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Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Druckversion

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RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 03-03-2024

Der Streit war weniger heftig ausgefallen, als ich gedacht hatte, und so langsam entspannte ich mich ein wenig. Nicht ganz, aber doch sehr viel mehr als noch vor ein paar Momenten. Ich entspannte mich etwas und wischte mir einmal die etwas schwitzigen Handflächen am Kleid an den Oberschenkeln ab.
“Sie wird römische Bürgerin sein, Owain. Sie wird schöne Häuser mit guter Heizung kennen lernen, Theater, Bäder und Feste. Ich verstehe wirklich, dass du an deiner Vergangenheit und deinen Traditionen hängst, aber nachdem du das hier alles gesehen hast, wünscht du dir da wirklich für deine Tochter eine Lehmhütte, in der es im Winter kalt zieht?“ Ich wusste, das war etwas gemein von mir, das so auf den Punkt zu bringen. Aber Owain hatte jetzt viel von beiden Welten gesehen. Auch wenn er sich beharrlich weigerte, ganz in meiner zu leben und gerne in der Schmiede war, was ich ihm ja auch gönnte, hielt ich ihn jetzt nicht für dumm oder blind. Er wusste, welche Vorteile und Annehmlichkeiten das Leben als Römer hatte. Er konnte sich nicht wirklich für unser Kind wünschen, stattdessen in Kälte und Dreck zu leben.
“Ich verstehe, dass du deiner Tochter einen Namen aus deiner Heimat geben willst. Wirklich. Aber selbst mit so einem Namen wird sie Römerin sein, und sollte Rom diese Provinz verlieren, werde ich auch alles daran setzen, dass sie mit mir in Sicherheit kommt und nicht hier bleibt unter Menschen, die sie umbringen wollen.“


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Licinianus Owain - 03-04-2024

Ich erstarrte förmlich, als ich Aglaias Antwort hörte. Offenbar hatte sie niemals vor, unserem Kind die Möglichkeit zu geben, ihr britannisches Erbe zu erkunden. Sie sollte als römische Bürgerin aufwachsen, fernab von unserem Leben, unseren Werten und unserer Kultur. Selbst einen britannischen Namen hielt sie für vollkommen unnütz. Dies traf mich tief und ich brauchte einige Atemzüge, um überhaupt nach Worten zu suchen. Denn ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich wollte uns nicht noch weiter auseinanderbringen. Ich war hergekommen, um wieder Frieden mit ihr zu schließen, ihr Zugeständnisse zu machen und einen Kompromiss zu finden, mit dem wir beide leben konnten. Doch das Gesagte konnte ich so nicht stehen lassen. Es hatte mich verletzt, ein Stich ins Herz.

Ich versuchte ruhig zu bleiben und nicht laut zu werden. "Meinst du etwa, ich gebe meine Vergangenheit und meine Traditionen für Theater, Bäder und Feste auf? Oder für ein schönes Haus? Ich bin stolz darauf, wer ich bin und was ich bin, und werde dafür nicht zum Verräter an meinem Volk werden. Ich weiß, wofür Rom steht. Eure Legionen haben uns das sehr deutlich gezeigt. Ich bin mit weitaus weniger zufrieden und habe kein Problem damit, in einer kalten Lehmhütte zu hausen – die übrigens im Winter sehr warm und heimelig sein kann. Aber gut!  Gib unserer Tochter einen römischen Namen und wenn sie alt genug dafür ist, erzähle ihr irgendeine Geschichte, damit sie sich für ihren barbarischen Vater nicht schämen muss. Und falls du unserer Tochter doch noch überdrüssig werden solltest, dann schick sie zu mir. Ich werde ihr immer ein guter Vater sein, wenn sie mich braucht."
Mir versagte fast die Stimme und meine Augen wurden feucht. Denn gerade zersplitterte mein Leben. Ich erhob mich von ihrem Bett und mein Blick fiel noch einmal auf unser schlafendes Kind. Ich fühlte mich so elend, dass ich am liebsten laut losgeheult hätte. Das, worauf ich mich die letzten neun Monate so gefreut hatte, entglitt mir gerade. Die Frau, die ich so sehr liebte und das Kind, das ich noch nicht einmal in Händen gehalten hatte. Alles war ein Trugschluss gewesen, dass wir eins sein könnten. 

"Wenn dir noch etwas an mir liegt, findest du mich in der kalten Lehmhütte in Cheddar. Wenn nicht, dann werde ich dir keinen Vorwurf machen! Leb wohl!" Ich wandte mich um, damit sie meine Tränen nicht sah und ging zur Tür.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 03-05-2024

Ich hatte angenommen, dass Owain es ernst gemeint hatte, dass er für das Kind und mich da sein wollte. Ich hatte angenommen, dass er klug genug war, zu sehen, dass es gut für das Kind sein würde, Römerin zu sein. Ich hatte angenommen, dass er, nachdem er dieses Leben hier kennen gelernt hatte, dieses Haus hier, MICH, dass er verstanden hätte, dass nicht alle Römer so waren wie der Tribun, der ja auch mich angegriffen hatte. Und dass er an einer friedlichen Lösung interessiert war. An einem echten Zusammenleben, in Frieden.

Götter, war ich naiv gewesen! Mutter hatte recht gehabt, und ich war einfach verblendet von Liebe gewesen, dass ich nicht sehen wollte, dass er niemals aufhören würde, Rom und alles römische zu hassen, und schlimmer noch, dass er sein Kind da mit hineinziehen wollte. Ich lachte einmal erstickt auf, aber es blieb mir sofort im Hals stecken. “Ich bin so dumm“, murmelte ich nur zu mir selber und schüttelte über mein eigenes Fehlurteil den Kopf.

Eigentlich sollte es mich nicht überraschen, dass Owain wieder abhauen wollte. Das hatte er oft getan, hatte sich verkrochen und in Selbstmitleid gesuhlt. Zuletzt bei der Geburt. Ich erlitt Schmerzen, Verletzungen, blutete für ihn, mehrfach, und er sah einzig und allein sich selber, seine Ehre, seinen Stolz, und gab mir die Schuld. Und ich war dämlich genug, immer wieder zu glauben, dass er sich ändern könnte.

Etwas in mir, dieser kleine, naive Teil, den ich dank ihm hatte aufatmen lassen, den ich sonst aber immer gut versteckt gehalten hatte, zerbrach ein weiteres Mal, und ich begrub ihn tief in mir. Nein, ich würde ihm nicht nachlaufen, nicht nachweinen und mich erniedrigen.
“Die Pacht ist bis Mai bezahlt, danach musst du sie selbst aufbringen. Der Verpächter heißt Gaius Pomponius Lucro“, gab ich ihm mit, was er damit anstellte, war seine Sache. Ich würde mich nicht mehr für ihn einsetzen und dafür, dass er ein angenehmes und schönes Leben hatte. Es dauerte zwar lange, bis mein Herz verstand, wann es sich verrannt hatte, aber jetzt hatte es dies begriffen.
“Und wenn du dort bist, denk daran, dass ich dich nie aufgefordert habe, deinem keltischen Erbe, oder deinen Traditionen oder deinen Göttern abzuschwören. Dass ich jedes Mal an deiner Seite war, wenn du einen eurer Bräuche begehen wolltest, und sogar, als du dich in Gefahr gebracht hast. Als du mich in Gefahr gebracht hast. Und dass du gegangen bist, als ich dich ein einziges Mal gebeten habe, dich dafür zu entscheiden, was das beste für dein Kind und nicht für dich ist. Leb wohl, Owain.“
Ich wandte den Blick ab, da ich nicht sehen wollte, wie er ging, und zu stolz war, ihm zu zeigen, dass er mich verletzt hatte.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Licinianus Owain - 03-07-2024

Sie hatte mich wirklich bis an meine Grenzen getrieben! Die Worte, die aus meinem Mund geflossen waren, bereute ich schon kurz darauf zutiefst. Ihr gegenüber ausgesprochen, erschienen sie mir wie messerscharfe Dolche, die nun schmerzhaft in der Luft hingen. Doch ihre Äußerungen hatten mich zutiefst verletzt, und seit der Geburt unserer Tochter spürte ich da eine Kälte, die sich zwischen uns breitmachte. Ein Schatten, der unsere einst so innige Liebe überschattete. . Dabei hatte ich ihr doch gar nichts getan! Einzig und allein wollte ich sie beschützen. Sie und unser Kind! Vor ihrer hinterlistigen Mutter, vor den Kerlen, die für sie bezahlten und vor allem anderen, was uns bedrohte.
Unsere Pläne, die einst so hoffnungsvoll schienen, lagen nun zerbrochen vor uns. Der gemeinsame Wunsch nach einem neuen Leben, fernab von all dem hier und in Sicherheit von den Machenschaften dieses hinterhältigen Tribuns, der uns bis aufs Blut gequält hatte, schien in Vergessenheit geraten zu sein. Die Liebe, die uns einst zusammengeführt hatte, zerbrach nun wie Scherben. Ausgerechnet jetzt, da unser Kind da war und wir uns hätten zusammenreißen müssen. Aber Aglaia sprach nur davon, dass unsere Tochter eine Römerin werden würde und dass sie im Notfall von hier fortgehen sollte, falls es meinen Leuten gelang, die Römer zu vertreiben. Ich hatte nichts dagegen, dass unsere Tochter Römerin werden würde. Doch sollte sie aber auch nicht vergessen, dass sie zum Teil auch zu meinem Volk gehörte. Aber das wollte Aglaia nicht einsehen. Wie vernagelt war sie!

In der Stille des Augenblicks stand ich vor ihrer Tür, zögerte einen Moment, bevor ich sie öffnen wollte. Die Belanglosigkeiten, die sie mir nachrief, schienen die Kluft zwischen uns weiter zu vertiefen. Die Schmiede war nun zu einer blühenden Einnahmequelle geworden. Ich konnte mich kaum vor Aufträgen retten und die Pacht war für die Schmiede längst kein Problem mehr. Zunächst hatte ich ihr etwas darauf antworten wollen. Aber ich ließ es. Stattdessen schüttelte ich resigniert den Kopf.
Als ich mich endlich zum Gehen wandte, erreichten mich ihre Worte wie ein letzter, schmerzhafter Stoß. Die Tür war bereits einen Spalt geöffnet, doch ich vermochte es nicht, sie endgültig zu durchschreiten. Ein innerer Zwiespalt hielt mich zurück. Ich brachte es einfach nicht übers Herz. Ich schloss wieder die Tür und sah zu ihr hinüber. Sie hatte ihren Blick abgewandt. "Sind wir jetzt fertig?", fragte ich sie erschöpft.

Schweren Herzens kehrte ich zu ihrem Bett zurück, setzte mich auf den Boden und suchte nach den richtigen Worten. "Es tut mir leid für das, was ich gesagt habe. Das hätte ich nicht sagen dürfen! Du und unser Kind, ihr seid doch alles, was ich noch habe." Ein Hauch von Verzweiflung lag in meiner Stimme, als ich hilflos mein Gesicht in meinen Händen vergrub.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 03-07-2024

Wenn ich dachte, es könnte schwerer nicht werden, wurde ich eines besseren belehrt. Ich wünschte mir, er wäre einfach gegangen, so dass ich mich um meinen verletzten Stolz und mein wundes Herz hätte kümmern können, aber nein. Er blieb und ging jetzt vor mir auf die Knie.
“Nein, es tut dir nicht leid. Du hast mir immer wieder gesagt und gezeigt, dass du uns Römer verachtest, dass du lieber im Dreck unter Kelten, die mich hassen, wohnen willst, statt mit mir in einem schönen Haus mit ordentlichem Bad. Du hast es mir immer wieder gesagt und gezeigt, aber ich hab nicht zugehört. Ich hab gedacht, wenn du lang genug bei mir bist, dass du lernst, dass nicht alle Römer so sind wie die Legionäre. Dass du siehst, wie viel besser das Leben sein kann, in einem starken Haus, mit schönen Bädern und Tempeln, mit Philosophie und Festen… Dass du es verstehen würdest, wenn du darin deinen Platz finden würdest. Wenn du erfolgreich wärst und mit uns Römern arbeiten würdest.“
Ich sah ihn nicht ein einziges Mal an, während ich sprach. Ich hatte ihn so oft angesehen und immer gehofft, dass er doch Teil meiner Welt werden würde, dass es etwas in mir zerbrach, dass er das nie wollte. Überhaupt hatte er in den letzten Tagen sehr viel bei mir zerbrochen, und ich wusste nicht, ob das jemals wieder ganz werden würde. Ich hatte ihm vertraut, so sehr, dass ich mich für ihn gegen alles und jeden gestellt hatte. Und er hatte dieses Vertrauen jetzt zwei Mal innerhalb von wenigen Tagen missbraucht. Und das war mindestens ein mal zu viel. Wie sagte man so schön? Schande über dich, wenn du mich einmal betrügst. Schande über mich, wenn du mich zweimal betrügst.

“Ich weiß jetzt, dass das alles nur meine Wünsche waren und Dinge, die ich sehen wollte. Aber du wirst es niemals so sehen. Du wirst nie mit mir wirklich mein Leben teilen wollen und nie Rom anders als als Feind sehen. Deshalb willst du auch nicht, dass deine Tochter und ich römische Bürger werden.“
Ich schüttelte den Kopf und atmete tief durch. “Ich habe genug davon, dass wir uns immer wieder gegenseitig verletzen. Ich kann und will nicht Teil von deiner Welt sein, und du kannst und willst nicht Teil meiner Welt sein. Und ich bin müde davon, mir einzureden, dass es anders wäre.“


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Licinianus Owain - 03-07-2024

Sie würdigte mich keines einzigen Blickes mehr, während sie mir vorwarf, sie und alle Römer zu verachten. Den Vorwurf, ich hätte eine Abneigung gegen ein römisches Leben in einem schönen Haus, da ich lieber im Dreck unter Kelten leben würde, wo man sie hassen würde, konnte ich nicht stehen lassen!

"In Cheddar hasst dich niemand, denn du bist meine Frau", versuchte ich ihr zu erklären. "Ich habe dir versprochen, nach der Geburt unseres Kindes nach Londinium zu gehen und dort ein Haus für uns zu finden. Eines, das all deine Wünsche erfüllt. Vielleicht hast du das vergessen. Ich hege keinen Groll gegen dich oder andere Römer, solange sie mich nicht behandeln, als sei ich der Dreck unter ihren Stiefeln. Als ich dich in Cheddar bat, meine Frau zu werden, meinte ich es ernst, weil ich dich liebe. Ich akzeptiere, dass du lieber in einem römischen Haus mit allen Annehmlichkeiten leben möchtest, die du gewohnt bist. Ich akzeptiere sogar, dass du weiterhin als Hetäre arbeiten willst, weil es mir Narcissus erklärt hat. Also, was erwartest du noch von mir?"
Meine verzweifelte Stimme suchte nach Verständnis. "Du möchtest, dass unsere Tochter eine Römerin wird. Gut, ich habe nichts dagegen, es wird ihr das Leben erleichtern. Alles, was ich wollte, war, ihr einen keltischen Namen zu geben, zusätzlich zu ihrem römischen. Aber du meintest, das sei unnötig. Genauso wie es unnötig für sie ist zu wissen, dass sie auch ein Teil meiner Welt ist. Verstehst du das nicht? Ich habe nur nach diesem kleinen Detail verlangt, sonst nichts. Aber selbst das willst du mir nicht zugestehen. Also gut, dann verzichte ich darauf. Wenn du willst, dass ich in Zukunft nur noch römische Kleidung trage, dann sei es so. Verdammt, wenn dein Glück davon abhängt, werde ich wie ein Römer herumlaufen."

Ich erkannte, dass all das sie nicht umstimmen würde. Sie hatte genug von mir. Die Realität, sie verloren zu haben, bestätigte sich in meinem stillen Nicken.
"Darf ich sie wenigstens einmal in Händen halten?" fragte ich Aglaia und deutete auf unser kleines Mädchen, das trotz unseres Streites so friedlich schlief.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 03-08-2024

Machte er jetzt allen ernstes mir Vorwürfe? Mir? Obwohl er sich hier wie die Axt im Walde verhalten hatte, sollte ich jetzt schuld sein? Nein, den Schuh zog ich mir nicht an! Ich stand ruckartig auf, als er mir vorwarf, was ich seiner Meinung nach alles vergessen und verraten hätte. Dabei war er es, der mich gerade zutiefst gekränkt hatte und mit einem Kind sitzen lassen wollte! Dass er es sich einen Moment später wieder bereute, änderte daran nichts. Worte waren wie Pfeile. Waren sie einmal losgeschickt, gab es kein zurücknehmen.
“Ich hab überhaupt gar nichts vergessen!“ zischte ich getroffen. “Und alles, was ich je von dir wollte, war dein Vertrauen in mich. Aber du vertraust mir nicht. Kein bisschen. Stattdessen versuchst du, meine Gönner zu vergraulen und mit fadenscheinigen Versprechungen von mir fernzuhalten und hörst mir nicht zu. Narcissus hätte es dir überhaupt gar nicht erst erklären müssen, wenn du mir einmal zugehört hättest.
Und ich wollte dir vertrauen, dass du wirklich bereit bist, für die Familie, die du so sehr wolltest, auch etwas zu tun und dich einzubringen. Aber stattdessen setzt du mich noch bei der Geburt unter Druck, wo ich mich nicht einmal vernünftig wehren kann, und lässt mich dann heute mit einem Neugeborenen einfach sitzen!“

Bevor er Einspruch erheben konnte, hob ich die Hand, um ihn gleich zu unterbrechen. “Ich weiß, dass du es zurücknehmen willst, aber das ändert nichts daran, dass du es gesagt und getan hast. Wie soll ich dir da vertrauen, Owain?“ Und die Antwort darauf war: Ich konnte es nicht mehr. Es wäre einfacher, wenn ich ihn nicht lieben würde, dann täte es nicht so weh. Aber Liebe ohne Vertrauen reichte einfach nicht. Nicht für das hier. Nicht, wenn es echt sein sollte.
“Ich hab nie gesagt, dass du ihr keinen keltischen Namen zusätzlich geben darfst. Alles, was ich wollte, war, dir klar zu machen, dass dein Kind römischer Bürger sein wird und das auch immer sein wird, und eine Mutter hat, die ihr ganzes Leben in Rom gelebt hat und die weiß, welche Möglichkeiten sie da haben kann. Und ich werde dafür sorgen, dass sie diese Möglichkeiten hat. Auf ein gutes Leben, in Wohlstand, wo sie sich keine Sorgen machen muss um irgendwelche Stämme, die sie umbringen wollen, um kalte Winter auf dreckigen Böden zwischen dem eigenen Vieh. Damit DU nicht enttäuscht bist, wenn es so kommen wird, weil egal was du sagst, du dich immer noch in so eine keltische Hütte zurückwünscht.“
Vielleicht war ich grade wirklich nicht nett, aber er hatte mir weh getan, mehr, als ich zugeben wollte, und der Zorn darüber befeuerte mich. Zorn war einfacher als Schmerz, einfacher als ein zerbrochenes Herz und das Wissen, dass alles, was man sich erträumt hatte, verloren war. Oder vielleicht auch nie existiert hatte.

Ich trat von ihm weg und wandte ihm meine Seite zu. Zwischen uns war wohl alles gesagt und der Bruch zwischen uns wohl nicht mehr zu flicken. Ich wüsste zumindest nicht, wie das gehen sollte. Nicht, wenn ich ihm nicht vertrauen konnte, und das konnte ich nicht mehr.
Er fragte, ob er sein Kind halten durfte, und ich nickte nur und machte eine kurze, hilflose Geste. Ich wollte nicht mehr mit ihm reden. Wenn er das Mädchen halten wollte, dann durfte er das natürlich. Warum sollte ich ihm das verwehren? Ich hätte es mir bis vor einigen Augenblicken sogar sehr gewünscht. Bis er sich entschieden hatte, alles wegzuwerfen, wegen seines Stolzes.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Licinianus Owain - 03-08-2024

Es war ein Fehler, mich zu rechtfertigen und weiter auf sie einzureden. Ihre Vorwürfe prasselten auf mich ein wie Regentropfen auf einen Schirm. Ich ließ sie reden, jedes ihrer Worte ein Schlag in die Magengrube. Obwohl ich manchmal kurz davor war, mich zu verteidigen, hielt ich inne. Ich war in ihren Augen der Schuldige hier. Sicherlich trug ich auch an einigen Dingen die Schuld, doch sie war auch nicht ganz unschuldig. Ihr Verhalten und ihre Worte hatten mich in diese Situation gedrängt. Doch das wollte sie nicht einsehen. Ich hatte keine Kraft mehr zum Streiten. Es würde immer so weitergehen, ohne Ende.
Ich ertrug alles und schluckte meine Gefühle hinunter. Alles, was mich verletzte und tiefe Wunden riss, nahm ich in mich auf. Es war nicht das erste Mal, dass alles, was mir wichtig war, zerstört wurde. Ich kannte dieses Gefühl. Ein furchtbarer Schmerz, als würde alles in mir auseinanderbrechen. Ich versuchte, standzuhalten.

Als sie endlich fertig war, fühlte ich mich wie ein geprügelter Hund. Ich sah zu Aglaia auf und hoffte, sie würde meiner Bitte nachkommen. Sie vermied es, mich anzuschauen, aber sie nickte und gab mir die Erlaubnis. Ich setzte mich vorsichtig an den Rand ihres Bettes und nahm das Kind in den Arm. Es war noch so klein und zart und unschuldig und es atmete ruhig. Sein Anblick brachte mich zum Weinen. Bittere Tränen, weil ich wusste, dass ich sie wahrscheinlich nicht wiedersehen durfte. Ich hatte mich so auf unser Kind gefreut! Ich küsste die Kleine sanft auf die Stirn und sprach leise mit ihr und war irgendwann dann unbewusst in meine Muttersprache gerutscht. Als sie ihre Augen öffnete und mich ansah, musste ich trotz meiner Tränen lächeln. "Sie ist wach und sie schaut mich an!", sagte ich leise. Meine Stimme war voller Aufregung. Die Kleine schaute mich kritisch an, schloss dann aber wieder ihre Augen und schlief weiter. Ich hielt sie noch eine Weile in meinem Arm und wiegte sie sanft. Ich wollte dieses kleine Bündel nicht mehr loslassen. Ich hätte so gerne hier bleiben wollen, aber ich wusste, ich war nicht mehr willkommen. Ich küsste unser Mädchen noch einmal auf die Stirn und weinte leise. Schließlich gab ich sie ihrer Mutter zurück und wischte meine Tränen weg.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 03-09-2024

Ich fühlte mich elend. Ich hatte gehofft, wenn ich meinem Zorn freien Lauf lassen würde, würde es mir besser gehen, aber das stimmte nicht. Im Grunde fühlte ich mich gerade einfach nur ziemlich leer, abgesehen von dem Schmerz in meiner Brust an der Stelle, wo für etwa ein Jahr etwas anderes gewesen war, dass jetzt herausgerissen worden war und nur dieses klaffende Loch hinterlassen hatte.
Ich wagte nicht, zu Owain und unserer Tochter zu schauen, da ich wusste, dass es die Wunde nur verschlimmern und noch mehr schmerzen würde, weil es eigentlich das war, was ich mir gewünscht hatte: Eine Familie für unser Kind. Einen Vater, der für sie da war und einstand. Ein wenig normales Leben und ein sicherer Hafen, an den ich mich zurückziehen konnte. Und zu wissen, dass nichts davon jemals wirklich real war und niemals eintreffen würde, war schmerzhafter, als ich mir vorgestellt hatte.

Ich wischte mir hastig ein paar Tränen weg, als Owain unser Kind in den Arm nahm und anfing, mit ihr zu sprechen. Ich hatte keine Ahnung, was er ihr sagte, aber es klang süß und weich und sanft. Als er erstaunt meinte, sie würde ihn ansehen, musste ich den Klos in meinem Hals hart herunterschlucken. “Sie hat lange darauf gewartet, dich zu sehen“, antwortete ich nur ebenso leise und wischte noch einmal den Rand meiner Augen entlang, ohne mich umzublicken.
Irgendwann hörte ich, dass er aufstand, und merkte, dass er mir das Kind übergeben wollte. Ich nahm sie vorsichtig entgegen, und auch das war verdammt hart. Ihm so nahe zu sein, diesen leichten Geruch nach Asche an ihm zu riechen, und doch zu wissen, dass es nie wieder wirkliche Nähe zwischen uns geben würde.
Ich wiegte das winzige bisschen Mensch in meinen Armen, und ein Moment des Schweigens entstand. Ich merkte, dass ich sehnsüchtig wurde, aber ich wusste, dass das nicht helfen würde, also trat ich ein wenig zurück und ging ein wenig mit dem Kind auf dem Arm herum.
“Ich werde mit ihr nach Londinium gehen. Da.. da hat sie mehr Möglichkeiten“, sagte ich, weil ich es unfair fand, wenn ich einfach gehen würde und Owain nicht wusste, wo sein Kind geblieben wäre. Ich fand, er sollte das wissen.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Licinianus Owain - 03-10-2024

Was hätte ich darum gegeben, hier bleiben zu können. Ich sehnte mich nach ihrer Nähe und ach unserer Tochter. Warum konnte ich Aglaia nicht einfach, so wie früher in den Arm nehmen, sie küssen und mich zu ihr ins Bett legen?  Früher war alles so leichter, so selbstverständlicher gewesen. Aber in den letzten Tagen hatten sich schier unüberwindbare Barrieren zwischen uns aufgebaut, so dass eine Normalität, so wie wir sie gekannt und geliebt hatten, einfach nicht mehr möglich war. Auch, wenn sie vielleicht noch etwas für mich empfand, spürte ich deutlich ihre Abneigung, die zugleich eine Aufforderung war, nun endlich zu gehen. So erhob ich mich schweren Herzens, während meine Tränen einfach kein Ende nehmen wollten. Sie erhob sich auch und trug das kleine Bündel in ihrem Arm umher. Ehe ich nun wirklich ging, blieb ich kurz direkt vor ihr stehen, so dass sie mich zwangsläufig anschauen musste. "Bevor ich gehe, sollst du wissen, dass ich dich über alles liebe. Dich und unser Kind. Und ich werde niemals aufhören, euch beide zu lieben, so lange ich lebe." 
Dann wandte ich mich zum Gehen ab. Auf dem Weg zur Tür hielt ich kurz inne, als sie mir noch eröffnete, mit unserem Kind nach Londinium gehen zu wollten. Das versetzte mir einen letzten Stich ins Herz, der noch viel mehr schmerzte, als alles andere. Ich nickte nur und eilte dann schnellen Schrittes zur Tür, als wolle ich die Flucht ergreifen.

Hastig verließ ich die Casa Liciniana, führte meinen Esel ein Stück durch die kalte Nacht, bis ich Iscals hinter mir gelassen hatte. Draußen, vor den Toren der Stadt, sank ich auf meine Knie und stieß deinen lauten furchterregenden Schrei aus, der trotz allen nicht all das Leid ausdrücken konnte, das ich gerade empfand.
Schließlich ritt ich im Schein des Mondes zurück nach Cheddar.