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Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Druckversion

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RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Narcissus - 01-16-2024

Aglaia verhielt sich ganz anders als erwartet. Erwartet hatte er Gleichgültigkeit, vielleicht Widerspruch oder Geschrei. Am meisten war er davon ausgegangen, dass sie es wortlos hinnahm. Aber das...
Es war bezeichnend, mit welcher Wucht eines Hammerschlags die Erkenntnis auf ihn eindrosch, dass er... sich wohl geirrt hatte. Es waren die Worte, nach denen er sich gesehnt hatte im letzten Jahr. Ihm wurde klar, dass er Aglaia niemals im Stich lassen konnte. Er liebte sie so sehr, die Frau, die ihm mehr Familie gewesen war als je sonst einer zuvor. Während er beobachtete, wie sie sich wieder niederließ, spürte er eine Wärme, die ihm im letzten Jahr abgegangen war.
Er fuhr sich mit dem Handrücken über die feuchten Augen und ließ sich wieder auf den Stuhl nieder. Jetzt fühlte er sich ziemlich verlegen wegen der Nummer.
"Mann... Ich war echt peinlich, hm?", fragte er schniefend. "T-Tut mir leid... Ich war so eklig zu dir. Ich... Ich bin nur so dünnhäutig geworden in letzter Zeit. Seit der Geschichte mit diesen verfluchten Statuen...
Ich glaube, ich war einfach eifersüchtig auf dich und Owain... Und dann verbringe ich noch Wochen damit, mir von dem Furier sagen zu lassen, wie dumm ich bin... Der Kerl denkt, ich gehöre ihm, weil er diese Statuen von mir hat machen lassen."
Saturninus. Er kochte immer noch vor Wut wegen der verpatzten Nacht. Er hatte Aglaia bislang noch nicht erzählt, was geschehen war, denn er war immerhin ihr Gönner. Er selbst hatte seitdem nicht mehr mit ihm gesprochen, obwohl er sich fragte, ob er nicht übertrieb.
"Ich hab dich vermisst, weißt du das?", fragte er schließlich. "Du bist das eheste, das ich zu einer Schwester habe und wenn du nicht da wärst... Dann wär ich ganz allein."


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 01-17-2024

Ich lachte, zum Teil auch, um die etwas peinliche Situation mit Humor zu überspielen. “Oh, nicht das böse S-Wort sagen! Wir haben ein paar Dinge gemacht, die Geschwister nicht tun sollten, und ein paar, die Geschwister wirklich, wirklich nicht tun sollten“, meinte ich scherzend und hoffte, dass es die Situation ein wenig auflockerte.
“Weißt du noch, damals auf der Straße, als ich dich aufgegabelt habe?“ Das war schon echt eine ganze Weile her. Wir waren jung gewesen. Sehr jung. Definitiv war ich zu jung gewesen, um schon so große Entscheidungen zu treffen und mit Männern, die viermal so alt wie ich waren, ins Bett zu gehen, um ihnen Gefallen abzuringen. “Ich hab dir versprochen, dass wenn du mitkommst, du deinen Lebensunterhalt immer verdienen können wirst und dass du dann immer einen Platz hast. Ich halte meine Versprechen, Narcissus. Zumindest alle, die ich halten kann.“
Ich atmete einmal tief durch, weil der Schwermut sich doch nicht mehr so einfach wie früher abschütteln ließ. Lag auch an mir und meinen Gedanken. “Und falls das mit Owain doch in die Brüche geht, hoffe ich, dass du dann für mich da bist, wenn ich dich brauche.“ Ich schaute auf das kleine Würmchen auf dem Bett, das wirklich wie ein verfluchter Stein schlief und durch nichts aus der Ruhe zu bringen war. Ich hatte wohl echt Glück. Zumindest im Moment. Und ich hoffte, dass Owain doch einsah, dass er mir helfen sollte, das Kind zu beschützen, aber er mich deshalb nicht einsperren konnte. Ich brauchte es, mein eigenes Geld zu verdienen und mein eigener Herr zu sein. Ich hatte so lange so wenig entscheiden können, dass ich mich nun nicht mehr herumkommandieren und einschränken lassen wollte, wo ich mich endlich von meiner Mutter finanziell und charakterlich getrennt hatte.

Ich atmete nochmal durch und schaute Narcissus an. “Und was war jetzt mit Furius Saturninus?“ Ich war Narcissus nicht böse, dass er ihn sich geschnappt hatte. Aber lustig war es schon, dass der eine Patrizier hier das ganze Haus für sich beanspruchte. Kiki hatte einen vertrag, den er nie in Anspruch nahm, Narcissus hatte keinen, wurde aber wohl häufig in Anspruch genommen, und ich hatte keine Ahnung, ob er noch einmal zu mir kommen wollte. “Du weißt ja, wie Patrizier so sind. In der Provinz sind sie da wohl noch ein wenig schlimmer. Aber dumm musst du dich nun wirklich nicht nennen lassen.“


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Narcissus - 01-17-2024

Narcissus nickte gemessen.
"Aye, du hast es versprochen und so ist es gekommen. Ich glaube, ohne dich wäre ich längst tot oder so. Ich hatte damals die Wahl zwischen dem Gebrauch meiner flinken Hände und meinem Gesicht. Hätte ich die Hände genommen, wären sie vermutlich jetzt ab. Dank dir habe ich es zu Wohlstand gebracht."
Mit mildem Blick sah auch er auf das Kindlein herab, das in all dem Tumult seelenruhig geschlafen hatte. "Und sollte Owain wirklich derart geistig umnachtet sein, dass er eure Ehe in die Brüche gehen lässt, dann tu ich alles, um zu helfen. Aber ich glaube fast, du musst dir bei ihm nicht solche Sorgen machen."
Wie er Owain einschätzte, war er ehrenwert. Zwar etwas verstockt, das war das Problem mit ehrenwerten Männern, aber sicher nicht dumm. Vielleicht sollte er sich den Mann einmal zur Brust nehmen, damit der nicht noch den schlimmsten Fehler seines Lebens machte.
Insgeheim konnte sich Narcissus gut in Owain hineinversetzen. Als nun freier Mann und aufstrebender Künstler würde er einiges Gemurre ertragen müssen, wegen seiner wenig konventionellen Frau.
Doch, dachte Narcissus, darauf hatte er sich schließlich eingelassen. Es hatte ihm die Freiheit und vermutlich auch Wohlstand beschert. Er konnte sich wirklich nicht beschweren.
"Ich versprechs, meine Liebe. Wenn du mich brauchst, bin ich da."

Er lehnte sich zurück. Die Anspannung war einstweilen gewichen und es war für einen Moment wieder wie früher.
"Oh, du willst wissen, was 'Satiiii' gemacht hat?", schnaubte er amüsiert und noch immer ein wenig pikiert. "Nun, es war, als er diese Statuen anfertigen lassen wollte. Du weißt schon, die von Owain. Nun, nachdem er einen Sklaven bestraft hat, weil er es gewagt hat, mich anzusehen und deinen Mann beleidigte, hat er mich auf sein Zimmer mitgenommen. Zuerst ging auch alles gut, abgesehen von seinen üblichen Sprüchen, du weißt schon. 'Du bist zu schön, du brauchst nicht zu denken'. Ich hasse es, wenn sie das machen.
Ich erzählte ihm also ein paar interessante Dinge, gab ihm ein paar Auskünfte und aus meiner Sicht wirklich kluge Kommentare - auf seine Nachfrage übrigens, nicht ungefragt. Da packt er mich plötzlich im Genick, wie du einen räudigen Köter greifen würdest und fordert von mir, ihm sofort alles lückenlos preiszugeben, denn ich sei ja unerwarteterweise doch nicht so blöd, also muss hinter mir ja mehr dahinterstecken. Er befahl es mir geradezu.

Ich hab prinzipiell nichts gegen die härtere Gangart, solange sie abgesprochen ist. Aber dass sich einer aufführt, als würde ich ihm gehören, das ist mir noch nicht untergekommen. Nun, keine Sorge. Ich habe ihn nicht geohrfeigt, unser Haus bleibt also stehen. Ich hab allerdings nicht vor, den Mistkerl in nächster Zukunft nochmal an mich ranzulassen... Mist, ich sollte ihm vermutlich seine Geschenke zurückschicken. Am besten mit einem gepfefferten Brief. Wird ihn überraschen, dass ich überhaupt schreiben kann."
Narcissus wusste, dass es ein wenig so war, als würde er einem schlafenden Zyklopen ins Auge stechen, doch im Augenblick erfreute er sich an der Fantasie, dem vorwitzigen Freier einmal gehörig die Meinung zu pusten!


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 01-18-2024

Es war gut zu hören, dass Narcissus für mich da sein würde, wenn Owain doch völlig stur bleiben würde. Ich lächelte ihm leicht zu und fühlte mich ein wenig leichter.

Und dann hörte ich zu, was Saturninus jetzt getan hatte, und, naja, er hatte sich wohl wie ein patrizischer Arsch benommen. Und versucht, Narcissus zu erpressen und Informationen zu fordern, die nicht sein eigen waren und auf die er so keinen Anspruch hatte. Ich rümpfte leicht die Nase, da das wirklich etwas war, womit sich unsere Gönner sehr unbeliebt machen konnten. Wir waren nicht ihre Sklaven, denen sie Befehle erteilen konnten, egal, was sie auch sonst für uns taten. Man konnte uns nie ganz kaufen, und genau das war auch unser Reiz. Saturninus hatte das wohl in dem Moment vergessen und sich ziemlich rüpelhaft benommen. So sehr, dass Narcissus sogar darüber nachdachte, Geschenke zurückzugeben.
“Oder...“ sagte ich und zog das Wort dabei in die Länge, als er meinte, er wolle einen Beschwerdebrief schreiben. “… du behältst die Geschenke und ignorierst ihn jetzt. Wenn er nach dir fragt, hast du für ihn keine Zeit, während du fröhlich mit anderen flirtest und dich beschenken lässt. Soll er ruhig spüren, dass du andere haben kannst. Wenn du ihn richtig ärgern willst, flirtest du nochmal mit Tribun Iulius, den kann er nicht ausstehen. Soll er sich bemühen, dich zurück zu bekommen, wenn er dich will. Und wenn er so ein Idiot ist, dass er dich nicht mehr haben will, dann hast du wenigstens noch seine Geschenke als Aufwandsentschädigung.“
Geschenke zurückgeben, nein, soweit kam es gerade noch! Man machte jemandem wie uns nicht Geschenke, um uns zu bezahlen, sondern um unsere Gunst zu erlangen.  Da wurde nichts zurückgegeben.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Narcissus - 01-18-2024

Narcissus lachte.
"Oh, Aglaia. Deshalb bist du die Beste. Du hast die besten Ideen. Ich habe das Gefühl, für ihn ist es eine unmenschliche Strafe, wenn er ignoriert wird. Er sieht sich ja so gern als Held und Retter. Er umgibt sich mit dieser Illusion, sodass ihm nie selbst der Gedanke kommen könnte, dass er nicht die edle Hauptperson in seinem eigenen Stück ist."
Aus Narcissus sprach der Zorn. Saturninus konnte sehr süß und zuvorkommend sein. Doch in solchen Fällen zeigte sich sein wahres Gesicht. Er war wie jeder Patrizier machtgeil, verbohrt und konnte sehr gemein werden.
"Hach, ich hätte viel früher was sagen sollen. Er genoss es geradezu, Owain zu provozieren. Eigentlich glaube ich fast, er vergab diesen Auftrag nur an ihn, um ihm nochmal die Verhältnisse klarzumachen. Er weiß genau, was er zu deinem Mann sagen muss. Ich glaube, viel hätte nicht mehr gefehlt und die beiden hätten sich geprügelt. Du, Aglaia, musst ein wenig Sirenenblut in dir haben, weißt du das?"


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 01-19-2024

Narcissus war wegen der Sache wirklich angefressen. Ich meine, ich verstand ihn ja, es war nie toll, als hübsches, aber dummes Accessoire angesehen zu werden. Erst recht nicht, wenn die Typen übergriffig wurden und Besitzansprüche stellten. Würde mich ein Kerl wie eine Sklavin behandeln, ich würde auch toben. Und mir sehr genau überlegen, ob ich den Kontakt fortsetzen. Zumindest, seitdem ich wirklich Herrin über mich selbst war.

Dann aber erzählte er etwas, was mich wirklich die Stirn runzeln ließ. “Er hat Owain provoziert?“ fragte ich nach, da ich nicht sicher war, es richtig verstanden zu haben. Aber das würde Owains komisches Verhalten seit einiger Zeit zumindest in Teilen erklären.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Narcissus - 01-20-2024

Wieso nur überraschte es ihn nicht, dass Owain ihr davon nichts verraten hatte? Dem armen Kerl schien es furchtbar wichtig zu sein, sein Gesicht nicht zu verlieren.
Narcissus holte Luft und zuckte mit den Schultern.
"Nun, du kennst ihn ja. Er betonte mehrfach, dass Owain im Grunde nicht deine Kragenweite sei, er froh sein sollte, dass er überhaupt da ist, wo er ist und keinesfalls erwarten könne, dass er, Saturninus, dich nicht nach deiner Niederkunft genauso beanspruchen wird wie zuvor. Es machte ihm eine diebische Freude, deinem Mann klarzumachen, wer seiner Meinung nach mehr von dir hat.
Ich hatte nicht gedacht, dass er gar nichts sagt. Obwohl, wie ich ihn einschätze, ist es wohl doch nicht überraschend. Ich hab versucht, Saturninus so weit abzulenken, dass er es sein lässt, damit Owain gehen konnte. Es war ihm wirklich sehr unangenehm."


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 01-21-2024

Owain hatte erzählt, dass er einen kleinen Streit hatte, aber hiervon wusste ich in diesem Ausmaß nun wirklich nichts. Das klang mir sehr neu, und auch, wenn die Schwangerschaft mich wirklich verdammt vergesslich gemacht hatte, war ich mir recht sicher, dass er mir das so nie erzählt hatte. Und Saturninus auch nicht. Wer mich gut kannte, wie Narcissus, konnte mir sicher ansehen, dass ich absolut nicht amüsiert deshalb war.
“Ach, wird er das?“ fragte ich schnippisch, als Narcissus sagte, Saturninus wollte mich genauso beanspruchen wie zuvor. Oh, vielleicht wollte er das. Ganz sicher sogar. Aber ob er das würde, war gerade sehr, sehr zweifelhaft geworden. Ich erlaubte meinen Gönnern ja vieles, aber diese Art Eingriff in mein Privatleben zählte da dann nicht wirklich dazu.
“Danke, dass du Owain geholfen hast, Narcissus, aber ich fürchte, dass ich jetzt mein eigenes Hühnchen mit diesem Esel von Furius zu rupfen habe“ grummelte ich deutlich angepisst.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Narcissus - 01-21-2024

Oh, Narcissus sah die kleinen Veränderungen in der Mimik seiner Freundin, die ihren Unmut über das Gehörte verrieten. Er konnte nicht behaupten, dass es ihm für den Furier leid tat, dass er ihm mit Aglaia wohl die Tour vermasselte. Immerhin sähte den Sturm, wer Wind erntete. Und Aglaia war nun nicht umsonst dafür bekannt, eine wahre Naturgewalt zu sein.
"Oh, dein Mann wird schon zurechtkommen, wenn er wieder bei dir ist und bei dem kleinen Würmchen. Aber ich sehe es wie du. Der Furier kann eine kleine Lektion in Sachen Anstand brauchen. Ich habe tatsächlich noch ein paar alte Armspangen aus Rom... oder hat sie mir etwa der werte Iulius Cato geschenkt? Wer weiß? Also, ich bin inzwischen für jede Schandtat zu haben."


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 01-27-2024

Oh ja, der Furier brauchte wohl tatsächlich eine kleine Lektion in Sachen Bescheidenheit und Anspruchshaltung. Ich würde mir definitiv sehr genau überlegen, ob und wie ich ihn wieder zu meinem Kundernkreis zählen lassen wollte. Naja, vorausgesetzt den Fall, er wollte überhaupt noch. Aber trotzdem, für mein Gemüt war die Vorstellung gerade ganz nett, ihn erst einmal abblitzen zu lassen.
Jetzt gerade kam mir auch die Gelegenheit bei der Feier des Stadthalters wieder in den Kopf, wo er entgegen meiner Bitte Owain eingeladen hatte. Damals hatte ich dumme Nuss ihm geglaubt, dass das nur deshalb war, weil jemand nach ihm und seiner Arbeit gefragt hatte. Jetzt mit der Information von Narcissus vermutete ich doch eher wieder die Gründe, die meinem ersten Instinkt auch entsprochen hatten: Dass er Owain eifersüchtig machen wollte. Oh, dieser Schuft!

Ich steigerte mich gerade richtig schön hinein, als das Würmchen anfing, sich zu rühren. Ach, verdammt. Ich wusste, was gleich kommen würde, wenn es anfing, sich zu winden. “Narcissus, könntest du mir einen Gefallen tun? Wenn du gleich flüchtest, würdest du in die Stadt gehen und mir eine Amme besorgen? Ich zahl das natürlich. Am liebsten eine freie, aber zur Not auch eine Sklavin. Nur in den nächsten tagen brauch ich sie. Dringend“, sagte ich, als das kleine Wesen auch schon anfing, die Beine anzuziehen, ehe es hörbar unter den Stoffen zu gluckern anfing, und kurz darauf, dezent zu stinken. Ich erhob mich währenddessen schon und kramte nach den Tüchern, die die Hebamme dagelassen hatte, um das Kind zu wickeln, und hatte schon jetzt das Gefühl, davon zu wenige zu haben, während das Kind die Augen aufmachte und anfing, zu jammern und zu weinen.