Tablinum - Druckversion +- Forum (https://adlerchronik.de) +-- Forum: Die Chroniken (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=1) +--- Forum: Provinz Britannia (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=8) +---- Forum: Iscalis (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=9) +----- Forum: Wohnviertel (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=54) +------ Forum: Casa Norbana (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=86) +------ Thema: Tablinum (/showthread.php?tid=816) |
RE: Tablinum - Norbana Orestilla - 11-05-2024 Der Besuch in der Domus Plautia hatte mich erschöpft. Ich saß allein im Tablinum, starrte auf meine im Schoß gefalteten Hände und fühlte, wie die Last des Tages mich erdrückte. Wenn ich an meinen heutigen Besuch bei meinem Verlobten zurückdachte, musste ich mir eingestehen, dass sich eine Peinlichkeit an die andere gereiht hatte, als hätte ich mein ganzes Selbstvertrauen an der Tür abgegeben gestanden. Ich schämte mich so sehr! Meine Unsicherheit hatte mir ganz deutlich im Gesicht gestanden. Noch nie hatte ich mich dümmer und naiver gefühlt als heute. Hätte ich nicht schon vorher gewusst, dass ich überfordert war, dieser Tag hätte es mir in aller Deutlichkeit gezeigt. Der Gedanke, in ein paar Tagen verheiratet zu sein, ließ in mir immer noch das kalte Grauen aufsteigen. Nicht, weil ich dann Leanders Frau sein würde, sondern weil ich unglaubliche Angst hatte, in der Hochzeitsnacht genauso zu versagen, wie ich es heute getan hatte. Dabei war Leander so nett und verständnisvoll gewesen und hatte mir zu verstehen gegeben, dass ich ihm vertrauen konnte und er mich niemals zu etwas zwingen würde. Ich sollte mich glücklich schätzen, dass er mich überhaupt heiraten wollte und mir damit aus der Patsche half. Er hatte mir deutlich gemacht, dass ich eine Verantwortung gegenüber unseren Sklaven hatte. Mit seiner Hilfe würde alles gut werden. Ich würde keinen der Sklaven verkaufen müssen, um dadurch Geld für unseren Lebensunterhalt aufzutreiben. Leander war ein guter Mann! Obwohl er schon etwas älter war. Aber er sah immer noch gut aus und würde mich bestimmt immer gut behandeln. Aber die Wahrheit war, ich hatte solche Angst. Angst vor dem, was von mir erwartet wurde. Angst vor der Hochzeitsnacht. Ich schämte mich für meine Unwissenheit, fühlte mich wie ein Kind, das am Ende alles falsch machte. Ein tiefer Seufzer entwich mir, als ich mich im Raum umsah. Der Gedanke, diesen sicheren Ort bald verlassen zu müssen, verursachte mir Bauchschmerzen. Es tröstete mich nicht, dass wenigstens die Sklaven mit mir in mein neues Zuhause ziehen würden. Mein Vater war fort und meine Mutter ... sie hätte sicher nur die Stirn gerunzelt und mir gesagt, ich solle mich gefälligst zusammenreißen und mich wie eine Römerin benehmen. Wie sehr wünschte ich mir, dass mich jetzt jemand in den Arm nehmen würde, eine Freundin vielleicht, eine Frau, die mir sagte, dass es normal war, sich so verloren zu fühlen. Aber das war ein Wunsch, den ich niemandem sagen konnte. Eine Träne löste sich und kullerte meine Wange hinab. Vielleicht könnte mir Nicander ein wenig Abwechslung verschaffen. Er konnte mich selbst an den dunkelsten Tagen zum Lachen bringen. "Nicander!", rief ich und hoffte, er würde mich hören. RE: Tablinum - Nicander - 11-08-2024 Ich hörte kyria Orestillas Seufzen, ahnte mehr als dass ich sie sah, die Zähre, die auf ihre Wangen fiel. Es war mir, als käme das Seufzen aus mir selbst. Ich nahm etwas Rosenöl mit mir, und als sie meinen Namen rief, war ich schneller zur Stelle als Zephyr im Frühling: "Domina Orestilla", sagte ich leise und zeigte ihr die Phiole mit dem Öl: "Wünschst Du vielleicht eine Nacken -oder Fußmassage?", darauf verstand ich mich, wir Schauspieler gaben sie uns gegenseitig, wenn der Nacken vom Tragen der schweren Maske und des Kopfputzes oder die Füße vom stundenlangen Tragen der Kothurnen schmerzten. Und um die Süsseste aller dominae aufzumuntern, deklamierte ich lächelnd ein Liebesgedicht: "Amor, nicht das Kind, der Jüngling, der Psychen verführte, Sah im Olympus sich um, frech und der Siege gewohnt. Eine Göttin erblickt’ er, vor allen die herrlichste Schöne; Venus Urania war’s, und er entbrannte für sie. Ach, die Heilige selbst, sie widerstand nicht dem Werben, Und der Verwegene hielt fest sie im Arme bestrickt. Da entstand aus ihnen ein neuer lieblicher Amor, Der dem Vater den Sinn, Sitte der Mutter verdankt. Immer findest du ihn in holder Musen Gesellschaft, Und sein reizender Pfeil stiftet die Liebe der Kunst" * Doch meine Venus Urania hier wirkte ganz und gar nicht wie die glückliche Braut, von Amors Pfeil getroffen. Traurigkeit umwölkte sie, und ich ließ mich zu ihren Füßen nieder: " Holde Herrin, lass mich dir berichten, was ich auf Plätzen und in den Straßen über deinen Bräutigam, den Herren Plautius Leander erfahren", das ich sogar mit den Freudenmädchen gesprochen hatte, verriet ich nicht, doch vielleicht wäre Gutes über ihren zukünftigen Ehemann dazu geneigt, Balsam für ihre zarte Seele zu sein: "Du magst mich rügen, weil ich neugierig war. Doch ein einfacher Sklave erfährt mehr als eine junge edle Dame. So höre: Der werte Plautius Leander ist ein ehrenwerter Mann. Hilfsbereit und gerecht zu allen, sagte man mir. Sein Aufstieg hat ihn nicht dazu verleitet, grausam oder wollüstig oder beides zu werden. Er behandelt seine Familia gut, und sie ist ihm zugetan. Eine Gattin wird in seinem Haus zweifellos geachtet und respektiert sein o Domina, nichts Böses wird dir begegnen... Aber....", ich verstummte. Das Aber war zu viel. Ich blinzelte zu Domina Orestilla unter meinen langen Wimpern hervor. Sie konnte mir den Mund verbieten oder weiter hören wollen. * Sim off: Goethe: Der Neue Amor RE: Tablinum - Norbana Orestilla - 11-08-2024 Ich musste nicht lange auf Nicander warten. Als er mit einer Phiole Rosenöl vor mir stand, atmete ich tief ein. Eine Fuß- oder Nackenmassage klang verlockend, doch schon allein seine Anwesenheit beruhigte mich. Es war, als ob er meinen Kummer teilte und seine Worte und sein Duft die Schwere, die auf mir lastete, für einen Moment vertreiben könnten. "Eine Fußmassage täte mir sicher gut," sagte ich mit einem dankbaren Lächeln. Dann begann er, ein Gedicht über Liebe und Kunst zu deklamieren, und ich ließ mich von seinen Worten tragen. Doch die ersehnte Freude wollte sich nicht einstellen. Das Bild einer glücklichen Braut schien mir so fern wie der Himmel selbst. Sein schönes Gedicht über die Liebe vermochte es nicht, jene Schwere zu beseitigen. Ein Seufzen entwich mir, das ich nicht länger unterdrücken konnte. Ich blickte Nicander an, fast hilfesuchend, als könnte er mir raten, wie ich diese Unsicherheit loswerden sollte. Doch Nicander verstand meine Sorgen, noch ehe ich sie in Worte fassen konnte. Sanft begann er mit der Massage während er mir von seinen Erkundigungen zu berichten begann. Seine Stimme war gedämpft, als wäre jedes Wort ein wertvolles Geschenk nur für mich. Er erzählte von Leander, von Dingen, die er über ihn gehört hatte. Alles klang wie eine wohlvertraute Geschichte über einen guten Mann, über Gerechtigkeit und Ehrenhaftigkeit. Ein kleines, zaghaftes Lächeln huschte über meine Lippen, während ich lauschte. Nicanders Worte schienen das zu bestätigen, was ich heute selbst erlebt hatte. Ein Mann, der gerecht und respektvoll mit seiner Familie umging? Ja, das passte. Doch dann… dann kam ein 'Aber', das schwer wie Blei in der Luft hing. Nicander verstummte und sah mich an, als überließe er mir die Entscheidung, ob ich weiterhören wollte. Natürlich wollte ich alles wissen. "Sprich weiter, Nicander," flüsterte ich. Meine Stimme war kaum mehr als ein Hauch. "Was immer du weißt, ich will es hören." RE: Tablinum - Nicander - 11-11-2024 "Aber....", sprach ich, und die Leidenschaft beflügelte meine Worte. Es war nicht allein Leidenschaft für meine süße Domina, es war auch Leidenschaft für alles, was unsterblich war. Ich war mir nicht einmal sicher, ob mich Norbana Orestilla verstehen konnte. Sie war belesen und klug, doch sie war noch so jung: " Im Hause Plautia gibt es nichts, o Domina, keine Kunst, keine Explosion des Herzens, kein Rütteln an den Stäben unserer irdischen Existenz, kein Abstürzen in Emotionen und keinen Versuch, den Olymp zu erobern. Es gibt dort keine Seufzer der Einsamen und keinen Jubel der Glücklichen. Nur dröge Redlichkeit! Kein göttlicher Iuppiter verkleidet sich als goldenen Regen, um sich der geliebten Prinzessin zu nähern, kein Mercur spielt Streiche, kein Bacchus hält sich den Wanst vor Lachen. Eisige Stille herrscht in der staubigen Bibliothek, und über allem thront die despotischste Göttin von allen: Das Römische Recht mit seinen Paragraphen. Es ist mir, Domina, als stiegest du, einer zu Unrecht verurteilten Vestalin gleich, jungfräulich in eine dunkle Gruft hinab. Eine Gruft gebaut aus Rechtschaffenheit, die dich lebendig begräbt und deine strahlende Seele allzu früh verlöschen lässt so wie unser aller Licht einst erlöschen muss. Doch jetzt noch nicht, o liebste Domina! Lass uns leben! Lass uns lieben! Es lebe die Kunst!" Ich kniete nun vor Norbana Orestilla und hielt den Kopf gesenkt. Sie konnte mich bestrafen lassen, wenn sie wollte. Es stand mir nicht zu, ihr zu sagen, was ich ihr gesagt hatte genauso wenig wie es mir zustand, tiefere Gefühle für sie zu haben. Wenn sie mich jetzt in die Minen verkauft, so verdiene ich es, dachte ich. RE: Tablinum - Norbana Orestilla - 11-12-2024 Ich blickte Nicander an. Seine leidenschaftlichen Worte hallten in meinen Gedanken wider. Ich war ganzüberwältigt von der Inbrunst, mit der er das Bild meines künftigen Zuhauses malte – oder besser gesagt, den Mangel daran. Ich verstand, was er meinte: ein Leben in Plautius Leanders Haus könnte eintönig, streng und ohne die Lebendigkeit sein, nach der mein Herz sich sehnte. Aber wenn ich Leanders Frau sein würde, vielleicht könnte ich genau das ändern. Ich wollte nicht jene Vestalin sein, die im Schatten eines kalten Hauses langsam verblasste. Ich wollte ein Heim schaffen, in dem Kunst, Freude und lebendige Emotionen Platz hatten. Ein Ort, der nicht nur von starrem Recht dominiert, sondern von Leben erfüllt wäre. Tief durchatmend, entschloss ich mich, Nicander um Hilfe zu bitten. Er war mehr als nur ein Sklave, und in diesem Moment war er der einzige, dem ich mich anvertrauen konnte. Er war ein Mann und um einiges älter als ich. Er konnte mir sagen, worauf ich achten musste und was ich tun musste, um die Liebe bei meinem zukünftigen Ehemann zu entfachen. "Nicander," begann ich leise, "ich verstehe, was du sagst. Ich verstehe es – und ich habe Angst davor, in einem Haus zu leben, das nur von kaltem Gesetz und ständiger Ordnung bestimmt wird. Ich möchte das ändern, mehr Leben, mehr Freude, mehr… Lebendigkeit hineinbringen. Aber ich brauche Hilfe. Deine Hilfe." Er kniete vor mir, weil er sich vor meinem Zorn fürchtete. Doch da hatte er nichts zu befürchten. im Gegenteil! Ich rutschte von meinem Stuhl, hinunter zu ihm und hielt ihm meine Hand entgegen. "Hilf mir, Nicander. Bitte, hilf mir! Ich wüsste niemanden, den ich sonst um Hilfe bitten könnte." In meiner Stimme lag ein Hauch von Verzweiflung, aber auch ein Funken Hoffnung. RE: Tablinum - Nicander - 11-14-2024 Ich umfasste Norbana Orestillas Hände. Einen Moment lang war ich versucht, ihr alles, aber auch alles zu beichten, meine von Hunger getriebene Idee, als Sklave in einem römischen Heim zu überwintern, aber dann sagte ich mir, dass soie meine Hilfe mehr brauchte als ich die ihre. Meine süße Domina! "Du sprichst so wahr, meine Herrin!", sagte ich: "Deine sanfte Hand vermag es zu verwandeln, was sie berührt. Du wirst aus des edlen Herren Plautius trübsinnigem Haus einen Ort schaffen voller Leben, voller Liebe, erfüllt mit dem leisen Schritt der Musen. Ich werde dir beistehen, wo ich immer nur kann, das schwöre ich bei meinem nichtswürdigen Leben. Doch nun erhebe Dich, Edelste aller Herrinnen. Fassen wir Mut! Wie Perseus der Gorgone, so treten wir dem Drögen gegenüber gegürtet mit Poesie und dem Schild geschmiedet aus all dem, was schön und unsterblich ist" Ich, Nicander, Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns aus Antiochia, der sein Zuhause verlassen hatte, um Schauspieler zu werden und der nun ein Sklave war, hatte mich in diesem Moment an Norbana Orestilla gebunden. Ich würde sie nie in Stich lassen, nicht einmal um der Freiheit Willen. Die Moiren hatten meinen Schicksalsfaden für immer mit dem ihren verwoben. RE: Tablinum - Norbana Orestilla - 11-15-2024 Ich lauschte Nicanders Worten und spürte, wie sie mich beruhigten, obwohl ich wusste, dass sie meine eigentlichen Sorgen nicht lösen würde. Ich mochte es, wie er sprach. Er war ein Meister der Sprache, denn aus seinem Mund klang selbst der profanste Satz wie ein Vers aus einer griechischen Tragödie. Doch genau in diesem Moment war mir etwas anderes wichtiger. "Nicander," sagte ich schließlich, während ich meinen Mut sammelte. Meine Stimme war leise, fast zögernd, doch ich zwang mich, meine Bitte auszusprechen. "Ich bin dir dankbar, dass du mich dabei unterstützen möchtest, die Domus Plautia in einen Ort voller Leben und Schönheit zu verwandeln. Doch ich brauche deine Hilfe schon vorher, bei etwas weitaus Bedeutenderem." Ich machte eine kurze Pause, sah ihn an und setzte mich dann mit einem leisen Seufzen wieder auf meinen Stuhl: "Ich brauche deine Hilfe, um mich auf die Hochzeitsnacht vorzubereiten, Nicander." Ein warmes Gefühl der Unsicherheit durchzog mich, während ich auf seine Antwort wartete. Hatte ich zu viel von ihm verlangt? Würde er mich verstehen? Doch gleichzeitig wusste ich, dass ich niemanden sonst hatte, dem ich eine solche Bitte anvertrauen konnte. RE: Tablinum - Nicander - 11-21-2024 "Was immer du wünschst, Herrin", sagte ich. Und doch gelang es meiner süßen Domina, mich einen Augenblick lang zu verunsichern. Wollte sie nur wissen, was eine Frau zu tun hatte in ihrer Hochzeitsnacht oder wünschte sie sich ähem...etwas Tatkräftigeres? Anschauungsunterricht? Nicht dass ich dazu nicht in der Lage gewesen wäre. Einige der Norbanni-Sklavinnen waren sehr attraktiv. Und selbst wenn nicht, meine Vorstellungskraft konnte mich Aphrodite in jeder alten Vettel sehen lassen. "Brauchst du meine Hilfe eher als Frau oder eher als Mann?", fragte ich vorsichtig: "Ich kann mit jeder Rolle dienen" RE: Tablinum - Norbana Orestilla - 11-21-2024 Ich runzelte die Stirn und war überrascht von Nicanders Frage. Ob er das wohl ernst meinte? Doch als ich ihn ansah, erkannte ich, dass er keinen Spott in seinen Worten trug. Seine Stimme war spielerisch, wie immer, aber auch bereit, mir wirklich zu helfen. "Ich...", begann ich unsicher, und meine Stimme klang dabei so schwach, dass ich mich selbst kaum wiedererkannte. "Ich weiß nicht genau, was ich mir erhoffe." Eine heiße Röte stieg mir ins Gesicht, während ich versuchte, die richtigen Worte zu finden. "Ich möchte verstehen, wie es ist... wie man sich fühlt... wenn man sich hingibt. Einem Fremden, den ich erst wenige Male gesehen habe und den ich gar nicht kenne. Der dann mein Ehemann sein wird und eigentlich von seinem Alter her mein Vater sein könnte." Ich hielt inne, denn ich spürte, wie mir bereits eine Träne die Wanger herabkullerte. Schließlich sammelte ich meinen Mut, und sprach dann leiser weiter: "Ich weiß nur, dass ich nicht vollkommen unwissend in diese Nacht gehen will. Ich brauche deinen Rat. Deine Erfahrung." Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als ich die Frage stellte, die mir schon so lange auf der Seele brannte: "Wie fühlt es sich an, jemanden so nah an sich heranzulassen?" |