Unverhofft kommt oft! - Druckversion +- Forum (https://adlerchronik.de) +-- Forum: Die Chroniken (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=1) +--- Forum: Provinz Britannia (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=8) +---- Forum: Cheddar (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=55) +----- Forum: Owains Schmiede (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=89) +----- Thema: Unverhofft kommt oft! (/showthread.php?tid=799) Seiten:
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RE: Unverhofft kommt oft! - Licinianus Owain - 11-07-2024 Der Junge wirkte völlig überrascht über mein Lob. Als ich ihm die Hand auf die Schulter legte, spürte ich ein leichtes Zittern – eine tief verankerte Anspannung, die sich wohl lange nicht gelöst hatte. Fintan blickte mich mit großen, erwartungsvollen Augen an, als ob er kaum wagte, Hoffnung zu fassen. Schließlich fragte er, fast ehrfürchtig, ob ich ihn als Lehrling nehmen würde. Ich nickte und lächelte. "Ja, Fintan. Ich glaube, in dir steckt mehr, als du selbst vermutest. Du wirst wachsen mit deinen Aufgaben. Heute ist es nur ein grober, unfertiger Nagel, aber mit Übung und Hingabe könnte daraus etwas Feineres werden – eine kunstvolle Gewandnadel, wie diese hier." Ich griff zu einem kleinen Kästchen und zeigte ihm eine Gewandnadel, die ich kürzlich gefertigt hatte. "Gleich morgen früh beginnen wir mit deiner Ausbildung. Du bekommst Kost und ein Dach über dem Kopf. Vorerst kannst du bei mir in der Schmiede schlafen. Doch bald, nach unserer Hochzeit, werde ich ins Haus meiner Frau ziehen, und dann gehört dir die Schmiede allein." Ich sah ihm in die Augen, um seine Reaktion auf das Angebot zu erahnen. Außerdem hielt ich ihm meine rechte Hand hin, bereit für den Handschlag, der unser Abkommen besiegeln würde. "Was sagst du?" RE: Unverhofft kommt oft! - Fintan - 11-16-2024 Die Geste bedeutete Fintan mehr, als Owain vielleicht ahnte. Nicht die Hand auf der Schulter, obwohl dies sehr schön war. Der Mann zeigte ihm ohne Umschweife seinen wertvollen Besitz. Besitz, der sich nur allzu leicht stehlen ließe. Unsicher besah er sich die Hand, die der Schmied ihm entgegenstreckte und die voller ungerechtfertigtem Vertrauen war. Er konnte dieses Haus ausräumen und seiner Wege gehen. Wie so oft... Früher hätte er das sicher gemacht. Aber es war, wie Calum gesagt hatte. Er wollte mehr sein als ein Dieb, der in einem Loch in der Wand schlief, inmitten gestohlener Dinge. Der von seinen Brüdern gehasst wurde. Zu lernen, die Dinge zu schaffen, die er so liebte, das klang so süß, dass er kaum glaubte, es zu verdienen. Wie gesagt. Der Schmied wusste nicht, was er hier für Fintan tat. Er hatte keine Vorstellung. Langsam ergriff Fintan die schwielige Hand seines neuen Lehrmeisters. Kost und ein Dach über dem Kopf. Keine einträgliche Arbeit, jedenfalls bis er das Handwerk beherrschte. Aber so waren Lehren nun eben, dachte er. Er würde zurechtkommen. Das war er immer. "Ich werde Euch nicht enttäuschen", versprach er. Und wusste noch nicht, ob er dieses Versprechen auch halten konnte. RE: Unverhofft kommt oft! - Licinianus Owain - 11-18-2024 Fintan zögerte einen Augenblick, als könne er kaum glauben, was gerade geschah. Dann griff er meine Hand mit einem festen Griff. In diesem Moment spürte ich die Entschlossenheit, die sich hinter seiner Unsicherheit verbarg. Ein vorsichtiges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Gut," sagte ich und ließ seine Hand los. "Du hast bestimmt Hunger, oder? Ich hole dir etwas. Es wäre keine Schande, den Tag mit einer ordentlichen Mahlzeit zu beschließen." Ich holte etwas Brot, Käse und ein paar Streifen Speck und richtete alles auf einem Teller an. Es war keine große Mahlzeit, aber genug, um ihn zu stärken. "Hier, lass es dir schmecken!" Ich reichte ihm den Teller und setzte mich zu ihm. Dann trank ich den letzten Schluck Bier aus meinem Becher. "Für heute Nacht kannst du mein Bett nehmen", sagte ich und deutete in die Richtung, wo es stand. "Ich schlafe im Haus meiner Verlobten. Du wirst das Bett mehr brauchen als ich. Morgen früh fangen wir an. Der Nachmittag ist schon zu weit fortgeschritten, um noch eine Lektion zu beginnen. Aber sei bereit, es wird viel Arbeit. Doch ich bin sicher, du wirst das schaffen. Mit der Zeit wächst du in deine Aufgaben hinein." Ich stand auf, ging zu meiner Truhe und nahm ein paar Kleidungsstücke heraus. Dann zog ich meinen Mantel über. "Ruhe dich aus, Fintan. Du wirst die Kraft brauchen. Wenn du noch etwas brauchst, bediene dich einfach. Wir sehen uns morgen früh." An der Tür hielt ich kurz inne, warf einen letzten Blick auf ihn. Er saß da, die Mahlzeit vor sich, als hätte er noch immer nicht ganz begriffen, was der Tag ihm gebracht hatte. Ich nickte ihm zu, dann trat ich hinaus in die Abendluft. RE: Unverhofft kommt oft! - Fintan - 11-18-2024 Fintan war so überwältigt, er konnte kaum sprechen. Sein Gastge- sein Meister hatte es offensichtlich eilig um zu seiner Verlobten zu kommen, so schien es. Er fragte ihn gar nichts mehr, wollte nicht wissen, wo er herkam. Er setzte ihm einfach etwas zu Essen vor und bot sein eigenes Bett an, da er woanders schliefe. Er ließ einen wildfremden Jungen allein in seinem Haus, mit all den Wertsachen. Natürlich war Fintan nicht hier, um das Zeug zu stehlen. Seine Absichten waren zur Abwechslung völlig rein. Doch er konnte sich nicht helfen, alte Instinkte wurden wach und er konnte nicht anders als zu denken, wie unvorsichtig der Schmied war. Er konnte richtig Unsinn hier anstellen, all die kostbaren Dinge klauen und würde hier nie wieder gesehen. Wieso war Owain so vertrauensselig? So nahm ihn diese Überlegung ein, dass er kaum bemerkte, wie ihm das Essen in die Hand gedrückt wurde. Er erinnerte sich in letzter Sekunde, seinem Meister zu danken und war völlig verdutzt über die Selbstverständlichkeit, diese... Freundlichkeit. Er kannte das überhaupt nicht. Und dann ging er. Einfach so. Fintan war allein. Er konnte es noch immer nicht fassen. Was er hier in die Finger bekam, war ein Schatten, ein kleiner Zipfel, eine Ahnung von dem, was eine Art normales Leben war. Er hatte wirklich eine Anstellung. Und dieser Mann hatte ihn nicht mit Abscheu angeschaut oder mit Gleichgültigkeit. Wie betäubt sah er hinab auf sein Essen, das er noch nicht angeführt hatte. Wenig später war der Teller sauber und gereinigt wieder auf der Anrichte bei der Kochstelle. Fintan hatte sich lediglich eine Decke genommen und saß noch vor dem Feuer. Sein unsicherer Blick kreuzte die Wände, die Schlafstatt, die Haustür. Es war ein schönes Heim, fand er. Nicht üppig groß, doch angemssen. Traditionell. Warm. Und doch fühlte er sich hier seltsam, die Hütte wirkte auf einmal viel zu groß. Er war fehl am Platze und zum ersten Mal störte es ihn, allein an diesem fremden Ort zu sein. Beinahe als fürchte er, ohne Aufsicht noch Unsinn in dem Heim seines Meisters anzustellen. Denn das war es eben, was Fintan tat. Doch nicht heute. Ein seltsam eigentümliches Gefühl, nicht direkt unangenehm, doch auch nicht vertraut, stieg in seiner Brust empor. Hätte er es gekannt, hätte er es als Erleichterung identifizieren können. Der Junge betrachtete schweigend die niedriger brennenden Flammen und rollte sich in seiner Decke auf dem Boden vor der Feuerstelle ein. Als die Schatten länger wurden und die Glut rot in der aufkommenden Dunkelheit glomm, war ein einziges leises Schniefen zu hören, bevor Fintan eingeschlafen war. |