Cathbads Anweisungen! Ich bitte dich. Ich tue das nur für dich!" "Für mich? Hah! Wir stehen kurz vor dem Ende! Habe ich dich sagen hören 'Schwester, bitte tu es nicht, lebe weiter!'? Das muss ich verpasst haben." "Du weißt, es ist zum Wohle..." "Schwester... Wann hast du begonnen, die Römer mehr zu hassen als du uns liebst?" Als die Tür zuschlug, hielt Fintan noch einige Augenblicke inne. Odhrans Mama war ziemlich gemein. Sie war nie freundlich gewesen, aber das? Vielleicht weinte Odhran deshalb immer so viel? Als er in die Hütte einkehrte, ließ er sich nichts anmerken. "Bin wieder da!" "Und schon wieder zu spät!", tadelte ihn die Mama resigniert. "Setz dich. Essen ist fertig." "Urgh, schon wieder Eintopf?" "Mit Gemüse. Sei dankbar und iss auf. Wenn der Winter kommt, gibt es nur noch Getrocknetes." "Ich mag Trockenfleisch...", murmelte Fin, der lieber Fleisch hatte als Grünzeug, egal wie lang es getrocknet war. Er setzte sich an den Tisch, ehe sich auch seine Mutter neben ihn setzte. Während er sich auftat, bemerkte er ihren scheelen Blick von der Seite. [i]"Fintan, hör mir zu."[/i] "Was ist denn?", rief er wie ertappt und ließ sich nicht anmerken, was er soeben gehört hatte, "Ich hab's nicht kaputt gemacht!" "Darum geht es nicht. Ich muss dir etwas sagen. Es... dauert jetzt nicht mehr lange." "Was passiert denn?" "Nichts. Nichts wird passieren, aber es... es kann sein, dass ich eine Weile weg muss. Wenn das passiert, dann möchte ich, dass ihr alle sehr aufeinander aufpasst, ja? Manche werden traurig sein oder Angst haben. Ihr werdet einander beschützen, aber jemand muss auch auf eure Seelen achten. Auf euren Geist, verstehst du?" "Aber wieso denn? Ihr kommt doch wieder", sagte er wider besseres Wissen. Schon lange ahnte er, dass dieser Abschied nicht nur kurz dauern würde. Eine Unruhe hatte alle erfasst. Er bemerkte es, immer. Die Erwachsenen ahnten es nicht, doch er durchschaute sie. "Sind die doof." "Tja, du bist eben schon groß. Du weißt es besser." [i]"Keine Sorge! Ich heiter die schon auf!", sagte er pompös und bemerkte, wie das Lächeln seiner Mama zuckte. Sie sah traurig aus. "Magst du einen Witz hören?" Mutter schwieg für wenige Sekunden, in denen sie ihn verträumt beobachtete, als sehe sie etwas, das er nicht sehen konnte. "Gerne, Fin. Erzähl mir einen Witz." "Auf welcher Seite hat der Rabe die meisten Federn?" "Ich weiß nicht. Auf welcher Seite?" "Hi, Calum!" Odhran hob den Blick. Er hatte traurig in der Ecke gesessen. Fintan bemerkte die rote Stelle an seinem Arm, wo seine Mutter ihn sicher wieder grob angefasst hatte. "Fin", stellte er fest, woraufhin sich dieser neben ihn setzte und das Brot für sie teilte, das er mitgebracht hatte. "Oh... danke." "Hab ich, äh... geborgt. Habs geborgt. Bei uns gab's gestern nur schalen Eintopft, glaubst du das?" Den neidischen Blicken Odhrans oder dessen Magenknurren nach zu urteilen, hatte der vermutlich gar nichts bekommen, dachte Fintan. "Iss!" Zufrieden sah er zu, wie Calum dankbar einige Bissen zu sich nahm. "He, Cal? Auf welcher Seite hat der Rabe die meisten Federn?" "Huh? Uhm. Weiß... Weiß ich nicht. Wieso fragst du?" "Na, auf der Außenseite!" Odhran starrte ihn einige Augenblicke verdutzt an. Dann prustete er los. Und Fintan, er prustete mit. Kinderlachen erfüllte den Raum für einen ach so kurzen Moment, in dem alles in Ordnung war. [/i] ~~~
"Ich muss... Denn wenn ich's nicht bin... I-Ich habs versprochen...", murmelte Fintan, der spürte wie sein Gesicht brannte. Das kannte er kaum. Nur von ganz früher. Scham hatte er lange abgelegt. Seufzend ließ er den Kopf hängen. "Weißt du noch früher, Alun? Da haben wir gelacht... Wenn... Wenn es wieder schwer war, hab ich irgendwelche Witze gemacht. Oder Dunduvan Streiche gespielt. Aber... Aber irgendwann war das nicht mehr genug. Wir sind älter geworden. Und... Und alles wurde so schwierig... Ich habe euch kaum noch gesehen. Alle waren fremd und ich war immer dieses 'komische Kind'... Und wenn wir uns dann gesehen haben, da... da hab ich versucht... a-aber es klappte einfach nicht." Fintan holte Luft, als eine einzige Träne von seiner Nasenspitze tropfte. "Wenn... Wenn ihr wütend werdet, das... das ist schon in Ordnung...", schluchzte er und dachte an Lou. "Wenn... Wenn er mich hasst... dann hasst er sich selbst vielleicht etwas weniger? G-Glaubst du?" RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg - Alun - 05-25-2024 Kaum waren meine Worte verklungen, brach es aus Fintan heraus. Er beteuerte, sich nicht zu verstellen – seine Stimme war ernst und voller Nachdruck, so ungewohnt für den sonst so scherzhaften Fintan. Er müsse so sein, beharrte er. "Du musst? Warum? Wer verlangt das von dir?", fragte ich, verwirrt und besorgt. Hatte ich etwas Entscheidendes verpasst? War Cathbad derjenige, der ihn zum Witzemachen verdonnert hatte? Fintan schien ganz besessen davon, denn er murmelte immer noch weiter, dass er es versprochen hätte. Nur wem er es versprochen hatte, verriet er mir nicht. Doch ich hoffte, er würde es mir noch anvertrauen. In der Dunkelheit des Stalls, wo nur spärliches Licht durchdrang, konnte ich sein eine Veränderung in seinem Gesicht nicht erkennen. Die Röte, die seine Wangen überzog, blieb mir verborgen. Alles, was ich über seine Gefühlslage wusste, musste sich mir aus dem Klang seiner Stimme erschließen. Mit gesenktem Kopf begann Fintan, von unserer Kindheit zu erzählen. Wie wir gelacht hatten, wenn er einen seiner Scherze machte, wie unser Lachen uns von den Schrecken unseres Lebens ablenkte. Es war ein Balsam gegen die Trauer um unsere Mütter, ein Schutzschild gegen die Tränen, die Cathbads Härte hervorrief. Doch mit der Zeit wurden wir älter, jeder von uns ging seinen eigenen Weg. Louarn zog in den Norden, Dunduvan nach Gallien, und ich wurde nach Londinium geschickt. Jahre vergingen, bis wir uns wiedertrafen, und in dieser Zeit waren wir uns fremd geworden. So fremd, dass wir vergaßen, dass Fintan immer noch Fintan war. Er versuchte weiterhin, uns zum Lachen zu bringen, aber wir hatten verlernt, über seine Späße zu lachen. Die Verzweiflung in seiner Stimme, die tiefe Traurigkeit – sie waren unüberhörbar. Er weinte, und ich weinte mit ihm, denn nun erkannte ich das wahre Ausmaß seines Schmerzes. "Niemand hasst dich, Fin. Auch Lou nicht", schluchzte ich, um ihn zu trösten und zog ihn in eine feste Umarmung. "Du bist mein Bruder, und ich liebe dich." RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg - Fintan - 05-25-2024 Irgendwann einmal, da waren seine Witze und Späße, seine Zaubertricks nicht mehr genug gewesen, um seine Brüder zu trösten. Sie abzulenken. Fintan erinnerte sich noch, wie verzweifelt er gewesen war. Denn wenn er das nicht schaffte, was konnte er dann tun? Wozu war er dann da? Der ihm von Cathbad vergebene Auftrag war nichts, was ihm etwas bedeutete. Die Pflicht, die ihm seine Mutter auferlegt hatte, war alles. Er musste sich um seine Brüder kümmern. So wie Louarn sie in körperlicher Form schützte, bemühte er selbst sich darum, ihren Geist vor der Trauer und Angst zu bewahren. Doch was konnte er tun, wenn sie nicht mehr lachen wollten? Irgendwann hatte er begonnen, sie zu stören. Und dann, sie wütend zu machen. Doch es war in Ordnung gewesen, denn immerhin hatte er so ihre Aufmerksamkeit erhalten. Er hatte sie getriezt, genervt und an ihre Grenzen gebracht und Götter, was hatten sie geflucht. Doch solange sie wütend auf ihn waren, war da wenigstens etwas. Dunduvan, der immer viel zu fokussiert gewesen war, Louarn, der sich selbst so wenig anerkennen zu können schien, Calum, der so schreckliche Angst gehabt hatte. Der Sinn und Zweck war derselbe gewesen. Und doch hatte er mit jedem Mal mehr gespürt, dass ihr Band weiter verdorrte. Dass er behände auf jene Brücken einhackte, die sie miteinander verbanden. Fintan hatte darüber mit derselben Gleichgültigkeit reagiert, die er immer an den Tag legte. Denn solang er sich mit Würfelspielen, Taschenspielereien und Quatsch beschäftigte, konnte er so tun, als sei all der Schmerz ganz weit weg, wenngleich er wie bei allen anderen an den tiefen Wurzeln seiner Seele nagte. Lächeln und weitermachen. Immer lächeln und immer, immer weitermachen. Fintan bettete sein Gesicht an Aluns Brust und schluchzte vernehmlich. Es war das erste Mal, dass ihn jemand in den Arm nahm. Er hatte beobachtet, wie Louarn es bei Calum tat, wenn er Hilfe und Halt brauchte. Ein kleiner Teil von ihm hatte voller Sehnsucht darauf gehofft, doch er war nie in der Lage gewesen, darum zu bitten. "Ich vermisse D-Dunduvan", wimmerte er. "Und... Und euch und... und Zuhause..." Und seine Mutter. Gott, wie er seine Mutter vermisste. Was konnte er schon anderes tun als das, worum sie ihn gebeten hatte? "Er fehlt mir so... Ich kann nicht glauben, dass er fort ist. Ich weiß nicht... was ich tun soll..." RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg - Alun - 05-26-2024 Ich fühlte, wie Fintans Körper gegen meinen bebte, und ein Stich des Schmerzes durchzuckte sein Herz. Auch ich hatte Dunduvan verloren. Wir alle hatten es. Jeder von uns ging mit diesem Verlust auf seine eigene Art um. Besonders hart getroffen hatte es Louarn, der fast in Selbstvorwürfen ertrank – und Fintan! "Ich vermisse ihn auch sehr!" gestand ich schluchzend und wusste nicht, wie ich Fintan in diesem Moment trösten konnte. Denn alles, was ich sagen konnte, würde nichts daran ändern, dass er jetzt fort war. Aber dafür konnte ich jetzt für ihn da sein. "Eines Tages werden wir ihn wiedersehen, Fin. Dann werden wir alle wieder zusammen sein. Wir und unsere Mütter," sagte ich und strich ihm über den Rücken, ein Versuch, seinen Schmerz zu lindern, der uns beide umklammerte. Wir waren alle dazu bestimmt, den gleichen Weg zu gehen, wie Dunduvan. Er war der Erste, er war vorausgegangen und wir würden ihm nach und nach alle folgen. So wie unsere Mütter damals… In diesem Moment musste ich wieder daran denken, wie ich dem Dreckskerl, der mein Erzeuger war, in der Taberna gegenübergesessen hatte und er damit prahlte, was er meiner Mutter angetan hatte. Ich war nur noch auf Rache aus gewesen. Getrieben von der Hoffnung, dass sich etwas ändern könnte und mir im besten Falle meine Mutter wieder zurückbringen würde, hatte ich ihn in dieser dunklen dreckigen Gasse überwältigt und ihm den Grund dafür ins Gesicht geschleudert, weshalb er gleich sterben würde. Dieser Moment der Macht über ihn und die Genugtuung, als ich jeden einzelnen Buchstaben in seine Brust geritzt hatte, fühlten sich so gut an. Doch dieses Hochgefühl verschwand ganz schnell wieder, als das letzte Stückchen Leben aus dem Körper meines Vaters gewichen war. Was mir dann noch blieb war nur die Gewissheit, dass sich rein gar nichts geändert hatte. Für uns gab es keine Erlösung, außer den Tod. Das hatte ich an jenem Abend gelernt. "Du und ich und wir alle können nur das tun, was auch Dundis Wunsch gewesen wäre. Denn wäre er heute hier, würde er uns dazu anspornen, dass unsere Mission gelingt und dass wir dabei zusammenstehen. Dass wir eins sind," fügte ich mit fester Stimme hinzu, während ich einfach nur da saß, Fintan in meinen Armen haltend, überzeugt davon, dass dies Dunduvans Wunsch gewesen wäre – dass er uns vorangetrieben hätte, genau wie Louarn es jetzt tat. |