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Die Hütte der Gwrach - Druckversion

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RE: Die Hütte der Gwrach - Ceridwen - 10-03-2023

Nun, meine Hütte hatte rein gar nichts mit einem römischen Haus zu tun. Der Boden bestand aus gestampftem Lehm und die Lehmwände der Hütte waren einst weiß getüncht. Doch mit der Zeit waren sie vom Ruß der Feuerstelle, die sich in der Mitte der Hütte befand, dunkel geworden. Auf der gegenüberliegenden Seite der Eingangstür lag mein Schlafplatz - ein aus Holz gezimmerter Kasten, der mit Stroh und Fellen, sowie einer gewebten Wolldecke bestückt war. Daneben gab es noch einen weiteren Schlafplatz, der für Besucher reserviert war, die allerdings recht spärlich waren. Zuletzt hatte  Niamh bis vor einigen Wochen dort geschlafen. Nun war er verwaist.
 
In einem anderen Teil der Hütte stand ein Tisch, an dem ich meine gesammelten Heilkräuter weiterverarbeitete. An der Decke hingen einige Büschel mit verschiedenen Kräutern, die ich zum Trocknen aufgehängt hatte. In einer Kiste, die an der Wand stand, bewahrte ich einige Tinkturen und Pülverchen auf. Manche von ihnen würde man nur einmal verkosten können. Andere hatten eher eine stimulierende Wirkung und  erweiterten das Bewusstsein.
 
Furius Saturninus aber führte ich zur Feuerstelle und bot ihm einen Platz auf einem der Sitze an, den er auch ohne weiteres einnahm. Doch ich konnte seine Abneigung in seinem Gesicht erahnen, auch wenn er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und mit gespielten Komplimenten kam. Für die Römer waren wir allesamt Primitivlinge, Naturburschen oder im schlimmsten Falle Barbaren.

Ich brachte ihm einen Becher mit frischem Wasser, das aus einem Brunnen im Dorf stammte. Ich hatte mir etwas von meinem Kräuteraufguss eingeschenkt und setzte mich zu ihm.
Zunächst begann er mit dem üblichen Geplänkel: Wie weit die Aufräumarbeiten vorangeschritten waren und ob alle zufrieden waren. Oder ob es im Dorf Streitfälle gab, die vor einem römischen Gericht geschlichtet werden mussten.
"Oh, wie du sicher gesehen hast, sind die meisten Hütten inzwischen wieder Instand gesetzt. Wir haben fähige und fleißige Handwerker hier in Cheddar. Alle Familien werden im Winter wieder ein intaktes Dach über dem Kopf haben. Dementsprechend sind wohl alle zufrieden. Zumindest ist mir nichts anderes bekannt." versicherte ich ihm. "Auch von Streitfällen ist mir nichts bekannt, verehrter Furius," fügte ich noch hinzu. Falls es welche gäbe, würden wir sie sicher nicht vor einem römischen Gericht austragen, sondern alles unter uns regeln. So wie es schon immer Brauch war.


RE: Die Hütte der Gwrach - Tiberius Furius Saturninus - 10-04-2023

"Danke", sagte Saturninus, als ihm die Keltin einen Becher reichte: "Ich frage mich überhaupt, ob es nicht besser wäre, diese Hütten allmählich durch römische Häuser zu ersetzen. Also für die Klienten, die dies gerne wollen", fügte er schnell hinzu:
"Ich bin mir sicher, dass sobald die ersten Häuser stehen, auch der Rest von euch nicht mehr auf den Komfort eines römischen Heims verzichten will. Aber das spielt noch in der Zukunft",

sein Blick verweilte an den von der Decke hängenden Kräuterbüschel:
"Du kennst dich mit Heilkräutern aus? Sind alle britannischen Dorfältesten denn halbe Medicae?", er trank einen Schluck:

"Aber darüber wollte ich mich gar nicht unterhalten. Ist euch in Cheddar bereits zu Ohren gekommen dass der Legatus Augusti bald in Iscalis eintrifft?", vermutlich war sie sich dessen Bedeutung nicht wirklich bewusst:
"Er ist der erste und vornehmste Mann in Britannien. Über ihm steht nur der Kaiser in Rom", erklärte er deshalb:
"Sein Name lautet Lucius Petilius Rufus. Als Leiter der hiesigen Zivilverwaltung bin ich in der Pflicht, ihn gebührend zu empfangen.
 Ein Statthalter arbeitet hart, aber er hat auch gewisse Ansprüche an Vergnügungen. Bist du schon einmal in einem römischen Circus gewesen? Hast du schon einmal die tapferen Schaukämpfer, die Gladiatoren, gegeneinander antreten sehen?", fragte er:

"Unter ihnen gibt es auch viele Kelten. Der Circus bietet für einen barbar...für einen Krieger viele Gelegenheiten, Ruhm und Geld zu erwerben. Ich versuche, an gute Kämpfer zu kommen, doch auch das ist nicht der Punkt, weshalb ich mit dir sprechen wollte. Sondern darüber, dass zu Ehren des Statthalters auch solche Circusspiele stattfinden sollen. Und ich möchte sie zu etwas Besonderem machen. Daher brauche ich deine Hilfe. Gestatte, dass ich etwas aushole: 
In den letzten Jahren ist eine bestimmte Art von Schauspiel  sehr beliebt geworden, und dass ist die Darstellung von Szenen aus der Sagenwelt oder aus unserer frühen Vorzeit. Natürlich beziehen wir uns da meist auf unsere eigene Mythologie: Ikarus stürzt ab, weil die Sonne seine Flügel verbrennt, der Kentaur Eurytus vergewaltigt zuerst die Braut seines Gastgebers und dann werden ihm zur Strafe Mund und Nase abgeschnitten, Mucius Scaevola legt seine rechte Hand ins Feuer und lässt sie verbrennen, etcetera.
Doch da wir uns in Britannien befinden, würden wir gerne auch Darstellungen aus eurer Geschichte darbieten, was ebenso neu wie auch lehrreich für die Zuschauer sein dürfte. Ich kenne mich aber zu wenig aus, und ich dachte daher an Dich, da du als eine Führerin deines Volkes gewiss auch seine Historie hütest.
Ich bitte dich daher, mir ein paar geeignete Geschichten zu erzählen, ehrenwerte Ceridwen", 

Saturninus lächelte gewinnend, und er holte eine Wachstafel aus seinem Gewand, um sich Notizen zu machen, da sein Sklave Seasnán für dergleichen nicht taugte. Er war sich sicher, dass seine Klientin, die ihm verpflichtet war, gerne weiterhelfen würde - falls sie verstanden hatte, auf was es bei den Geschichten ankäme.


RE: Die Hütte der Gwrach - Ceridwen - 10-05-2023

Furius bedankte sich bei mir und kam dann auf die kuriose Idee, die Hütten der Leute von Cheddar durch römische Häuser zu ersetzen, denn er meinte, niemand würde auf Dauer auf den römischen Komfort verzichten wollen. "Ich für meinen Teil bin mit meiner Behausung zufrieden. Aber ich bin ja auch schon alt und brauche nicht viel," meinte ich zufrieden lächelnd. Der Römer sah sich weiter um. Wahrscheinlich hatte er noch nie zuvor ein Rundhaus von innen gesehen. Wenigstens hatte es in der Mitte kein Loch, so dass es hineinregnen konnte.

Natürlich erblickte er auch irgendwann die Kräuter, die ich zum Trocknen aufgehängt hatte und wollte dann prompt wissen, ob alle Dorfältesten halbe Medicae wären. Ich musste bei diesem Gedanken grinsen. Wenn Furius wüsste, wen oder besser was er vor sich hatte, würde er sicher anders reden. Wahrscheinlich würde er dann gar nicht mehr mit mir reden. "Ja, ich kenne mich ein wenig damit aus. Die Leute kommen gelegentlich zu mir, wenn sie leichte Verletzungen oder kleine Wehwehchen haben. Dann bereite ich ihnen eine Tinktur oder einen Aufguss zu." untertrieb ich. Natürlich verschwieg ich ihm, weswegen die Leute noch so zu mir kamen: Zaubertränke oder gar Gift – nein, das musste er nicht wissen! "Nein, nicht alle Dorfältesten sind Heiler. Manche gehen auch anderen Tätigkeiten nach."

Er trank etwas von seinem Wasser und kam dann endlich zum eigentlichen Grund seines Besuches. Denn tatsächlich wollte er den Bewohnern von Cheddar keine römischen Häuser aufschwätzen, was mich irgendwie doch beruhigte. Stattdessen begann er vom anstehenden Besuch des Statthalters von Britannien zu sprechen. Hier in Cheddar interessierte sich nicht wirklich jemand dafür, was die Römer in ihrer Stadt trieben. Ebenso wenig, ob der Statthalter gerade vorbei ritt oder nicht.
"Ja, ich habe davon gehört," meinte ich, denn ich hatte ja gerade davon gehört. "Ja, mir ist bewusst, was ein Statthalter ist," sagte ich, auch wenn ich nicht gewusst hätte, wie der aktuelle Statthalter hieß. Furius sollte ihn also empfangen. wie schön für ihn. Natürlich wollte ein solcher Mann auch gebührend unterhalten werden, wenn ich Furius Saturninus richtig verstanden hatte. Ich konnte mir schon lebhaft vorstellen, was er damit meinte. Römer mochten es meist gerne blutig, wenn es ums Showgeschäft ging. "Nein, ich war noch nicht in einem Circus und habe auch noch keine Gladiatorenkämpfe gesehen. Aber ich habe davon gehört." Oh ja, das hatte ich! Als er dann auch noch meinte, es gäbe viele Kelten unter ihnen, denn die -  oh, beinahe hätte er wieder das böse Wort mit B gebraucht! -  Krieger konnten dort viel Geld und Ruhm ernten, wollte mir beinahe der Kragen platzen. Ich fragte mich, wie viele von ihnen freiwillig dort waren und wie viele man dort als Sklaven hielt. Aber natürlich ließ ich mir nichts anmerken und lächelte erwartungsvoll meinen Gast an. Denn auch potentielle Kämpfer zu finden, war nicht der Grund seines Besuches.

Schließlich plapperte er weiter, welche Vorlieben die Zuschauer hatten und dann wollte er mir doch tatsächlich erzählen, dass solche Kämpfe auch als Lehrveranstaltungen angesehen werden konnten, denn die Zuschauer konnten etwas über die Geschichte und Mythen ihres Volkes lernen. Daher wollte er nun von mir einige passende Geschichten hören. Ich überlegte kurz, während er in der Zwischenzeit eine Wachstafel hervor holte, um sich Notizen zu machen . "Oh, da würde mir eine schöne Geschichte einfallen, die aus der Heimat meiner Mutter stammt und die sie mir als Kind einmal erzählt hat. Meine Mutter kam von der Insel, die ihr Hibernia nennt, musst du wissen. Aber die Geschichte ist auch hierzulande bekannt." sagte ich und nahm noch einen großen Schluck meines Getränks, bevor ich zu erzählen begann:

"Vor lange Zeit, als die Tuatha de Danaan nach der Schlacht von Tailltin einen König für sich wählten, übertrugen sie Bodb Dearg diese Aufgabe. Doch Lir gefiel diese Entscheidung nicht, denn er glaubte, er habe selbst das Recht, König zu sein. Er verließ die Versammlung, bevor er dem neuen König die Treue schwören konnte. Die Getreuen des neuen Königs wollten Lir verfolgen, um ihn zu töten und sein Haus niederzubrennen. Doch der König verbot es, denn auch ohne Lirs Treueschwur würde er König sein.
Doch einige Jahr später erlitt Lir einen tragischen Schicksalsschlag: Seine Frau starb unerwartet und er verlor fast seinen Lebensmut. Der König Bodb Dearg hörte davon und lud seinen ehemaligen Rivalen an den königlichen Hof ein. Ergriffen von Lirs Schicksal bot der König ihm an, eine seiner drei Ziehtöchter zur Frau zu nehmen. Lir wählte nach reiflicher Überlegung schließlich die Älteste. Sie hieß Aoibh und schenkte ihm schon bald darauf zwei Kinder: Das Mädchen Fionnuala und den Jungen Aodh.

Später brachte Aoibh die beiden Zwillingsbrüder Fiachra und Conn zur Welt, bei deren Geburt sie jedoch starb. Lir verkraftete diesen erneuten Schicksalschlag nur schwer. Doch die Liebe zu seinen vier Kindern hielt ihn am Leben. Und Bodb Dearg kümmerte sich erneut um Lir. Er gab ihm schließlich Aoibhs jüngere Schwester Aiofe zur Frau. Diese war den Kindern zunächst eine liebevolle Stiefmutter. Als die drei Jungen und das Mädchen heranwuchsen, verspürte Aiofe immer öfter ein nagendes Gefühl: Eifersucht.
Sie erdachte einen finsteren Plan und um diesen in die Tat umzusetzen, lud sie die Kinder zu einen Ausflug ein. Freudig machten sich alle in Aiofes Kutsche auf den Weg. Unterwegs bei einer Rast, befahl die eifersüchtige Aiofe ihren Dienern, die Kinder zu töten. Diese waren entsetzt und weigerten sich. Aiofe wollte zunächst selbst zum Schwert greifen, brachte es aber letztlich nicht übers Herz. Stattdessen besann sie sich auf ihre Zauberkraft.
Da es ein schöner Tag war, wollten die Kinder in einem See schwimmen und plantschen. Als die Kinder den See wieder verlassen wollten, berührte Aiofe die Wasseroberfläche mit ihrem Zauberstab und sofort verwandelten sich die Kinder in vier junge Schwäne. Fionnuala, die ihre menschliche Stimme noch hatte, flehte Aiofe an, ihre Tat ungeschehen zu machen. Aiofe kam tatsächlich zur Besinnung und wollte den Fluch zurücknehmen. Doch dazu war es zu spät. Immerhin aber konnte sie den Fluch abschwächen und zeitlich begrenzen: Sobald ein Königssohn aus dem Norden eine Königstochter aus dem Süden zueinander finden würden, wäre der Fluch aufgehoben. Bis dahin aber sollten die Geschwister 900 Jahre  und jeweils 300 Jahre an einem anderen Ort ihr Schicksal als Schwäne fristen. Außerdem durften sie ihre menschliche Stimme behalten.
Aiofe kehrte alleine zurück und Lir und Bobd Dearg wussten sofort, dass sie den Geschwistern etwas angetan hatte. Doch die genauen Details wollte Aiofe nicht verraten. Bobd Dearg wurde daraufhin unglaublich wütend. Er verwandelte Aiofe in einen Dämon der Lüfte und verfluchte sie, bis zum Ende aller Tage über die Insel streifen zu müssen. Wenn es stürmisch ist und der Wind aus dem Norden heult, heißt es, dass Aoife der Dämon hinter den Schreien und dem Heulen ist.
Voller Trauer machte sich Lir auf, um mehr über das Schicksal seiner geliebten Kinder zu erfahren. Kurzerhand ritt er zu jenem See, von dem Aiofe nur undeutlich gesprochen hatte. Dort fand er vier Schwäne, die zu seiner Überraschung zu ihm sprachen: "Vater, wir sind es, deine Kinder. Wir müssen 900 Jahre in dieser Gestalt bleiben und jeweils 300 Jahre an einem anderen Ort leben. Deshalb können wir nicht nach Hause kommen." Das machte Lir traurig. Doch er war froh, mit seinen Kindern sprechen zu können. "Ich will Euch etwas schenken, sodass die Zeit nicht so lang wird", sagte er und warf vier Haselnusskerne in den See. Jeder Schwan aß einen davon und von da an besaßen sie die Gabe des wunderschönen Gesangs. Und sie sangen. Die Tuatha de Danaan und die Menschen kamen oft an den See und lauschten dem zauberhaften Gesang. Und auch Lir besuchte seine Kinder in Schwanengestalt wann immer er konnte.
Doch eines Tages, 300 Jahr später, verspürten die Schwäne den Drang, den Ort zu wechseln. 300 Jahre lebten sie an einem kalten unwirtlichen Ort im Norden  im Meer und dann, weitere 300 Jahre später, zogen sie weiter nach Erris. Eines Tages war es dann soweit: Sie flogen zu ihrem Zuhause zurück. Doch als sie dort ankamen, fanden sie den Ort verlassen vor. Das Haus war längst überwuchert mit Brennnesseln und niemand wartete dort auf sie. Ihr Vater war schon vor langer Zeit gestorben. Enttäuscht flogen die Schwäne nach Inis Gluaire und warteten dort, bis der Fluch gebrochen wurde. Zur gleichen Zeit aber geschah es, dass Lairgren, ein Prinz aus dem Norden Deoch, eine Prinzessin aus dem Süden zur Frau nahm. Damit war der Fluch gebrochen und die vier Schwäne verloren ihre Federn. Die verwandelten sich wieder zurück in ihre menschliche Gestalt. Doch sie waren inzwischen uralt geworden, so dass sie bald darauf starben. Man begrub die vier Geschwister engumschlungen in einem Grab, so wie es sich Lir, ich Vater es gewünscht hatte."
Ich hatte meine Geschichte zu Ende erzählt und war gespannt, was Furius dazu sagen würde.


RE: Die Hütte der Gwrach - Tiberius Furius Saturninus - 10-06-2023

Die grauhaarige Ceridwen hatte etwas Beschwörendes an sich, als sie begann, mit leiser Stimme ihre Geschichte zu erzählen.
Schon den ersten Worten konnte sich der Patrizier nicht entziehen, er ließ die Wachstafel sinken, auf der er sich hatte Notizen machen wollen. 
Ceridwen sprach von Namen aus einer barbarischen Vergangenheit, Bobd Dearg, Lir, Aobh, und vier Kindern, die sehr ähnlich klingende Namen hatten und einem Volk in Hibernia, das Danaan oder so ähnlich genannt wurde.
Namen wie Vogelrufe, dachte Saturninus, kein menschliches Wesen sollte so heißen.

"Zweimal Zwillinge, sie waren gewiss vom Glück gesegnet“, bemerkte er "Doch wer ist Danann? Es klingt ein wenig wie Diana“

Noch mehr Namen folgten. Dann ging die Geschichte gar mit Druidenzauber weiter, und an dieser Stelle schien es dem Furier, als trete ein geheimer Glanz in Ceridwens Augen und er spürte, dass er fröstelte. Saturninus zog sich seinen Umhang enger um seine Schultern. Er hatte sein Kinn in eine Hand gestützt und hörte zu:

Die zweite Frau des Fürsten, die Aife hieß, verwandelte die Kinder in Schwäne. Aber sie ließ ihnen ihre menschlichen Stimmen und die Gabe des Gesangs, und dann wurde es ganz verzwickt mit den dreihundert Jahren und den neunhundert Jahren und der Prophezeiung, dass die Frau aus dem Norden den Mann aus dem Süden heiraten musste, um den Zauber zu lösen.
Und Aife wurde von ihrem Mann, dem Fürsten zur Strafe für den Fluch an seinen Kindern in einen Luftgeist  verhext – waren von den Hiberniern denn alle Magier oder Hexen?

Dann kam nach Jahrhunderten der große Moment, in dem die Prophezeiung eintraf, und die Kinder bekamen ihre Menschengestalt wieder. Doch sie waren uralt geworden und starben alle zugleich und wurden gemeinsam begraben.

Die Geschichte erschien dem Römer ein verflochtenes Band, ein Fresko von gewollter Unklarheit, das sich auf Dinge aus einer Vergangenheit bezog, die keiner mehr wirklich verstand. Vielleicht war die Sage noch älter als die römischen:

"Weshalb sind die Kinder des Fürsten überhaupt gealtert wenn sie doch verzaubert gewesen waren? Und hätten sie als Schwäne nicht ewig weiter leben können, wo sie doch schon zwölfhundert Jahre gelebt hatten? Und warum waren es gerade diese Frau aus dem Süden und dieser Mann aus dem Norden, deren Liebe sie zurückverwandelte? Was hatten sie mit den Schwanenkindern zu tun? Waren sie irgendwelche Nachfahren?", fragte Saturninus.
Die Hütte war still und dämmrig geworden, und ein würziger Duft ging von den Kräuterbündeln aus. Er konnte Ceridwens Gesicht kaum mehr erkennen.

"Für mich hätte die Geschichte mehr Sinn ergeben, wenn der Mann aus dem Süden ein Römer und die Frau aus dem Norden eine Keltin gewesen wäre“, warf er ein:
"Diese Geschichte ist durchaus poetisch, Dorfälteste, wenn für mich auch sehr verwirrend“, er trank vom Wasser, denn er merkte, dass er atemlos gelauscht hatte und darüber sein Mund trocken geworden war:
"Man könnte vielleicht ein Theaterstück daraus machen. Für eine szenische Darstellung eignet sie sich leider nicht, dazu ist sie zu kompliziert.
 Kennst Du vielleicht ein kürzere Geschichte, in der ein oder mehrere Protagonisten eines möglichst grausigen Todes sterben?“


RE: Die Hütte der Gwrach - Ceridwen - 10-13-2023

Ganz andächtig lauschte Furius Saturninus meiner Stimme. Die fremdklingenden Namen mussten seltsam in seinen Ohren klingen. Doch die Geschichte an sich schien ihn zu fesseln. Die Tabula für seine Notizen ließ er sinken. Stattdessen schenkte er mir seine volle Aufmerksamkeit, um der Geschichte von Lirs Kindern zu folgen.
Hin und wieder machte er Zwischenbemerkungen oder stellte Fragen, wenn ihm etwas nicht klar war. "Ja, das waren sie! Aoibh, Lir und ihre vier Kinder. Doch manchmal geht das Schicksal seltsame Wege." Auch der Begriff tuatha de danann schien seine Aufmerksamkeit erregt zu haben, denn er fragte danach. "Tuatha de danann bedeutet das ‚Volk der Göttin Danu‘. Sie sind die Kinder der großen Mutter und leben in der Anderswelt. Sie besitzen magische Kräfte und sind Barden, Heiler, Krieger und Schmiede."

Ich erzählte weiter und kam schließlich zum Ende der Geschichte. Die Schwäne hatten wieder ihre menschliche Gestalt erhalten, weil der Fluch gebrochen war. Doch sie starben sofort. Zu diesem Aspekt schien er noch einige Fragen zu haben.
"Sie sind gealtert, weil der Fluch gebrochen wurde. Wären sie Schwäne geblieben, hätten sie wohl noch länger leben können. Doch Lairgnen nahm Deoch zur Frau. Du musst wissen, in Hibernia gibt es vier Königreiche. Im Norden, im Osten im Süden und im Westen eines. Alle konkurrieren miteinander. Es war also eine Besonderheit, dass der Prinz des Nordens die Prinzessin des Südens zur Frau nahm. Und nein, sie waren keine Nachfahren der Schwäne, denn sie waren einfach nur Menschen."

Der Römer konnte in der Geschichte allerdings kaum einen Sinn sehen, denn das Paar, welches am Ende den Fluch brach, war kein römisch-keltisches. Dabei war diese Geschichte doch viel älter. Aber natürlich hätte man die Geschichte auch der aktuellen Geschehnissen unserer Zeit anpassen können, denn das Kelten und Römer aus freien Stücken zueinander fanden, kam immer noch sehr selten vor.

Letztendlich fand der Furius, die Geschichte tauge allerhöchstens als Theaterstück, aber nicht für seine Zwecke. Er suchte nach etwas blutrünstigerem. "Eine Geschichte, in der möglichst viele einen gewaltsamen Tod sterben?" Ich sah ihn ein wenig überrascht an. "Wie kommst du darauf, dass unsere Geschichten so blutrünstig sein sollten?" Vielleicht wäre der Aufstand der Boudicca ein weitaus passenderes Thema für seine Arena, dachte ich verächtlich.


RE: Die Hütte der Gwrach - Tiberius Furius Saturninus - 10-16-2023

Saturninus sah in Ceridwens kluge Augen, und einen Moment lang fühlte er mehr Sympathie für sie, als er für die meisten Stadtrömer fühlte, jene Plebs, die schon seit mindestens vier Generationen jeder wirklichen Macht beraubt, in den Straßen umherlungerte und nach Sensationen gierte und die, das dachte er, aber solche ketzerischen Gedanken behielt er für sich und hatte sie bisher niemandem anvertraut, keiner vermissen würde, sollten sich Hunderttausend von ihnen plötzlich in Luft auflösen.
Er ahnte in der Frage, warum er denn ihre Geschichten blutrünstig sein sollten, leise Verachtung. Er als philosophisch gebildeter Mann teilte diese Verachtung durchaus:

" Verstehe mich nicht falsch, Dorfälteste Ceridwen. Deine Geschichte hat Tiefgang, sie hat etwas Geheimnisvolles, sie hat Poesie und Wunderbares, und ich bin mir sicher, dass sie dem Legatus Augusti wie auch anderen gebildeten Römern zusagen würden.
Aber etwas anderes ist die Arena. Dort regiert das gemeine Volk, um nicht zu sagen, der Pöbel. Was sie sehen wollen, sind Sensationen. Wir sind Iscalis noch nicht so weit, aber zumindest in Rom ist es dabei anspruchsvoller und anspruchsvoller geworden. Was, es sind nur zwanzig gestorben? Diesmal müssen es zweihundert sein! Diese Geschichten werden mit Verurteilten, die hingerichtet werden sollen, nachgespielt.
Ein Scharfrichter mit einem Schwert tut es nicht mehr, es muss ein wirklich grausiger Tod sein, den noch nie zuvor jemand gesehen hat! Eine Seeschlacht mit wirklichen Schiffen vielleicht? Gladiatoren, die einen guten Kampf liefern, hat man schon so oft gesehen, lassen wie Frauen gegen Zwerge kämpfen, das ist neu.Und wie wäre es mit Giraffen aus Afrika gegen indische Tiger oder Berberlöwen?  Und wir Patrizier ertragen das alles, weil wir die Gunst des Volkes und die Stimmen der Römer, die sie uns geben, wenn wir sie gut unterhalten haben, brauchen. So ist die Realität,  Ceridwen. Ich spreche zu dir offener als ich es jemals einem anderen gegenüber getan habe"

ein wenig lächelte er nun, aber seine Augen blickten finster:

"Ein wenig habe ich auch gehört, von den Druidenopfern beispielsweise. Bei Druidenopfer würde jeder Römer jedoch an die Opfer aus unseren eigenen Reihen denken, da würden womöglich der Statthalter und ich ausgebuht werden. Das Gleiche gilt für Königin Boudicca, obwohl ich für die bereits die Idealbesetzung hätte", er dachte an Bonni, die junge Silurerfürstin, die schon Wagenrennen gewonnen hatte:

"Und da es so ist, und ich es nicht ändern kann, bitte ich dich als Patron von Cheddar darum, mich nicht hängen zu lassen"


RE: Die Hütte der Gwrach - Ceridwen - 10-19-2023

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Ich hatte Ciaran hereingebeten. Die Hütte war kalt. Bevor ich in der Frühe losgegangen war, hatte ich kein Feuer angemacht. Aber das holte ich jetzt nach! Außerdem brauchten wir beide warmes Wasser für den Zuber in dem wir uns waschen wollten. Ich ließ dem Jungen den Vortritt. Sollte er sich zuerst sich zuerst waschen, denn er hatte es verdammt nötig!
Währendessen kramte ich eines meiner besseren Kleider heraus. Es war eine wollene Tunika aus dunkelblauem Stoff, der ein wenig den Gewändern ähnelte, die die Priesterinnen damals auf Mona getragen hatten. Das Kleid hatte zwar schon einige Jahre auf dem Buckel, doch sah es aus, wie neu. Nicht einmal Motten hatten sich darin eingenistet, um fiese kleine Löcher hineinzubeißen. Dazu hatte ich einen passenden blauen Umhang, der einer römischen Palla sehr ähnelte. Außerdem hatte hatte ich ganz tief in meiner Truhe gekramt und tatsächlich etwas Schmuck gefunden, den ich anlegen wollte. Schließlich war ich ja, zumindest für die Römer, die Dorfälteste. Also das Verbindungsglied zwischen Cheddar und Iscalis. Da sollte ich doch zumindest ein bisschen Eindruck schinden, fand ich. 

Nachdem auch ich ein Bad genommen hatte, kleidete ich mich an und kämmte mein dunkles Haar mit den vielen grauen Strähnen nach hinten und machte einen Haarknoten daraus. Dann legte ich mir die goldenen Ohrringe und den goldenen Torques an, den ich zuletzt als junges Mädchen getragen hatte, bevor ich damals nach Mona gegangen war. Diese Römer sollten sehen, dass ich eine Frau von Stand  war, auch wenn ich sonst eher einer gewöhnlichen alten Dorfhexe glich. Das gepflegte Äußere bewirkte schließlich, dass ich nicht mehr ganz so alt und furchterregend aussah. Eher wie eine Frau, die in die Jahre gekommen war.

Irgendwann klopfte es dann an der Tür. Hoffentlich war das kein Dorfbewohner, der auf die Schnelle noch einem Kräutertrank benötigte! Ich ging zur Tür und erblickte das dunkle Gesicht eines jungen Mannes, der vor der Tür stand. "Salve!" Ich sah an ihm Vorbei und erblickte den Wagen, mit dem er gekommen war. "Du willst uns sicher abholen!" mutmaßte ich und sah mich nach Ciaran um, der nun hoffentlich auch bereit war.

(09-28-2023, 12:55 PM)Nefertem schrieb: War die Hochzeit zwischen seinem Dominus und der wunderschönen Claudia Sabina bis dato nur als Gerücht durch die Luft geschwebt, war nun der Zeitpunkt gekommen, an dem sich sein Dominus vermählen würde. Sein Dominus würde Claudia Sabina seinen Namen geben und sie unter seinen Schutz stellen. Dies zumindest stellte sich der dunkelhäutige Sklave vor, während er ein letztes mal über seine hübsche Tunika strich, die ihm von seinem Dominus überreicht worden war. Schließlich sollte Nefertem, als Leibsklave des Tribunus Prolegato einen adretten Eindruck vermitteln und nicht daherkommen wie der letzte Gossensklave. Dankbar hatte Nefertem genickt, als ihm sein Dominus das Paket überreicht hatte. Natürlich ohne eine Gefühlsregung auf seinem Gesicht zu zeigen, eben typisch Iulius Cato. Der Sklave hatte sich dennoch sehr darüber gefreut. Und nun trat er in seiner hübsch geschneiderten Tunika aus dem Wohnbereich seines Dominus in der Castra.

Vor der Castra warteten bereits sechs Legionsreiter, sowie eine Kutsche. Davor waren zwei wunderschön weiße Pferde gespannt, die unruhig mit den Köpfen schlugen und mit den Hufen scharrten. Offensichtlich konnten es die Pferde gar nicht erwarten das sich die Kutsche endlich in Bewegung setzte. Somit wartete alles auf Nefertem. Den Legionssoldaten warf der junge Aegypter einen raschen Blick zu und neigte seinen Kopf. Dann bestieg er den Kutschbock und griff nach den Zügeln. Hoffentlich würden ihm die Pferde auch gehorchen und nicht im gestreckten Galopp durchgehen. Nachdem Nefertem die Zügel aufgenommen hatte und leicht auf die Rücken der beiden Tiere klatschen ließ, setzten sich diese in Bewegung und die Kutsche zog an.

Sanft lächelnd verließ Nefertem, in Begleitung der Legionsreiter die Castra. Sein Ziel war das Dörfchen Cheddar, denn dort würde er eine Frau namens Ceridwen abholen. Wie diese Ceridwen wohl aussehen mochte? Schließlich hatte Nefertem von seinem Dominus lediglich deren Namen in Erfahrung gebracht, sonst nichts. Um sich nicht weiter mit diesen Gedanken beschäftigen zu müssen, konzentrierte sich der Sklave auf die beiden Pferde, welche die Kutsche stoisch zogen, so dass sich Nefertem überhaupt keinerlei Sorgen zu machen brauchte. Die Castra war schon längst hinter dem dunkelhaarigen Sklaven verschwunden und das weite Grün des Waldes tat sich vor Nefertem auf. Tief inhalierte der junge Mann die frische Luft und lauschte dem zwitschern der Vögel. Welch süßen Gesang die Vögel anstimmen konnten.

Schließlich erreichte Nefertem das Dorf Cheddar und ließ seinen Blick über die Hütten gleiten. Meist angstvolle, teils aber auch aggressive Blicke schlugen dem iulischen Sklaven entgegen, so dass sich dieser auf dem Kutschbock leicht duckte und seine Finger fester um die Fahrleinen krallte. Die Blicke der Menschen hier in diesem Dorf waren alles andere als wohl gesinnt. Die Mienen der ihn begleitenden Legionsreiter waren nicht weniger grimmig und so entwich Nefertems Lippen ein leises seufzen. Schließlich deutete einer der Legionsreiter auf eine der Hütten und Nefertem lenkte die Kutsche genau dorthin. An der Hütte angekommen, sprang der Dunkelhaarige vom Bock, trat auf die Hütte zu und pochte vorsichtig dagegen. Hoffentlich wurde ihm geöffnet und hoffentlich würde man ihm nicht derart grimmig entgegen blicken.



RE: Die Hütte der Gwrach - Ciaran - 10-19-2023

Ich zuckte einfach nur die Schultern. “Dagda und Dana hält das auch nicht ab“, meinte ich nur. Es war nicht so, dass ich scharf darauf wäre, mit ihr zu schlafen. Da war ich nun aber auch wirklich gänzlich leidenschaftslos. Und das war auch gut für sie, denn die Frauen, für die ich eine echte Leidenschaft hegte, nunja…
Ich folgte ihr also zu ihrer Hütte und hörte mir ihre verdrehte Logik an, warum ich nicht der Schlange den Kopf abschlagen sollte. In meinen Ohren klang das alles eher nach einem Grund, alle zu vergiften. Ich hätte zwar etwas holen müssen, das potent genug war, alle auch sicher zu töten, aber lange genug unentdeckt blieb, dass auch jeder das Gift zu sich nahm. Aber für mich klang das nach einer sehr guten Idee. Aber vermutlich gehörte auch das wieder in den Bereich menschlichen Handelns, der sich mir entzog, also nahm ich die Erklärung einfach als gegeben hin und dachte nicht weiter darüber nach.

Stattdessen half ich mit beim Befüllen der Waschgelegenheit und wusch mich dann eben fix, aber gründlich. Danach wusch sich Ceridwen, während mein nackter Körper vor sich hintrocknete. Ich zog mir einfach wieder meine Sachen an, aber Ceridwen machte sich fein. Noch sowas, was ich nicht verstand. Sie behing sich mit allerlei Firlefanz und legte feine Stoffe an. Dagegen sah ich vermutlich mit meiner Allwetter-Tunika und der Hält-bis-ans-Lebenende-Rehlederhose ziemlich einfach aus. Aber noch weniger, als warum ich die Römer nicht umbringen durfte, verstand ich, warum ich mich für sie hübsch machen sollte. Abgesehen davon hätte ich erst jemanden umbringen müssen, dem ich die feine Kleidung hätte abnehmen können. Erdrosseln am besten, das gab keine Blutflecken. Aber ich hatte jetzt hier nichts anderes mit und hatte in letzter Zeit keine feine Garderobe gebraucht. Ich wusste nicht einmal, wo die vom letzten Mal geblieben war…

Sie öffnete einer halben Portion von Mensch die Tür und begrüßte ihn. Ich stand also auf und legte den Kopf leicht schief, während ich mir die Situation ansah. So wirklich verstand ich noch nicht, was nun meine Rolle dabei sein sollte, aber vielleicht musste ich das auch gar nicht.


RE: Die Hütte der Gwrach - Nefertem - 10-19-2023

(10-19-2023, 04:50 PM)Ceridwen schrieb: <<<

Ich hatte Ciaran hereingebeten. Die Hütte war kalt. Bevor ich in der Frühe losgegangen war, hatte ich kein Feuer angemacht. Aber das holte ich jetzt nach! Außerdem brauchten wir beide warmes Wasser für den Zuber in dem wir uns waschen wollten. Ich ließ dem Jungen den Vortritt. Sollte er sich zuerst sich zuerst waschen, denn er hatte es verdammt nötig!
Währendessen kramte ich eines meiner besseren Kleider heraus. Es war eine wollene Tunika aus dunkelblauem Stoff, der ein wenig den Gewändern ähnelte, die die Priesterinnen damals auf Mona getragen hatten. Das Kleid hatte zwar schon einige Jahre auf dem Buckel, doch sah es aus, wie neu. Nicht einmal Motten hatten sich darin eingenistet, um fiese kleine Löcher hineinzubeißen. Dazu hatte ich einen passenden blauen Umhang, der einer römischen Palla sehr ähnelte. Außerdem hatte hatte ich ganz tief in meiner Truhe gekramt und tatsächlich etwas Schmuck gefunden, den ich anlegen wollte. Schließlich war ich ja, zumindest für die Römer, die Dorfälteste. Also das Verbindungsglied zwischen Cheddar und Iscalis. Da sollte ich doch zumindest ein bisschen Eindruck schinden, fand ich. 

Nachdem auch ich ein Bad genommen hatte, kleidete ich mich an und kämmte mein dunkles Haar mit den vielen grauen Strähnen nach hinten und machte einen Haarknoten daraus. Dann legte ich mir die goldenen Ohrringe und den goldenen Torques an, den ich zuletzt als junges Mädchen getragen hatte, bevor ich damals nach Mona gegangen war. Diese Römer sollten sehen, dass ich eine Frau von Stand  war, auch wenn ich sonst eher einer gewöhnlichen alten Dorfhexe glich. Das gepflegte Äußere bewirkte schließlich, dass ich nicht mehr ganz so alt und furchterregend aussah. Eher wie eine Frau, die in die Jahre gekommen war.

Irgendwann klopfte es dann an der Tür. Hoffentlich war das kein Dorfbewohner, der auf die Schnelle noch einem Kräutertrank benötigte! Ich ging zur Tür und erblickte das dunkle Gesicht eines jungen Mannes, der vor der Tür stand. "Salve!" Ich sah an ihm Vorbei und erblickte den Wagen, mit dem er gekommen war. "Du willst uns sicher abholen!" mutmaßte ich und sah mich nach Ciaran um, der nun hoffentlich auch bereit war.
Die ihn begleitenden Legionsreiter wurden allmählich unruhig, was sich auch auf die Pferde vor der Kutsche übertrug. Denn diese begannen ihre Köpfe in die Höhe zu werfen und nervös mit den Hufen zu scharren. Was dachte die Reiterei denn? Das dies hier für Nefertem ein Spaziergang werden würde? Oh nein. Der aegpytische Sklave spürte seinen Herzschlag viel zu rasch in seiner Brust pochen. Und am liebsten wünschte er sich an einen gänzlich anderen Ort. In die Castra zu seinem Dominus. Oder in die Villa Iulia um noch letzte Handgriffe zu erledigen. Auch wenn er wusste, dass die Pronuba Accia Prisca bereits alles wunderschön vorbereitet hatte und Nefertem wohl nur stören würde. So atmete der Dunkelhaarige tief durch und pochte schließlich noch einmal gegen das Holz der Türe. Vielleicht war die Dorfälteste auch einfach nicht zu Hause, sondern hielt sich in den Wäldern auf, um dort nach Kräutern Ausschau zu halten. Nachdem Nefertem noch einmal tief durchgeatmet hatte, öffnete sich auch schon die Türe und Nefertem trat unwillkürlich einen Schritt zurück.

“Salve. Bist du die Dorfälteste? Ich bin gekommen, dich zur Hochzeit meines Dominus mit Claudia Sabina zu bringen. Der Wagen steht bereit.“

Dabei wies Nefertem auf die wartende Kutsche. Jetzt müsste Ceridwen nur noch einsteigen. Dann könnte die Fahrt zurück nach Iscalis beginnen.


RE: Die Hütte der Gwrach - Ceridwen - 10-21-2023

(10-16-2023, 12:39 PM)Tiberius Furius Saturninus schrieb: Saturninus sah in Ceridwens kluge Augen, und einen Moment lang fühlte er mehr Sympathie für sie, als er für die meisten Stadtrömer fühlte, jene Plebs, die schon seit mindestens vier Generationen jeder wirklichen Macht beraubt, in den Straßen umherlungerte und nach Sensationen gierte und die, das dachte er, aber solche ketzerischen Gedanken behielt er für sich und hatte sie bisher niemandem anvertraut, keiner vermissen würde, sollten sich Hunderttausend von ihnen plötzlich in Luft auflösen.
Er ahnte in der Frage, warum er denn ihre Geschichten blutrünstig sein sollten, leise Verachtung. Er als philosophisch gebildeter Mann teilte diese Verachtung durchaus:

" Verstehe mich nicht falsch, Dorfälteste Ceridwen. Deine Geschichte hat Tiefgang, sie hat etwas Geheimnisvolles, sie hat Poesie und Wunderbares, und ich bin mir sicher, dass sie dem Legatus Augusti wie auch anderen gebildeten Römern zusagen würden.
Aber etwas anderes ist die Arena. Dort regiert das gemeine Volk, um nicht zu sagen, der Pöbel. Was sie sehen wollen, sind Sensationen. Wir sind Iscalis noch nicht so weit, aber zumindest in Rom ist es dabei anspruchsvoller und anspruchsvoller geworden. Was, es sind nur zwanzig gestorben? Diesmal müssen es zweihundert sein! Diese Geschichten werden mit Verurteilten, die hingerichtet werden sollen, nachgespielt.
Ein Scharfrichter mit einem Schwert tut es nicht mehr, es muss ein wirklich grausiger Tod sein, den noch nie zuvor jemand gesehen hat! Eine Seeschlacht mit wirklichen Schiffen vielleicht? Gladiatoren, die einen guten Kampf liefern, hat man schon so oft gesehen, lassen wie Frauen gegen Zwerge kämpfen, das ist neu.Und wie wäre es mit Giraffen aus Afrika gegen indische Tiger oder Berberlöwen?  Und wir Patrizier ertragen das alles, weil wir die Gunst des Volkes und die Stimmen der Römer, die sie uns geben, wenn wir sie gut unterhalten haben, brauchen. So ist die Realität,  Ceridwen. Ich spreche zu dir offener als ich es jemals einem anderen gegenüber getan habe"

ein wenig lächelte er nun, aber seine Augen blickten finster:

"Ein wenig habe ich auch gehört, von den Druidenopfern beispielsweise. Bei Druidenopfer würde jeder Römer jedoch an die Opfer aus unseren eigenen Reihen denken, da würden womöglich der Statthalter und ich ausgebuht werden. Das Gleiche gilt für Königin Boudicca, obwohl ich für die bereits die Idealbesetzung hätte", er dachte an Bonni, die junge Silurerfürstin, die schon Wagenrennen gewonnen hatte:

"Und da es so ist, und ich es nicht ändern kann, bitte ich dich als Patron von Cheddar darum, mich nicht hängen zu lassen"

Aha, meine Geschichte hatte also zu viel Tiefgang und taugte eher für gebildete Römer und weniger für das gemeine Volk. Ob das ein Kompliment sein sollte? Auf jeden Fall bestätigte es das, was ich von den Eroberern hielt. Sie waren verdorben und verkommen. Sie töteten jene, die sich etwas zu Schulden kommen gelassen hatten aus der reinen Freude am Töten. Da musste man sich wirklich fragen, weshalb sie uns so verachteten und uns Barbaren schimpften, obgleich sie nicht weniger barbarisch waren. "Du willst also eine Geschichte nachspielen lassen, bei der möglichst viel Blut fließt, um eure Verurteilten hinzurichten?" Ich schaute vielleicht ein wenig zu pikiert. Zumal er dann meinte, er würde das alles nur veranstalten, weil er sich dadurch die Gunst des Volkes erhoffte.

Schließlich erwähnte er dann noch die Druidenopfer, von denen er gehört hatte und vor dem es jeden Römer grauste. Und als habe er meine Gedanken lesen können, erwähnte er auch die Königin der Icener, die es gewagt hatte, den Römern Widerstand zu leisten. Nach seinen Worten, war beides als Thema für seine Arena ausgeschlossen, weil er dann fürchten musste, ausgebuht zu werden. "Ich erinnere mich noch sehr gut an Boudicca! Es waren schreckliche Zeiten damals!" entgegnete ich ihm und mein Blick schien für einen Moment ins Nichts zu gehen, denn die Erinnerungen an Mona waren gerade wieder sehr präsent in meinem Kopf. Schließlich wandte ich mich ihm wieder zu. Auch mein Blick hatte sich verfinstert. "Die Opfer der Druiden dienten nicht der Unterhaltung des Volkes. Sie töteten auch nicht aus Freude am Töten. Diese Opfer dienten der Allgemeinheit. Nur in der größten Not braucht es ein menschliches Opfer, um die Götter milde zu stimmen. Das wirst du doch wohl verstehen?" entgegnete ich ihm. Es widerte mich einfach nur an, als er davon sprach, wie schade es doch wäre, denn für Boudicca hätte er eine Idealbesetzung.

Schließlich bat er mich als Patron, ihn nicht hängen zu lassen. Eigentlich hörte sich das mehr wie eine Aufforderung an. Eine Pflicht, die ich nun erfüllen sollte. Ich schwieg und überlegte eine Weile. Dann begann ich eine weitere Geschichte zu erzählen, die sich vor langer Zeit in Ulaid*, im Norden der westlichen Nachbarinsel zugetragen haben soll.

"Einst lebte in Ulaid ein König namens Celtchar. Er war groß an Statur und als grausamer Krieger gefürchtet.  Er schwang einen Speer, dessen Gier nach Blut so groß war, dass er in einen Kessel mit Gift getaucht werden musste, um ihn in Schach zu halten.

Eines Tages weilte seine Gemahlin Findmór zu Gast bei Blaí Briugu, einem reichen Großbauern, der für sie in seiner Halle ein Festmahl veranstaltet hatte. Die Königin übernachtete in seinem Haus. Da sie ohne männliche Begleitung dort weilte, nahm er sie in der Nacht mit Gewalt und schändete sie.

Als der König dies hörte, wurde er furchtbar wütend und beschloss seine Königin zu rächen. Mit seinen Männern begab er sich in Blaí Briugus Haus und erschlägt ihn in seinem Zorn und nahm seinen Kopf als Trophäe mit. Doch damit nicht genug auch all seine Diener und jene die ihm verpflichtet waren, ließ er von seinen Männern töten.

Als Entschädigung für diesen Mord musste er sein Königreich Ulaid dreimal von einer Heimsuchung erlösen. Die erste dieser Aufgaben war es, Conganchnes, einem Krieger, der plündernd durchs Land zog, zu töten. Doch das war keine leichte Aufgabe, denn die Haut des Plünderers war so hart, dass kein Speer und kein Schwert sie durchstoßen konnte.
Doch Celtchar war gewitzt und dachte sich eine List aus. Er gab Conganchnes seine Tochter Niamh zur Frau, um sein Vertrauen zu gewinnen und lud ihn und seine Männer jeden Tag zu einem Festmahl ein. Als Niamh eines Nachts bei ihrem Ehemann lag, fragte sie ihn, ob er wirklich unbesiegbar sein. Ihr Mann war ganz vernarrt in sie und verriet ihr schließlich sein Geheimnis. Er entgegnete ihr, man müsse ihm glühende Spieße in die Fußsohlen stecken und in die Schienbeine stoßen.
Niamh eilte am nächsten Morgen zu ihrem Vater und erzählte ihm, was ihr Mann ihr verraten hatte. Danach legte sie einen Schlafzauber über Conganchnes und die Krieger ihres Vaters schlichen sich an ihn heran, während er schlief. Die glühenden Spieße wurden ihm in die Fußsohlen und direkt ins Mark der Schienbeine gerammt, und Conganchnes starb. Celtchar nahm sich auch diesen Kopf, um ihn seinem Volk zu präsentieren. 
Über das Grab des Conganchnes erhob sich bald ein Steinhaufen, denn jeder, der daran vorüber ging, legte einen Stein dazu, aus Freude, dass der Tyrann endlich tot war.
 
Die zweite Aufgabe, die Celtchar zu erfüllen hatte, galt einem bösen tollwütigen Hund namens Luch Donn, der des Nachts Menschen und Tiere anfiel und sie tötete. Ihn sollte er erlegen. Celtchar fand einen Erlenstamm, höhlte ihn aus, damit sein Arm hindurchpasste und kochte ihn in Honig, Fett und Kräutern, bis er zäh und geschmeidig war. Er näherte sich dem Hund mit dem Baumstamm über dem Arm und als der Hund hineinbiss, blieben seine Zähne stecken, so dass Celtchar sein Herz durch die Kehle herausziehen und ihn töten konnte.

Die dritte Bedrohung war Dóelchú, Celtchars eigener Hund. Ein Jahr nach Conganchnes Tod fand der König drei Hundewelpen an dessen Grab, die er mit sich nahm. Einen der Welpen schenkte er Mac Dathó, einem reichen Mann aus Leinster, den zweiten gab er dem Schmied Culann und den dritten, Dóelchú behielt er für sich. Der Welpe wuchs und wurde zu einem ausgewachsenen Hund. Doch je älter er wurde, umso bösartiger wurde er. Eines Tages lief er davon und wurde zu einer Bedrohung für die Rinder und Schafe von Ulaid.  
Celtchar fand seinen Hund und rief nach ihm und er kam zu ihm und leckte ihm die Füße. Widerwillig tötete er ihn mit seinem Speer. Als er den Speer hob, lief ein Tropfen des giftigen Blutes des Hundes an ihm herunter und durch Celtchars Körper und tötete ihn."

* Ulster