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Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Druckversion

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RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Narcissus - 01-11-2024

Narcissus war erleichtert, dass Aglaia ihn hereinbat und auch noch lächelte. Er sah im Augenblick nicht viele Leute lächeln. Die Stimmung in dieser Stadt ging vor die Hunde, schon seit das Geschäft des Tuchhändlers abgefackelt worden war. Er hatte Saturninus von der Stimmung der Leute berichtet, doch so charmant er manchmal sein konnte, so kurzsichtig war er, wenn es darum ging, das geistige Potenzial seiner Mitmenschen einzuschätzen – vor allem derer, die unter seinem Stande waren. Auch wenn er im Augenblick die wunderschönen Schlangenarmreife trug, die der Furier ihm geschenkt hatte, war ihm dies schmerzlich bewusst. Er war ein hübsches Gesicht, nicht mehr, das für dumm gehalten wurde und seinen Mund zu halten hatte, wenn es um wichtige Dinge ging. Und bei anderen Männern hätte ihn dies vermutlich nicht gestört. Er war nicht verliebt oder so, aber da Saturninus sich so gern als Freund und Gönner aufspielte, hatte er wohl begonnen, ihn als solchen zu betrachten. Hach, im Augenblick fühlte er sich wohl von allen unverstanden… Dünnhäutig war er, denn auch ihm zehrte das alles an den Nerven. Die Gefahren dieser Stadt, die miese Stimmung oder die Tatsache, dass seine Sozialkontakte sich zumeist aufs Stöhnen beschränkten, da sich Freunde und Bekannte bekanntermaßen nicht mehr die Klinke in die Hand gaben, um ihn zu sehen.

Leise wie ein Schatten kam er auf das Bett zu, nachdem er die Tür geschlossen hatte. Er nahm Platz auf einem Korbstuhl neben dem Bett. Früher hätte er sich wohl darauf gesetzt, doch er wollte das Kind nicht durch die Bewegung wecken. Außerdem war die alte Nähe verflogen. Ein wenig wie Eis in der Sonne.
„Sie ist wunderhübsch“, sagte Narcissus. Sagte man das so? Er hatte keine Ahnung, was man da sagte. Er kannte keine Babies. Klar, es war… süß, schätzte er, aber der Anlass verlangte wohl nach einem Kompliment und nicht nach einem ‚Oh Götter, ist das da wirklich aus dir rausgeflutscht?‘. Doch er lächelte. Das bekam er hin. Ein einfaches, ehrliches, nicht anzügliches Lächeln, das selten jemand sah. Denn die Wahrheit lautete schlicht und einfach, dass die meisten Menschen andere Ausdrücke bei ihm sehen wollten.
Nun. Es war eine schöne Sache. Er hatte nie geglaubt, mal Aglaia mit einem Kind zu sehen. Und er glaubte bis heute nicht, dass er je eines haben würde.
So leise es ging, richtete er sich in dem Stuhl etwas bequemer zurecht. Nach seinem letzten Kunden tat ihm etwas der Hintern weh. Na gut, etwas sehr. Nicht weil er besonders gut bestückt gewesen wäre, aber er hatte da eine spezielle Vorliebe für Holzpaddel gehabt…
„Wie geht es dir? Ich kann ja nicht behaupten, dass ich Ahnung von Geburten habe, aber ich hab gehört, sie wären einigermaßen anstrengend.“


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 01-12-2024

Ich zog eine Augenbraue hoch, als er sich setzte und meinte, meine Tochter sei so hübsch. Deshalb, und weil er probleme mit dem Sitzen hatte. Ich warf ihm eines meiner unzähligen Kissen zu, damit er es sich bequemer machen konnte. “Sie sieht aus, wie eine Backpflaume“, meinte ich und schaute auf das Kind. “Eine süße Backpflaume, aber trotzdem. Hast du schonmal jemanden SO schlafen sehen?“ Ich war immer noch fasziniert davon. Das Kind lag platt auf dem Rücken, die Hände zu Fäusten geballt links und rechts vom Kopf, und es rührte sich wirklich abgesehen vom Atem so gar nicht. Es war faszinierend, wie das funktionierte.
Ich hoffte, dass Narcissus aber den Wink auch verstand, dass er weiter ehrlich mit mir sein sollte. Ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er Babies nicht per se niedlich fand. Ich ja auch nicht. Und ich hatte auch schon oft genug vorheucheln müssen, wie toll doch irgendwelche Kinder wären, obwohl ich dazu nicht so wirklich einen Bezug hatte. Ich war sicher nicht die perfekte Mutter, die alle Kinder sofort betüddelte.

Er fragte, wie es mir ging, und ich lächelte ein wenig gequält. Bei Narcissus musste ich mich nicht verstellen und alles überspielen. Ich hoffte zumindest, dass es noch so zwischen uns war. “Anstrengend ist gut. Ich erspar dir die ekligen Details. Stell dir einfach vor, du müsstest einen Backstein kacken. Und ich meine nicht so einen netten kleinen, wie manche ihn für Häuser nehmen, ne ne, ich mein die großen für den Tempelbau.“ Dieses Bild traf es wohl am ehesten. Ich seufzte. “Ich werd wohl eine Weile brauchen, biss ich wieder vorzeigbar aussehe. Und ich brauch dringend eine Amme für das Kind.“ Wieder eine kurze, stille Pause voller Gedanken, ehe ich tief durchatmete und das sagte, was mich wirklich beschäftigte.
“Owain will, dass ich aufhöre zu arbeiten.“ Ich wartete erst, wie Narcissus reagieren würde, weil ich seine Meinung wissen wollte, ehe er von meiner beeinflusst würde.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Narcissus - 01-12-2024

Narcissus fing das Kissen geübt auf und nickte Aglaia dankbar zu, ehe er ihr schmunzelnd zuhörte und dabei einlenkend nickte.
„Nun – ja. Sie ist total verschrumpelt. Wie Dörrobst. Aber, liebste Freundin, wenn sie nach dir und ihrem Papa kommt, wird sie ein wunderhübsches Ding, das kann ich garantieren. Und klar schläft sie wie ein Stein. Sie ist ja auch noch nicht erfüllt von Sorgen oder Problemen, die man als Großer hat.
Ich hab aber gehört, das kann auch genauso gut umschlagen. Wie eine ruhige See, die plötzlich vom Sturm gepeitscht wird, können Kinder von jetzt auf gleich losheulen, dass die Hölle losbricht.“
Er hatte schon kreischende Kinder gehört. Die waren vor allem lästig, wenn Mami gerade Spaß hatte – mit ihm.
Narcissus bedachte das kleine Pfläumchen mit einem liebevollen Blick, während Aglaia ihm die fäkalen Eigenheiten von Tempel-Backstein erläuterte. Er ahnte, dass es nicht das war, worauf sie eigentlich hinauswollte und wurde nicht enttäuscht. Sie rückte sogar recht schnell damit heraus, dass Owain ihre Arbeit nicht gefiel. Er beschloss, die eigenen Sorgen erst einmal nicht zu erwähnen, seufzte und nickte.
„Ja, ich hab mir schon gedacht, dass das irgendwann zum Thema wird“, sagte er altklug. Tatsächlich war es nur eine Frage der Zeit gewesen, wenn man ihn fragte. Doch anstatt ihr dies weiter aufs Brot zu schmieren, fuhr er einfach fort: „Und das… stört dich, ja?

Nun. Du bist ja jetzt schon ein paar Monate aus dem Geschäft raus, daher lass mich dir einmal auf die Sprünge helfen. Ich bin es ja durchaus gewohnt, mit Menschen zu tun zu haben, die gerne ‚Ich, Ich, Ich‘ schreien. Und im Augenblick habe ich es gleich mit zweien zu tun. Da haben wir einmal Owain, der wütend ist, weil DU ihm nicht treu bist und da haben wir dich, die wütend ist, weil er DEINE Bedürfnisse ignoriert, auf eigenen Füßen zu stehen. Und keiner von euch fragt sich, was denn nun der andere denkt.
Nun bin ich kein Experte, aber manche Leute behaupten, ich wäre ja sowas wie ein Mann, also versuche ich dir einfach mal zu erklären, wie er wohl die Sache sieht.
Stell dir doch einmal vor, dein Owain läuft rum und kriecht regelmäßig in anderer Frauen Betten. Du weißt nicht, mit wem er zusammen ist. Ob die ihm vielleicht nicht sogar besser gefällt, als du. Oder vielleicht verärgert er mal den falschen Ehemann und fängt sich eine oder wird im Fluss ertränkt oder sowas. Er kommt alle paar Tage mal zu dir heim, riecht vielleicht noch nach anderer Frau, war vielleicht eben noch in einer drin. Merkst du jetzt, wie wir Männer denken? Der Mann hat Angst, dich zu verlieren oder dir nicht zu reichen. Unsereins kommt sich dann wie ein Versager vor. Und ich meine, ihr habt euch beide zu dieser Verpflichtung entschlossen, wollt zusammen und zudem noch Eltern einer kleinen Tochter sein. Da wärs doch das mindeste, den anderen wenigstens mal anzuhören. Ich sage dir sicher nicht, was du tun sollst, aber du sagtest mir doch selbst einmal, dass du durch deine Mutter zu dieser Arbeit gezwungen wurdest. Und falls du dich dazu entschließen würdest, nicht mehr als Hetäre zu arbeiten, heißt das ja nicht, dass du ein braves Heimchen am Herd werden müsstest. Du bist wohlhabend und intelligent. Du könntest sicherlich ein Unternehmen gründen, das profitabel ist (, auch wenn Owain vermutlich für dich unterschreiben müsste, was er aber sicherlich gern täte).

Wie gesagt, ich will niemandem sagen, was er tun soll. Ich könnte Owain einen ähnlichen Vortrag halten, aber der ist gerade nicht hier, daher war all mein Tadel heute für dich reserviert.“
Narcissus‘ Tonfall veränderte sich und wurde leiser, melancholischer.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 01-12-2024

Ich hätte nicht gedacht, dass Narcissus mir so in den Rücken fallen würde. Ich hörte ihm zu, wie er versuchte, mir ein schlechtes Gewissen einzureden, aber seine Argumente verfingen da bei mir nicht. Owain dürfte meinetwegen mit anderen schlafen. Das störte mich nicht. Es hatte mich auch bei Narcissus nie gestört, und der hatte nun nicht nur nach anderen Frauen gerochen, was seine Verrenkungen auf dem Korbsessel auch gerade nochmal unterstrichen.Aber ich war da nicht eifersüchtig oder hatte Angst. Ich wusste, dass die meisten Leute das so empfanden, was sehr viele Ehefrauen mir schon klargemacht hatten, aber bei mir war das halt nicht so. Sex war nur… Sex. Und das, was ich mit den Männern hatte, war im Grunde da noch weniger als das, denn es war da nichtmal so, dass ich das tat, weil die mir so gefielen und ich so scharf auf sie wäre. Und eigentlich hatte ich gedacht, dass Narcissus das mehr verstehen würde.

“Ja, es stört mich. Sehr sogar. Es ist nicht so, als ob ich seine Gründe nicht verstehen könnte, so vom normalen, biederen Standard aus betrachtet. Keine Frage, die meisten Leute wünschen sich dieses einfache Familienidyll mit dem starken Mann, der seine Familie verteidigt. Ich will ja nicht sagen, dass mir das nicht auch gefallen würde.
Aber jetzt mal ehrlich, wenn ich DIR erzählen würde, du dürftest nicht mehr arbeiten und solltest dir doch bitte eine ehrbare Arbeit ab jetzt suchen, wie würde dir das gefallen? Jetzt ganz ehrlich?“

Ich atmete einen Moment durch und besah mir das Kind. “Ich kann und werde für meine Tochter sorgen und dafür, dass sie eine echte Wahl hat. Dass sie dieses Familienidyll haben kann, wenn sie sich dafür entscheidet. Mit einem ehrlichen Mann und all dem. Aber ich will mir keine Ketten anlegen lassen. Ich bin gut in dem, was ich mache. Und das weißt du auch. Und ich will mich frei entscheiden für das, was ich tun will. Nicht weil meine Mutter oder Owain an mir zerren und mich zwingen wollen, sondern weil ich das so für mich entschieden habe.“


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Narcissus - 01-12-2024

Narcissus fühlte sich von ihrem plötzlichen Gefühlsausbruch etwas überfahren. Hier unterhielten sie sich seit über einem Jahr einmal richtig und gingen sich gleich an die Kehle.
Er hob beschwichtigend die Hände.
"He, ganz ruhig, Brauner. Ich hab dir nur erklärt, was er sich vermutlich dabei denken wird. Was du draus machst, ist deine Sache. Ich will dich zu gar nichts zwingen. Ist im Grunde auch nicht meine Angelegenheit."
Der letzte Satz war ihm rausgerutscht. Die Bitterkeit nagte noch ein wenig an ihm, auch wenn er versuchte, sich leutselig zu geben. Er wollte Aglaia jetzt nicht mit seinen Sorgen belasten, denn sie hatte ganz andere Probleme.
"Nun, über kurz oder lang werdet ihr zu einem Kompromiss finden müssen, jedenfalls, wenn ihr zusammenbleiben wollt. Für andere Leute - Leute, die das nicht so gut verstehen wie ich - ist Sex nun einmal etwas anderes als für uns. Sonst wär ich nicht von so vielen Ehemännern verprügelt worden."


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 01-13-2024

Für mein Empfinden hatte ich alles ganz ruhig gesagt, aber bei Narcissus war es wohl anders angekommen. Verdammte Schwangerschaft auch, sie hatte mich launisch werden lassen, wie es aussah. Dabei wollte ich nie so sein. Ich schnaufte einmal durch und sah zu dem Kind, während Narcissus weiterredete.
“Weißt du, es ist nicht so, als ob ich nicht verstehen würde, dass für die meisten Menschen Sex mehr bedeutet als für uns. Aber es ist einfach so anstrengend, so zu tun, als wäre das bei mir auch so. ich will mich da nicht verstellen müssen.“
Ich seufzte leicht und setzte mich anders hin. Ich fühlte mich immer noch irgendwie wund und aufgerissen, und verdammt, manche Sachen taten weh, die früher definitiv nicht weh getan hatten. Ich hoffte, dass sich das schnell wieder gab. “Ich liebe ihn, ehrlich. Aber manchmal frage ich mich schon, ob das alles eine so clevere Idee war.“
Ich schaute zu Narcissus, weil mir dieses Eingeständnis tatsächlich schwergefallen war, und auch wegen den Dingen, die ich gerade nicht sagte. Er und ich hatten auch unsere Zeit gehabt, und ja, häufiger hatten wir darüber geredet, dass wir doch heiraten sollten. Nicht, weil einer von uns unbedingt Kinder haben wollte, sondern einfach… ach, ich wusste nicht so wirklich, wieso. Und manchmal vermisste ich diese kindische Zeit mit ihren noch kindischeren Gedanken. Mit Narcissus war es leicht gewesen, solche Träume zu haben, da er genau wusste, wie ich war, was ich tat und womit ich mein Geld verdiente, und er damit fein war. So wie ich damit fein war, dass er genauso Geld verdiente. Dieses Selbstverständnis, diese Leichtigkeit, die Fehlte mir gerade sehr.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Narcissus - 01-14-2024

Narcissus fand Aglaia heute tatsächlich ein wenig bissiger als sonst, andererseits war er ohnehin empfindlicher geworden, was das betraf. Schweigend zog er eines seiner Beine an und legte seine Arme darum, das Kinn auf das Knie, und hörte sich Aglaias Probleme an. Aglaias Probleme...
Statt dem Gedanken zu erlauben, Fuß zu fassen, erlaubte er sich ein mildes Lächeln.
"Tja, das Kind ist jetzt, wie man so schön sagt, in den Brunnen gefallen. Äh, oder eher aus dir. Ich glaube das sind Dinge, über die diskutiert wurde, damals."

Nicht von ihm natürlich. Da sie beide über das Thema im Grunde gar nicht gesprochen hatten, hatte er nicht die Gelegenheit bekommen, diese Punkte anzubringen.
"Nun, Owain hat dir eine Menge zu verdanken. Und mit ihm gemeinsam hast du dieses kleine... Dingens... gemacht. Ihr seid zwei erwachsene Leute, da sollte man doch wohl zu einer Einigung kommen. Er mag dich wirklich. Für den Mann hat sich ein Traum erfüllt. Wundert's dich, dass er sich fragt, ob du ihn überhaupt liebst, wenn du's mit anderen Kerlen treibst?"
Ihn fragte ja keiner. Aglaia ging davon aus, dass er diese Arbeit gern machte - und hätte damit Recht! Aber wenn er die Chance bekäme, dieses Leben gegen Stabilität und den Einen ... oder die Eine einzutauschen, wer weiß...?
"Nun, letztendlich ist es deine Sache, was du mit Owain machst, aber ich würde dir raten, ihn nicht vom Kind fernzuhalten, wenn du nicht allein mit deiner Mutter um sie ringen willst. Wie heißt das kleine Würmchen überhaupt?"
Mit einem Seufzen lehnte er sich zurück und fuhr sich durch das Haar.
"Ach was soll's. Ich bin nur ne dämliche Hure, von mir erwartet keiner, dass ich mich mit solchen Dingen auskenne. Macht, was ihr für richtig haltet.", lautete sein Fazit, das von einer gewissen Bitterkeit durchdrungen war.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 01-14-2024

Ich warf Narcissus nur kurz einen Seitenblick zu, weil ein Ich hab’s ja gleich gesagt wirklich das letzte war, das ich jetzt gebrauchen konnte. Aber da ich nicht streiten wollte, ließ ich es auch bei dem einen, kurzen Blick und seufzte.
“Ja, es wundert mich. Ich meine, er wusste ja, was ich bin. Ich hab ja nie behauptet, irgendwas anderes zu sein.“ Und genau das war halt der Punkt, den ich nicht verstand, warum er damit jetzt ein Problem hatte, obwohl ich ihm nie vorgemacht hatte, etwas anderes zu sein, als ich war. Und wenn man ehrlich war, dann war ich ja bei weitem keine Lupa, die wirklich wahllos mit jedem vögelte. Ich hatte drei oder vier Männer, die ich um meine Finger wickelte, und mehr hätte ich zwar haben können, problemlos, aber wollte ich ja auch gar nicht. Ein Teil des Geschäftes war ja Exklusivität, und wenn mir ein Kunde genug zahlen würde, um mir das Leben so zu ermöglichen, wie ich mir das vorstellte, würde ich auch mit einem einzelnen durchaus vorlieb nehmen. Naja, wenn der Mann angenehm war und nichts perverses verlangte, hieß das.
Aber bei Narcissus klang das so, als würde ich es wirklich mit jedem dahergelaufenen Typen treiben. Und das musste er eigentlich besser wissen. Ja, meine Mutter behandelte uns immer so, als wären wir ein billiger Puff. Auch ihre Neuanschaffungen sprachen für mich da Bände. Noch ein Grund mehr, warum ich das deutlicher trennen wollte und mich von meiner Mutter schon finanziell gelöst hatte und gedachte, es auch räumlich zu tun. Aber das hieß nicht, dass ich nicht mehr arbeiten wollte.
“Warum denkst du, ich würde ihn von seinem Kind fernhalten wollen?“ fragte ich etwas verwirrt, da mir der Gedanke ja noch nicht einmal gekommen war, dass das eine Möglichkeit wäre. Ich sah auch keinen Grund darin, warum ich das tun sollte. Owain war der einzige Kerl, bei dem ich mir wirklich absolut und uneingeschränkt sicher war, dass er das Kind nicht ausnutzen wollen würde.
“Es hat noch keinen Namen. Owain wollte ihm irgendwas unaussprechlich keltisches geben, aber da sie römische Bürgerin sein wird, kriegt sie einen römischen Namen. Aber das müssen wir noch besprechen.“ War auch nicht ganz so wichtig, die Namenswahl. Sehr viele Menschen im römischen Reich, vor allen Dingen Römer, hatten nicht wirklich bedeutungsvolle Namen. Manche waren einfach durchnummeriert und hießen dann Maior oder Primus oder dergleichen.

Sein letzter Satz ließ mich dann aber endgültig stutzen. Er war nur eine dämliche Hure? Wer sagte denn sowas?! Ich ganz sicher nicht! Ich würde jeden hier im Haus in Grund und Boden stampfen, der sowas behauptete. Wie kam Narcissus darauf?
Ich blinzelte und schaute ihn mir einen Moment lang an. Ich war so mit meinen Problemen beschäftigt gewesen, dass mir das bislang gar nicht aufgefallen war, aber er war gerade irgendwie bedrückt. Oh, er kaschierte es gut, wie immer, aber ich kannte ihn eben auch gut. Deshalb legte ich einen Moment den Kopf schief und schaute ihn einfach nur schweigend an, ehe ich fragte: “Willst du mit mir darüber reden?“ Es war ein Angebot, kein Zwang und noch nicht einmal eine Bitte. Einfach nur das Angebot, dass er reden konnte, wenn er das wollte.


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Narcissus - 01-14-2024

Im Augenblick fand sich Narcissus selber eklig, weil er so fies zu Aglaia war. Nun, es stimmte irgendwie. An solche Risiken hätte sie in ihrem Beruf wirklich denken müssen und er war sich sicher, dass ihre Mutter sie vor sowas gewarnt hatte. Nur war Aglaias Verhältnis mit Olympias denkbar schlecht und so hörte sie schon aus Prinzip nicht auf die 'alte Hexe'. Er fand ja nicht, dass diese Beziehung nicht sein sollte. Aber an diese Fragen hätten beide vorher denken sollen. Dass Owain die Sache anders sah, hätte ihr ein Blinder mit 'nem Krückstock sagen können und dass Owain bis heute nicht kapiert hatte, welchem Beruf seine Angebetete nachging, war ebenso unglaublich. Die beiden benahmen sich wie Kinder.
Die Quintessenz seiner Worte war eigentlich gewesen 'Redet miteinander HimmelIuppitersakra!', doch wie es ihm so oft passierte in letzter Zeit, schien die nicht zu verstehen, was er meinte.

"Ich sag nicht, dass du vorhast, ihn fernzuhalten. Ich sage nur, dass schon verrückte Dinge passiert sind und wenn dann auch noch Verbitterung einschlägt, können vernünftige Menschen zu Furien werden." Er wusste nicht, ob Aglaia sich mit dem griechischen Furien gut genug auskannte, um dieses Sprichwort zu kennen, sonst hätte sie gewiss ihre Mutter öfter mit diesem Titel bedacht.
Narcissus musterte das kleine Würmchen, das sich von ihren Worten nicht stören ließ. Es hatte keine Ahnung, wie schwierig die Situation gerade war. Doch seine Existenz, die Tatsache, dass es das kleine Geschöpf nun gab, hatte niemals zur Debatte gestanden. Er war sich sicher, dass Aglaia insgeheim froh über die Gesundheit ihrer Tochter war und sich schon noch in sie verlieben würde.

Er hatte geahnt, dass er zu pissig geworden war und Aglaia bestätigte dies. Nun hatte sie nämlich seine Laune gewittert und fragte, ob er darüber reden wollte.
Über was denn? Die Tatsache, dass er sich hier gar nicht mehr willkommen fühlte? Dass er Aglaia und ihre Familie aus Rom in die Ferne gefolgt war, obwohl ER sich seine Chancen dort nicht versaut hatte?
Im Kleinen hatte er solche Dinge bereits gedacht, seit Aglaia mit Owain zusammengekommen war. Doch seit der Cena für den LAPP wurden diese Gedanken immer vordringlicher. Wieso kam ihm jetzt ausgerechnet Saturninus in den Kopf? Er konnte den Mann manchmal gut leiden, doch dann erinnerte er sich an dessen Du-musst-nicht-denken-du-bist-zu-hübsch-dafür-Attitüde und ärgerte sich wieder maßlos. Es war, als ob seine gesamte Umwelt ihn unterschätzte. Das hatte er in Rom ertragen, denn da hatte er immerhin Gleichgesinnte (und eine große Unterwelt, die seine übrigen Talente zu schätzen wusste) um sich gehabt. Jetzt, hier? Wen hatte er denn außer Aglaia? Bloß einen Saturninus, der ihn stets, wenn auch unbeabsichtigt, daran erinnerte, wie kurzlebig und flüchtig dieses vermeintlich einzige Attribut war, über das er verfügte...

"Nein", sagte er und gab sich keine Mühe mehr, zu verbergen, wie sehr ihn das alles stresste. "Doch. Ich weiß nicht." Tief Luft holend, fixierte er einen Punkt an der Wand hinter Aglaia, anstatt ihr in die Augen zu sehen.
"Ich... denke drüber nach, die Casa zu verlassen. Keine Ahnung, ob ich hier bleiben oder nach Rom zurückgehen soll. Oder vielleicht nach Londinium, wer weiß. Hab's mir noch nicht genau überlegt, aber da ich hier nicht mehr besonders gefragt bin, frag ich mich, ob ich mir nicht was eigenes aufbauen sollte, solang ich jung genug dafür bin.
Ist ja schließlich nicht so, als ob mich hier irgendjemand vermissen würde, hm?"
Götter, er konnte nicht mehr aufhören, zu reden. Auf einmal stürzte alles aus ihm heraus, wie ein Fluss, dessen Dämme gebrochen waren:
"Ich meine, was ist schon schlimm dran, dass meine beste Freundin und engste Vertraute plötzlich ihren Sklaven... keine Ahnung, SEID ihr verheiratet? Ich blick da nicht mehr durch, und wenn, wär ich vermutlich eh nicht eingeladen gewesen... Ich meine, du brauchst mein Einverständnis nicht. Du bist erwachsen. Aber nach allem, was wir erlebt haben, hatte ich gedacht, ich werde wenigstens... informiert? Gefragt?
Dann verliert deine Mutter plötzlich völlig ihren Kopf und denkt, du haust mit Owain ab, läuft herum, um deine Nachfolge zu regeln und wen fragt sie? KIKI! Ich meine... Mal abgesehen davon, dass ich alles, was ich hatte, für euch, für DICH in Rom zurückgelassen habe, dass wir wie Familie sind, habe ich auch Geld zum Bau dieses Hauses beigesteuert. Und ich werde nicht einmal in Betracht gezogen, nicht einmal gefragt. Ich bin eine Randnotiz, die sich eingebildet hat, Teil des Hauptsatzes zu sein.
Weißt du, wie ich dich beneide? Was ich darum geben würde, wenn mich jemand so ansieht wie dieser blonde Schönling (gewagte Behauptung von mir, ich weiß) dich? Wie jemand, der bedeutend ist? Wie jemand, der der Welt noch was zu geben hat?
Nein... Ich bin schön. Ich muss nicht denken. Mit mir muss man nicht reden. Ich muss nur hinhalten und lächeln."
Und er lächelte. Doch jetzt hatte es nichts von der verführerischen Verschmitztheit für die Kunden oder der ehrlichen Wärme von eben. Nur Leere, ein mageres Gerüst von etwas, was auch immer.
"Mann. So, ich geh mal besser. Du musst dich ausruhen. Tu einfach so, als wär nichts gewesen. Das war mir jetzt auch peinlich genug."


RE: Cubiculum | Aglaias Privatzimmer - Liciniana Aglaia - 01-16-2024

Ich musste ehrlich gestehen, ich kam nicht ganz mit. Erst dieser seltsame Einwurf, ich könnte Owain fernhalten wollen, den ich nicht verstand, und dann kam Narcissus mit einem Ausbruch und einem ganzen Wortschwall an willkürlichen Anschuldigungen, der so völlig außerhalb des Rahmens war, wie ich Narcissus sonst kannte.
Dass er darüber nachdachte, sich selbständig zu machen, geschenkt. Er wäre dumm, wenn er es nicht täte. Und ich würde ihm da sicher nicht reinreden und ihn aufhalten wollen, denn ehrlich, wenn ihn das glücklich machte, dann hatte er es verdient und sollte es versuchen. Er würde bei Aglaia dennoch immer einen Platz haben, falls es nicht klappte.
Dass er dann aber sie anmeckerte wegen der Hochzeit mit Owain, das war… war er etwa eifersüchtig? Von der Hälfte meiner Kunden erwartete ich sowas, aber von Narcissus? Der Mann, der nie wirklich etwas festes wollte, immer mal schauen wollte, der das Leben genießen wollte und für den sowas wie eine Ehe immer eher eine Notlösung gewesen wäre, weil es halt witzig wäre?
“Ja, wir sind verheiratet. Nein, wir hatten keine Feier, sondern ich hab es einfach nur ganz unromantisch eintragen lassen. Und wieso hätte ich dich davor deshalb fragen sollen? Du warst monatelang immer unterwegs und am Feiern“, sagte ich mit fragend gerunzelter Stirn, da ich den Teil wirklich nicht verstand, was er da bitte hätte mitreden wollen. Es war ja echt nicht so, als wären wir davor ein wirkliches Paar gewesen. Mehr eine Zweckgemeinschaft. Und ich hatte ihn dabei wesentlich häufiger und mehr umgarnt als er mich. Ich hätte echt nicht gedacht – und glaubte auch jetzt nicht daran – dass er romantische Gefühle für mich haben könnte.
“Vergiss doch meine Mutter. Die ist vollkommen übergeschnappt. Und Kiki weiß das auch und hat ihr Angebot da auch abgelehnt“, versuchte ich, ihn aus seinem Gedankenkarussell zu befreien.
Aber er war zu sehr im Fluss und wollte dann auch gehen. Ich blieb einen Moment sitzen und schaute ihn an und atmete durch, dann stand ich auf, weil er aufgestanden war, und umarmte ihn von hinten, drückte meinen Kopf an seinen Rücken und hielt ihn mit den Armen um den Bauch geschlungen fest an mich gedrückt.
“Du bist ein Idiot, Narcissus. Du warst ein Idiot, an dem Tag, als ich dich da in der Subura im Dreck gefunden habe und nach Hause gebracht habe, und du bist immer noch ein Idiot.“ Ich hielt ihn fest und schloss die Augen. Er hatte vollkommen den Kontakt verloren, wie es mir schien, und fiel wieder ins Nichts. Ich wusste, wie sich das anfühlte. Ich kannte es sehr gut. Bisweilen fühlte ich es ja selber. Im Moment gerade, wenn Owain mir meine Arbeit verbieten wollte. Ich wusste, wie sich das anfühlte. Deshalb holte ich ihn jetzt zurück auf die Erde mit der Umarmung. Naja, ich hoffte es zumindest.
“Ich liebe dich, du Idiot. Vom ersten Tag an, jeden Tag, bis jetzt und wahrscheinlich noch die nächsten zwanzig Jahre. Nicht so, wie ich Owain liebe, aber deshalb ist das trotzdem nicht schlechter. Und du bist nicht nur eine Randnotiz oder eine blöde Hure, die nichts zu sagen hat. Warst du auch nie. Und jeder, der sowas behauptet, ist ein noch blöderer Idiot als du.“
Ich ließ ihn los und watschelte vorsichtig zurück zum Bett, um mich zu setzen. Heute war zwar schon alles viel besser, aber es zwickte und zwackte schon noch ordentlich. Von den Dingen, die sich beim Pinkeln abspielten, ganz zu schweigen. Ich seufzte.
“Wenn du dich selbständig machen willst, dann halte ich dich nicht auf. Owain will mit mir auch nach Londinium gehen, und irgendwie will ich auch von meiner Mutter weg. Ich kann es also gut verstehen. Aber ich werde dich vermissen. Und falls es doch nicht klappen sollte, dann weißt du, dass du bei mir immer ein zuhause hast. Immer, Narcissus. Auch wenn du dich wie ein Idiot benimmst.“